Mein Name ist Evelyn Kreißig und ich bin nur eine
einfache Lehrerin und kann Ihnen, Herr Sarrazin,
sicher in vieler Hinsicht nicht das Wasser reichen. Sie
sind bestimmt ein überdurchschnittlich intelligenter,
wortgewandter und belesener Mann und haben viele
Erfahrungen in der Arbeit mit Ausländern innerhalb
Ihrer Tätigkeit als Fachökonom, Spitzenbeamter und
Politiker in Berlin.
Trotzdem glaube ich, bei dem Thema, das Sie mit Ihrem
Buch bearbeiten, mitreden zu können, denn ich arbeite
seit zehn Jahren mit Migranten bzw. Jugendlichen mit
Migrationshintergrund. Ich verzichte aber weitgehend
auf Zahlen, Tabellen und empirische Erhebungen, denn
das haben Sie ja schon in genügendem Umfang getan.
Auf dem Abiturzeugnis hatte ich zwar in Mathematik
die Note Zwei, habe aber bis heute nicht viel mit Zahlen
am Hut, obwohl mein Mann Mathematiker ist. Das
heißt, Menschen mit dieser Leidenschaft lehne ich also
generell nicht ab, ja ich konnte sogar mit ihm bis drei
zählen, denn wir haben zusammen drei intelligente und
hübsche Kinder.
Als Lehrerin bekomme ich ein gutes Gehalt und kann
mir deshalb auch einen relativ hohen Lebensstandard
leisten. Reich bin ich allerdings nicht und ich kenne auch
keine reichen Lehrer, nur Lehrer, die viel arbeiten und
viele Ferien haben. Das Zweite ist zumindest eine häufig
gehörte Äußerung von Mitmenschen, die Lehrer oft mit
der Gegenfrage kommentieren: „Warum sind Sie oder
bist du dann nicht selbst Lehrer geworden?"
Zugegeben, die Antworten fallen verschieden aus, aber
auf mangelnde Intelligenz ihrerseits führen sie das eher
weniger zurück. Im Gegenteil, man hört dann auch
manchmal die Feststellung: „Mit mehr Intelligenz hätten
manche Lehrer auch einen anderen bzw. besserbezahlten
Beruf lernen können." Aber Geld ist eben auch nicht
alles, was man zum Beispiel als Immobilienmakler,
Finanzmanager, Banker oder Versicherungsvertreter
reichlich verdienen kann. Damit hatte ich nie etwas
am Hut, vielleicht, weil man dazu auch Mathematik
braucht.Doch der Hauptgrund ist eher der, dass ich
lieber Kindern und Jugendlichen etwas geben will
(Wissen), anstatt ihren Eltern etwas wegzunehmen
(Geld). Ich muss aber auch ehrlich zugeben, dass ich
für die oben genannten Berufe ebenfalls kein Talent und
keine Ambitionen habe. Natürlich gibt es noch ein paar
andere Varianten für Berufsziele, die dazwischenliegen
wie Frisörin, Verkäuferin, Bäckerin, Sekretärin oder
Krankenschwester. Das wollte ich jedoch auch nie
werden, vielleicht weil mir ihr ewig langer Arbeitstag
nicht zusagte, aber auf den Köpfen andere Leute
wollte ich zum Beispiel auch nie arbeiten (Frisörin).
Lieber wollte ich versuchen, in die Köpfe etwas
hineinzubringen. Dafür nahm ich in Kauf, dass meine
Schüler mir manchmal auf dem Kopf herumtanzten.
Ich war schon immer ehrgeizig, habe mir so das
Abitur erkämpft und mein späteres Lehrerstudium
durchgehalten, was nicht immer einfach war. Finanziell
hätte ich mir das nie leisten können, da meine Eltern
nicht viel Geld hatten und ich noch drei Geschwister
habe. Und Kinder machen ja bekanntlich nicht nur
Freude, sondern kosten ihren Eltern auch viel Geld.