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Fantasy Bücher
Buch Leseprobe Randar - Die Schattenwelt, Kilian Braun
Kilian Braun

Randar - Die Schattenwelt



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Der Vampir Galrim betrat den Saal des Hohen Rates der Feste Eri’Riat mit einem mulmigen Gefühl. Es war ein prunkvoll eingerichteter Raum mit geradezu verschwenderisch viel Platz. Unzählige Scharten sowie kreisrunde und eckige Fenster in den Wänden und im Dach ließen das Zwielicht der Nacht so geschickt einfallen, dass der Raum zwar erhellt, aber immer noch angenehm düster war. Das Herzstück waren drei kunstvoll gefertigte hohe Lehnstühle aus verdreht gewachsenem, dunklem Holz. Die außergewöhnlichen Sitzgelegenheiten standen im Halbrund an der Stirnseite des Raumes. Drei Personen, ein Mann und zwei Frauen, erwarteten Galrim bereits.


 


Der Mann unter ihnen war der jähzornige und ruchlose Elrom, kein einfacher Zeitgenosse. In seiner steilen Laufbahn hatte es der schlanke, eher schmächtige, aber dafür hoch gewachsene Vampir mit gekonntem Ränkespiel und Wortgewandtheit zum Anführer der Uk’tûr-Tradition gebracht. Elrom war als machtbesessener Herrscher bekannt, der nicht nur absoluten Gehorsam einforderte, sondern stets Höchstleistung. Er strafte viel und gerne, lobte wenig und scherte sich einen Dreck um niedriger gestellte Vampire, es sei denn, es war seinen eigenen Interessen zuträglich. Heutzutage war Elrom geachtet wie gefürchtet und ein strenger Vertreter von Recht und Gesetz, wobei er sich beides gern zu seinem persönlichen Vorteil auslegte. Er trug sein nachtschwarzes Haar traditionell schulterlang und glatt. Sein stechender Blick war unangenehm und man hatte stets den Eindruck, als suche er nach jedem kleinsten Vergehen oder Anzeichen von Schwäche.


 


Zu seiner Rechten saß Oridi, mit gerade einmal zweiundachtzig Jahren ein außergewöhnlich junges Ratsmitglied. Die Vampirin präsentierte sich gern als gütige, vernünftige, wenn auch zuweilen strenge Anführerin der Trat’dôl’mer-Tradition, welcher auch Galrim angehörte. Sie kleidete sich gerne figurbetont und trug ihr Haupthaar zwar ebenfalls schulterlang, jedoch mit einer Schnur am Hinterkopf zusammengebunden. Damit tat sie zugleich dem alten Brauch der langen Haartracht genüge, provozierte aber durch das Zusammenbinden und signalisierte eine gewisse Modernität. Wenn Oridi ihre eigenen Interessen in Gefahr sah, griff auch sie als vermeintlich gütige Gebieterin auf rigorose, hinterhältige Methoden zurück.


 


Die Letzte im Bunde war die erfahrene Padana. Sie gehörte mit einhundertvierundsiebzig Jahren zu den Vampiren fortgeschritteneren Alters und war das älteste Mitglied des Hohen Rates von Eri'Riat. Sie hatte keinen steilen und glorreichen Aufstieg hinter sich wie ihre beiden Ratskollegen, sondern viele Rückschläge und harte Zeiten erlebt. So war sie lange Zeit in ihren jungen Jahren orientierungslos, und als sie sich schließlich einer Vereinigung anschließen wollte, scheiterte sie an den strengen Aufnahmeregularien. So kam es, das Padana als traditionslose Vampirin umherzog, oft schutzlos und ein paar Mal war sie nur knapp mit dem Leben davongekommen. Aus Protest trug sie seit damals ihr Haupthaar kurz geschnitten und hatte damit eine provozierende, neumodische Bewegung innerhalb der Vampire ausgelöst, für die sie viele liebten und ebenso viele hassten. Schließlich gründete sie kurzerhand ihre eigene Tradition: Yak'kûl'tok. Für viele heimatlose Vampire wurde sie zu einer rettenden Anlaufstelle und rasch fanden sich viele Anhänger ihres eher locker geführten Bundes. Der Zuspruch war so groß, dass die übrigen Traditionsführer auf sie aufmerksam wurden und Padana als gleichgestellt akzeptieren. Sie konnte eine große, bedingungslos hinter ihr stehende Anhängerschaft vorweisen. Dadurch besaß Padana eine nicht zu unterschätzende Macht, denn wer mochte schon gut vierhundert Vampire gegen sich haben?


 


Mit gebührend langsamen Schritten näherte sich Galrim dem Rat der Feste. In exakt zehn Schritten Abstand zu den Sitzen befanden sich drei Symbole auf dem Boden, die mit besonderer Kunstfertigkeit dereinst in den dunklen Stein geritzt worden waren und nun kalkweiß entgegenstrahlen. Jeder Vampir kannte sie: Das linke Emblem bestand aus mehreren Blutstropfen und war das Symbol der Ehrung. Wer sich dorthin aufrecht und mit stolz erhobenem Haupt stellen durfte, hatte sich bewährt, einen wichtigen Dienst für die Vampire geleistet oder eine schwierige Aufgabe gemeistert. Das rechte Zeichen war das Gegenstück hierzu: Ein kurzes Schwert zeigte mit der Spitze zum Delinquenten, links und rechts befanden sich zwei handgroße Kreise, in die derjenige seine Hände zu legen hatte. Auf diesem Symbol musste man auf beiden Knien hockend verweilen, bis das Urteil gesprochen war. Das Emblem in der Mitte war ein eineinhalb Schritt durchmessender Kreis mit einem großen Augenpaar in der Mitte, das Sinnbild der Befragung und Anhörung. Wer vor den Rat zitiert wurde oder freiwillig mit einem Anliegen vor den Oberhäuptern sprechen wollte, musste in diesen Kreis treten und auf ein Knie herabsinken. Die Etikette gebot, dass sich Männer auf das rechte, Frauen auf das linke Knie niederließen.


 


Unaufgefordert trat Galrim in die Mitte, beugte das rechte Knie und senkte Respekt zollend sein Haupt. Er vermied es nach rechts zum Symbol der Bestrafung zu blicken, denn bei dem bloßen Gedanken daran, dort knien zu müssen, erschauderte er. Der Rat von Eri’Riat war für seine knallharten Bestrafungen bekannt und zögerte nicht, auch kleinste Vergehen unangenehm zu ahnden.


„Galrim, Vampir des 843. Jahres der Sechsten Finsternis, erfahrener Späher und Blutjäger, dreimaliger Gesandter zum Schattenkonzil und Mitglied der Trat’dôl’mer-Tradition – ist dies richtig?“ Die Worte des Mannes auf dem mittleren Lehnstuhl verklangen bedeutungsschwer in dem Saal. „Ich bin es“, sprach Galrim und folgte damit dem ritualisierten Ablauf. Zunächst stellte der Rat fest, wer vor ihm erschienen war, was dieser mit „Ich bin es“ zu bestätigen oder mit „Ein anderer bin ich“ zu bestreiten hatte. Normalerweise war es nun erst üblich vom Rat aufgefordert zu werden, auf ein Symbol zu treten.


„Nur Eurer vergangenen Taten für die Feste wegen will ich verzeihen, dass Ihr schon einen Platz eingenommen habt. Es ist und bleibt dem Rat vorbehalten, dies zu bestimmen!“ Galrim nickte ergeben. „Ich weiß. Verzeiht.“ Elrom verzog missbilligend das Gesicht und blickte kurz zu seinen Kolleginnen, die ihm knapp zunickten, fortzufahren. „Wir hörten, dass Ihr eine Begegnung mit einem weißhaarigen Menschen hattet. Ist dies so?“ Der schroffe Tonfall verhieß nichts Gutes. „Ja.“ Galrim verzog kurz sein Gesicht. „Dies ist wahr“, korrigierte er sich schnell, um die formell richtige Antwort zu geben. Bloß nicht verärgern!


„Ein Menschenweib mit weißem Haar ist ohne Zweifel sonderbar und einzigartig, und dennoch habt Ihr sie ziehen lassen. Warum?“ Elroms Stimme durchschnitt mühelos die stehende Luft. Galrim wurde mulmig, zunächst jedoch befand er sich nur in Befragung und es war sein Recht frei zu sprechen. „Es war eine reine Zufallsbegegnung, Hoher Rat. Wir waren auf Blutjagd und erlegten gerade eine kleine Gruppe, als dieses Mädchen uns entkam.“ „Das ist unmöglich!“, polterte Elrom dazwischen. „Kein Mensch kann einem Vampir entkommen! Sie ist Euch doch nicht etwa aufgrund von Unachtsamkeit entwischt!?“


 


Galrim blieb ruhig. Er war erfahren genug, auch einer barschen Befragung durch den Rat Stand zu halten. „Sicherlich nicht, doch dieses Mädchen lief so schnell und ausdauernd, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Umgehend verfolgte ich es.“ Oridi und Padana nickten bestätigend. Galrim hatte einen kleinen Pluspunkt. „Die Frau lief in atemberaubendem Tempo und versuchte tatsächlich mich abzuschütteln, doch meine Erfahrung als Jäger vereitelte dies. Schließlich holte ich sie ein.“ Elrom setzte schon wieder zu einer ungehaltenen Aussage an, allerdings kam ihm diesmal Oridi zuvor. Mit einer dezenten Geste der linken Hand hielt sie Elrom zurück, der daraufhin unwillig schnaubte und schwieg. Die Anführerin der Trat’dôl’mer-Tradition hielt Galrim fest im Blick. „Hattet Ihr eine Möglichkeit das Haar zu betrachten?“ Galrim nickte. „Ja. Es war in der Tat blendend grell und die Farbe stach mir in den Augen. Es war unangenehm anzuschauen, doch auf eine eigentümliche Art spürte ich, dass dieses Mädchen etwas Besonderes war. Wie hätte sie sonst vor mir so lange davonlaufen können?“ Elrom lehnte sich mit hämischem Gesichtsausdruck nach vorn. „Vielleicht werdet Ihr alt und langsam, Galrim?“ Der erfahrene Vampir schluckte die bissige Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter.


 


„Fahrt fort“, sprach Padana kühl und ungerührt. „Jetzt kommt der wichtige Teil, denn nur zu gern möchte ich wissen, weshalb Ihr das Mädchen nicht zu uns gebracht habt!“ Gespannte Stille trat ein und die stechenden Blicke der Ratsmitglieder ruhten auf Galrim. Der Vampir musste hart schlucken. Jetzt wurde es etwas unangenehm. „Untote griffen uns urplötzlich an und ein heftiger Kampf entbrannte. Nur mit Mühe konnte ich mich verteidigen, doch einer dieser Blutlosen beschwor seine Skelette erneut zum Leben. Ich …“, Galrim stockte kurz, „ich musste fliehen.“ Elroms Gesicht verzerrte sich vor Wut. „Ihr seid geflohen und habt das einzige weißhaarige Mädchen, das jemals erschienen ist, den Untoten überlassen?“, zischte er mühsam beherrscht zwischen den Zähnen hervor. Galrim erkannte, dass nicht nur Elrom nun ernsthaft erbost war, sondern auch seine Kolleginnen waren alles andere als erfreut. „Ich hätte sie nicht mitnehmen können!“, verteidigte sich Galrim energisch. „Wäre ich nicht geflohen, könnte ich jetzt nicht hier sein und davon berichten. Dann wüssten wir nicht einmal, dass das weißhaarige Mädchen überhaupt existiert!“ Elrom grummelte etwas Unverständliches und lehnte sich wieder zurück. „Aber was glaubt Ihr werden die Untoten mit ihr machen?“, fragte Oridi ohne jedoch eine Antwort abzuwarten. „Sie werden sie zu einer Blutleeren machen!“ „Oder sie einfach verfüttern …“, dachte Padana laut und seufzte resignierend. Elrom meldete sich wieder zu Wort. „Ist Euch, Galrim, eigentlich klar, dass die Blutleeren möglicherweise nun eine mächtige Waffe ihr eigen nennen könnten?“


 


Jetzt musste Galrim seinen einzigen Trumpf ausspielen, den er im Ärmel hatte. Alles oder nichts! „Sie haben das Mädchen, dies ist wahr, aber sie können sie nicht ihr eigen nennen!“ Alle drei Ratsmitglieder schauten verblüfft. „Ich habe das Mädchen vor dem Angriff der Untoten zu einem Vampir gemacht.“ Jetzt war es raus. Elrom rang sichtlich um Fassung und wollte scheinbar am liebsten tausend Dinge gleichzeitig sagen, was dazu führte, dass er kein einziges Wort herausbrachte. Padana schüttelte verwirrt den Kopf. „Ihr habt – was?“ „Er hat sie zu einem Vampir gemacht“, wiederholte Oridi langsam, wie um die Tragweite der Worte zu verstehen. Elrom fand die Sprache wieder. „Das … das … das ist ungeheuerlich!“ Er sprang auf. Unverhohlener Zorn schlug Galrim entgegen. „Das war unglaublich dumm und leichtsinnig von Euch!“, schrie er mit mehrfach nachhallender Stimme.


„Oder genial“, sprach Oridi leise, während sie darüber nachdachte. Galrims Blick huschte von einem Ratsmitglied zum anderen. Er konnte nicht vorhersagen, was nun geschehen würde, ob der Rat sein Vorgehen billigen oder verurteilen würde. Elrom wandte sich fassungslos an Oridi. „Wie bitte?“, schnaubte er. „Genial?!“ Padana sagte nichts, sondern musterte Galrim eindringlich und der Vampir wusste, dass sie ihn einzuschätzen versuchte. Der erfahrenen Ratsvampirin entging nichts, nicht das kleinste Wimpernzucken oder die unscheinbarste Schweißperle auf der Stirn. Sie war bekannt dafür, Leute allein an ihrem Verhalten durchschauen zu können. Galrim musste sich schwer konzentrieren nicht unbedacht zu handeln, doch er hatte die Wahrheit gesagt und somit nichts zu verbergen.


„Was wäre gewesen, wenn das Mädchen den Blutleeren als einfacher Mensch in die Hände gefallen wäre?“ Oridi wollte keine Antwort auf diese Frage, denn es war jedem klar, was dies bedeutet hätte. Galrim verkniff sich ein erfreutes Lächeln. Genau diese Frage hatte er sich ebenfalls schon kurz nach seiner Flucht gestellt. Ganz offensichtlich widerwillig musste Elrom den Sinn nun einsehen. „In der Tat“, knurrte er ungehalten, „wäre das Menschenmädchen längst eine Untote oder gefressen.“


 


Galrim wagte es nun seinerseits etwas zu sagen. „So ist es. Ich habe dem Mädchen als Mensch keine große Überlebenschance eingeräumt. Menschen sind leichte Beute für vielerlei Wesen in unseren Landen, es war ohnehin schon ein Wunder, dass sie nicht als Kind gestorben war. Daher habe ich sie zum Vampir gemacht. Nur so ist sie stark genug, um …“ „Genug!“ Padana unterbrach Galrims Redefluss energisch und im selben Augenblick merkte der Vampir, dass er zu lange und zu viel geredet hatte. Dies war keine Plauderstunde, sondern eine Anhörung. Es wird erwartet, dass der Befragte kurz, präzise und wahrheitsgemäß auf Fragen antwortete, nicht mehr und nicht weniger.


„So wie ich die Sache sehe“, hob Padana an, „hat Galrim intuitiv richtig gehandelt, es war jedoch mehr Glück als weise Voraussicht.“ Galrim schwieg und musste Padana insgeheim recht geben. Er hatte schlicht und ergreifend glücklicherweise genau das Richtige getan. Elroms Gesichtszüge waren zu einer harten, grimmigen Maske erstarrt. Es war zu merken, dass er es genossen hätte, Galrim eine Strafe aufbürden zu können, doch die Situation ließ dies nicht zu. „Ich stimme Padana zu. Galrim hat nicht falsch gehandelt, dennoch bin ich nicht begeistert!“ Erstaunt blickte Galrim zu Oridi. Er hatte eigentlich gedacht, von seiner Traditionsführerin am ehesten Verständnis zu erhalten. Dem war jedoch mitnichten so.


 


Wortgewandt fuhr Oridi fort. „Das Weißhaarmädchen mag dank der Verwandlung in einen Vampir noch am Leben sein aber Tatsache ist, dass sie sich dennoch in der Gewalt der Untoten befindet!“ Oridi zog grimmig ihre Augenbrauen zusammen. „Und das passt mir ganz und gar nicht!“ Elroms Mund verzog sich zu einem bösen Lächeln und Galrim wurde angst und bange. Vielleicht brummten sie ihm doch noch eine Strafe auf! Galrim spielte kurz mit dem Gedanken noch einmal zu einer Verteidigung anzusetzen, aber er entschied sich lieber zu schweigen. Er hatte das Gefühl, dass jedes weitere Wort von ihm momentan seine Lage nur verschlechtern konnte. „Wie beschließt der Rat nun diese Anhörung?“, fragte Elrom in den Raum ohne seinen offenkundig ablehnenden Blick von Galrim zu wenden. „Eine Bestrafung geringen Ausmaßes scheint angemessen.“ Padana wog unschlüssig ihren Kopf hin und her. Ganz zufrieden war sie mit diesem Ende nicht. Galrim indes schluckte den Kloß im Hals hinunter. Eine Bestrafung wofür? Er sah sich ohne Schuld! Der erfahrene Jäger schnaufte unwillkürlich missmutig. Wenigstens drohte lediglich eine leichte Strafe, das war noch erträglich. Eine Strafe großen Ausmaßes wäre da schon wesentlich härter, ganz zu schweigen von einer Strafe tödlichen Ausmaßes.


 


In Gedanken sah sich Galrim schon das Strafurteil empfangen, als sich Oridi erneut zu Wort meldete. „Ich habe eine bessere Idee.“ Hoffnungsvoll sah Galrim auf. Sie war die Anführerin der Vampirtradition, der er folgte. Sie kannte ihn gut und lange. Vielleicht legte sie doch noch ein gutes Wort für ihn ein! „Das weißhaarige Mädchen muss zu den Vampiren gebracht werden. Zum Einen, weil sie nun selber eine der unseren ist, dies allein wäre schon Anlass genug, aber zum Anderen, und das ist ein wahrlich triftiger Grund, ist völlig unklar, was ihre hellen Haare zu bedeuten haben. Sie ist einzigartig, also kann dies nicht nur eine Laune der Natur sein.“


Mit festem Blick erhob sich Oridi und strahlte eine Ehrfurcht gebietende Aura aus. „Galrim, vernehmt den Ratsschluss: Nicht nur als Ratsmitglied spreche ich, sondern auch als Anführerin der Trat’dôl’mer-Tradition, welcher Ihr angehört. Ich nehme Euch in die Pflicht, das weißhaarige Mädchen zu uns zurückzubringen! Ich bin mir sicher, dass die Blutleeren sie als Trophäe und Druckmittel zum bevorstehenden Schattenkonzil mitnehmen werden. Ihr, Galrim, werdet einmal mehr in der Gesandtschaft der Vampire zur großen Versammlung reisen und das Mädchen mit allen Mitteln den Untoten entreißen!“ Elrom blickte entsetzt zwischen Galrim und Oridi hin und her. „Er soll auch noch die Ehre erhalten, zum Schattenkonzil zu reisen?“ Ein tiefgründiges Lächeln zeigte sich auf Oridis Gesicht und im selben Moment wusste Galrim, dass die Sache einen Haken hatte. „Ja, dies soll er tun, doch kehrt er ohne das Mädchen zurück, dessen Verlust er in gewisser Weise mit zu verantworten hat, ist dies eine schwere Verfehlung, die sicherlich nicht nur mit einer Strafe geringen Ausmaßes geahndet werden kann!“ Galrim fühlte sich als würde ihm langsam die Kehle zugeschnürt. Im ersten Moment wusste er nicht, was schlimmer war: lediglich jetzt eine Strafe geringen Ausmaßes zu ertragen oder auf diese perfide Queste geschickt zu werden mit der Aussicht, bei Versagen eine Strafe tödlichen Ausmaßes zu erhalten. Elrom schien diese Heimtücke zu gefallen. Mit schadenfrohem Grinsen erhob er sich. „Es sei, wie Oridi sprach.“ Der hinterhältige Vampir ergötzte sich an Galrims bedrücktem Gesichtsausdruck. Schließlich erhob sich Padana ebenfalls.


„Nicht die drohende Bestrafung sollte Euch antreiben, Galrim, sondern die Tatsache, einen unermesslich wichtigen Dienst für die Vampire zu leisten. Wenn Ihr zurückkehrt, werdet Ihr Euch entweder links oder rechts von Euch befinden.“ Die Ratsvampirin deutete auf das Symbol der Bestrafung und auf das der Ehrung. „Es liegt bei Euch. Es sei, wie Oridi sprach!“ Alle drei Ratsmitglieder hatten formell die Anhörung beendet und somit hatte Oridis Wort unangefochtene Gültigkeit. Galrim erhob sich bedächtig, verneigte sich tief und zwang sich, nicht zu überstürzt den Saal zu verlassen. Eine vielleicht unlösbare Aufgabe lag vor ihm. Für jetzt war er wohl sicher, doch wenn er scheiterte, brauchte er wohl am besten gar nicht mehr zurückkehren …


 


***


 


Drinnen wandte sich Elrom an Oridi. „Also dass Ihr einem Mitglied Eurer eigenen Tradition dies auferlegt, hätte ich nicht gedacht.“ Er grinste hämisch. „Aber mir gefällt es!“ „Galrim ist einer der Besten, die ich habe“, sprach sie. „Wenn es einer schaffen kann, dann er. Und falls er bei dem Versuch stirbt, habe ich einen Konkurrenten weniger, der möglicherweise nach der Traditionsanführerschaft trachtet!“ Elrom und Oridi plauderten noch weiter, während Padana sich still zurückzog. Ihr bereitete mehr Kopfzerbrechen, weshalb dieses Mädchen mit den verdammten weißen Haaren überhaupt aufgetaucht war. Es verhieß sicherlich nichts Gutes.


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