Hätte auch schlimmer kommen können, dachte Taar. Die Gittertüren knallten zu. Er beäugte die viel zu kleine Zelle, klopfte den Staub von der Kleidung und warf sich auf die Pritsche, die zwar hart, aber nicht unangenehm war. Wenn es eines gab, was er nicht ausstehen konnte, dann war es, in einem Raum zu übernachten, der nach Verwesung stank. Er war an den Tod gewöhnt, das musste aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass er einen Leichnam als Zellengenossen haben wollte. Seine Zelle war zweckmäßig, ein dünner Schlitz am oberen Ende einer Wand ließ Licht herein, über die bemoosten Steinmauern tropfte Wasser und ein Haufen dreckiges Stroh faulte in der Ecke vor sich hin. An der gegenüberliegenden Wand hingen hinter den Wärtern einige Talgkerzen in rostigen Halterungen und warfen schummrige Lichtkegel an die Decke. Die Luft war schwer und drückend, das war aber in den meisten Kerkertrakten der Fall – und Taar hatte zu seinem Leidwesen schon viele von innen betrachten können. Er gähnte herzhaft und versuchte, sich etwas zu entspannen. Es war ein langer Tag gewesen und er wollte nicht länger als nötig an dem Ort verweilen. Das Gefängnis, das ihn halten konnte, musste erst noch gebaut werden. Die Wärter, zwei grobschlächtige Kerle, die offensichtlich zu keiner anderen Aufgabe taugten, waren damit beschäftigt, seine Habseligkeiten zu durchwühlen. Außer unbedeutendem Plunder würden sie nicht viel finden, denn er wäre nicht Taar Wax, wenn er seinen wichtigsten Besitz bei sich tragen würde. Dabei fiel ihm ein … »He, ist der Branntwein noch in einem Stück?«, fragte er. Einer der Wärter wühlte in den Taschen des zerfetzten, dunkelbraunen Mantels und förderte eine kleine Flasche mit braunem Inhalt hervor. »Ja, genau die. Würde es so vortrefflichen und pflichtbewussten Wärtern wie euch etwas ausmachen, mir die Flasche zu geben?« Einer der Wärter zog den Korken heraus und setzte das Gefäß an die Lippen. »Meinst du etwa die hier?« »Würde ich an deiner Stelle nicht tun, Mann.« »Warum? Kommst du dann raus und verprügelst mich?« Der andere Wärter lachte schallend. »Nein, aber das Zeug war verdammt teuer. Also nicht für mich, aber für denjenigen, den ich um seinen Beutel erleichtert habe. Beste Qualität und so weiter. Hab es eine ganze Zeit aufgehoben.« Der Wärter kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Was für ein Dummkopf. Taar seufzte, erhob sich von seiner Pritsche und zog sein viel zu weites Hemd aus, das an vielen Stellen in lange Fetzen gerissen war. »Tatsächlich wollte ich nur eine Nacht in Ruhe meinen Rausch ausschlafen«, murmelte er und zog auch das zweite Hemd aus, das sich darunter befand. Zuletzt trug er nur noch sein Unterhemd und ihn fröstelte leicht. Er wickelte die beiden Hemden um die Arme und seufzte noch einmal. »Aber es gibt heutzutage einfach kein Benehmen mehr. Wisst ihr denn nicht, wer ich bin?« »Ist das wichtig, du kleiner Wicht?« »Weiß nicht. Es hätte euch jedenfalls eine Warnung sein können.« »Und jetzt? Was gedenkst du zu tun?« »Hm, als erstes werde ich die Gitterstäbe aufbiegen. Danach werde ich euch beide erwürgen und unbehelligt hinausmarschieren. Ich würde es aber gern vermeiden.« Der linke Wärter legte seinen Knüppel lässig über die Schulter und lachte wie ein Wahnsinniger. »Das willst du wirklich tun? Dann bin ich ja mal gespannt, wie du das anstellst!« »Immer wieder das Gleiche. Kennt ihr die Verliese von Nandoc?« Die Wärter sahen ihn stumm an. »Auch gut. Jedenfalls habe ich dort zwei Nächte verbracht, bis ich beschlossen habe, dass ich nicht länger bleiben will. Die Sonne ist nicht so angenehm für meine empfindliche Haut. Klar soweit?« »Du willst uns wirklich erzählen, dass du aus den Verliesen von Nandoc ausgebrochen bist?« Taar griff in seine Hosentasche und förderte einen kleinen Holzwürfel zutage. Der Würfel sah nicht sonderlich beeindruckend aus, war an den Außenkanten stark abgegriffen und wies sogar einige tiefe Risse auf. Für ihn nahm dieser Gegenstand aber einen ganz besonderen Stellenwert ein, denn es war sein Anker. »Was hast du da?«, fragte der Linke, während er sich der Zellentür näherte. »Wir haben dich durchsucht, aber nichts in deinen Taschen gefunden. Wo hast du das her?« »Ach, das ist doch nur ein Holzwürfel.« Taar hielt ihn ins Licht. »Er bildet meinen Anker in der Welt der Lebenden, deshalb konntet ihr ihn nicht finden.« »Anker?« »Das sind Dinge, die ihr vermutlich nicht versteht. Lasst es mich so ausdrücken: Wenn ihr mir jetzt ganz fix etwas zu trinken besorgt, vergesse ich das von eben einfach. Klar soweit?« »Ich sag dir mal was, du kleiner Scheißhaufen!«, grollte der linke. »Wenn du auch nur versuchst zu fliehen, werde ich dich bei lebendigem Leib häuten!« »Das stelle ich mir nicht sehr angenehm vor. Nicht, dass ich es herausfinden möchte.« Der Wärter blieb direkt vor dem Gitter stehen. »Woher hast du den Würfel?« Taar legte den Anker auf seine gespreizte Hand und konnte dessen Wärme spüren. »Das willst du wirklich wissen?« »Ja, das will ich wissen! Habe ich doch klar und deutlich gesagt.« »Aber wie hätte ich wissen sollen, was du wissen willst?« »Was?« »Wenn ich nicht weiß, dass du weißt, was ich weiß … wie kann ich dann wissen, was du wissen willst?« »Ich … Schluss mit den Spielchen!« Dabei wollte ich doch nur ein paar Stunden Schlaf … Taar presste die Hand zusammen, bis er die harten Kanten des Würfels spüren konnte. Dann schloss er die Augen und begann eine Beschwörung. Wie jedes Mal, wenn er die Seelen der Toten anrief, zerrte etwas unangenehm an seinem Bewusstsein, bis sich ein sanfter, grünlicher Schimmer um ihn bildete, der wie Öl auf einer Wasseroberfläche glitzerte. Der Schimmer griff mit nebelartigen Fingern nach ihm und begehrte mit jeder verstreichenden Sekunde stärker gegen die Anrufung auf. Mit einem knappen Befehl brachte er die Geister der Toten unter seine Kontrolle und sah zu, wie sie sich mit den langen Stoffbahnen seiner Kleidung verwoben. Währenddessen begann sein Anker zu vibrieren und verdeutlichte ihm, dass er weiterhin auf dem Pfad der Lebenden wandelte. Als er seine Augen wieder öffnete, standen die beiden Wärter wie gelähmt vor ihm, als könnten sie sich nicht entscheiden, was sie tun sollten. Offenbar war es das erste Mal, dass sie einem Nekromanten gegenüberstanden und Zeuge einer Totenbeschwörung wurden. Normalerweise überlebte man eine solche Begegnung nicht. »Ergreift sie!«, befahl er und warf die beiden Hemden durch die Gitterstäbe. Sie erwachten schlagartig zum Leben und stürzten sich wie lebendig gewordene Kreaturen auf die Wärter. Es dauerte nur einen Augenblick, bis sie sich um die Köpfe der Wärter gewickelt hatten und diesen die Luft abschnürten. Taar legte seine Hand an die Gitterstäbe, begann erneut eine Beschwörung, verwob die Seele eines Toten und zwang dem Gitter seinen Willen auf. Ein Wellenmuster breitete sich quer aus und im nächsten Moment bogen sich die Stäbe mit einem lauten Knirschen so weit auseinander, dass er unbehelligt durchspazieren konnte. Es brauchte nur einen flüchtigen Gedanken, um die Seele in einem grünlichen Schimmer wieder zu entlassen. Er ging an den beiden Wärtern vorbei, die verzweifelt versuchten, sich die Kleidung vom Kopf zu reißen, warf den stark lädierten Mantel über und stopfte den Plunder, der auf dem Boden verteilt lag, in die Taschen zurück. Obwohl die Branntweinflasche leer war, ließ er sie ebenfalls in seiner Tasche verschwinden – wer wusste, wozu sie noch gut war? »Also, meine Herren«, sagte er und verbeugte sich theatralisch. »War ein netter Plausch mit euch. Wenn ihr das nächste Mal um einen Gefallen gebeten werdet, dann seid doch so nett und kommt dem ein bisschen entgegen. Ist besser für die Gesundheit, nicht wahr?« Er befahl den beiden Kleidungsstücken, die Wärter wieder zu Luft kommen zu lassen, und schritt auf die Eisentür zu, die ihn in den nächsten Bereich der Kerkertrakte bringen würde. Er war nicht sonderlich erpicht, mit dem Nekromantenkaiser aneinanderzugeraten, weshalb nun Eile geboten war. Offiziell gab es keine Nekromanten mehr und das wollte er auch nicht ändern. »Bleib … bleib stehen oder wir schlagen Alarm!«, rief ihm einer der Wärter nach. Taar seufzte und wandte sich ihnen wieder zu. »Das ist das Problem, wenn man zu nett ist.« Der Wärter rang nach Atem. »Wer bist du?« »Oh, habe ich mich denn noch nicht vorgestellt?« Er verbeugte sich erneut. »Ich bin Taar Wax der Vagabund. Überlebender der Verliese von Nandoc, Bezwinger der Nordgebirge und landesweit bekannter Frauenheld. Gibt noch eine ganze Menge Titel, die mir angehängt werden.« »Warte, du bist Taar Wax? Der Taar Wax? Aber du siehst aus wie ein Landstreicher … wie ein Penner.« »Eben jener bin ich. Ich mag es gerne gemütlich, deshalb verzeiht mein unbedarftes Auftreten.« Der Wärter riss an dem Hemd, konnte sich aber nicht befreien. »Ich habe anderes … anderes von dir gehört«, keuchte er. »Man sagt, dass du mit den Mächtigsten des Landes speist … und aussiehst wie ein Kaiser.« Taar kicherte. »Da habe ich wohl ein wenig zu dick aufgetragen, was? Wie ich stets zu sagen pflege: Unser Leben ist die Geschichte unserer Begegnungen.« Er griff nach der Eisentür, zog sie schwungvoll auf und hielt überrascht inne. Dahinter stand eine ältere Frau in dunkelblauer Robe. Ihre grauen Haare waren zu einem meisterhaften Knoten getürmt, ihr voller Mund zu einer schmalen Linie zusammengepresst und ihr Blick gab zu verstehen, dass sie sich ihrer Position bewusst war. Dazu hatte sie auch allen Grund, denn hinter ihr war ein Dutzend Soldaten in stählernen Rüstungen und mit gezückten Waffen versammelt. Taar kratzte sich am Kopf. »Das kommt jetzt unerwartet.« »Taar Wax?«, fragte die Frau mit rauchiger Stimme. »Würde es Euch etwas ausmachen, mich zu begleiten?« »Ihr wisst, wer ich bin? In diesem Fall«, er lächelte verwegen, »bin ich Euch gerne zu Diensten, holde Maid.« Verdammt! Sie wird es bereits gesehen haben … sei es drum. Er streckte seine rechte Hand zur Seite, gab einen knappen Befehl und verharrte in dieser Stellung, bis seine beiden Hemden von den Wärtern abließen und in seiner Hand landeten. Dann entließ er die Seelen der Toten, sah dem grünen Schimmer hinterher, wie er auseinanderstob, und fühlte nach dem Holzwürfel in seiner Tasche. Er vibrierte sanft. »Wo geht′s lang?« * Von allen Orten in Amdra übte der Palast des Nekromantenkaisers den größten Reiz auf ihn aus. Er hätte niemals zu träumen gewagt, dass er die obersten Stockwerke mit eigenen Augen zu sehen bekommen würde. So naiv war er nicht. Nun war es aber tatsächlich soweit und während er durch die hell erleuchteten Flure wanderte, verschlug es ihm ausnahmsweise die Sprache. Es war nicht einmal der unermessliche Reichtum, der ihn faszinierte, sondern vielmehr die einzigartige Aura dieses Ortes, die nur ein Nekromant wahrnehmen konnte. Das Gebäude war gleichermaßen von Leben und Tod durchdrungen – sogar das weiß verputzte Gemäuer und der Mosaikboden unter seinen Füßen. Insgeheim hegte er die Vermutung, dass dies an dem Nekromantenkaiser lag, der seit vielen Jahren zurückgezogen in Thargor, der nördlichsten Stadt des Landes, sein Dasein fristete. Ein Mann, der seit Jahrhunderten auf der Welt wandelte und dem Kaiserreich mit Tod und Verderben einen brüchigen Frieden aufgezwungen hatte. Er war ein fürchterlicher Tyrann mit entsetzlicher Macht, so sagte man zumindest. Taar war anderer Meinung. Die Gabe der Nekromantie wurde nur ganz wenigen Auserwählten zuteil. Wer allerdings darüber verfügte, konnte mit genügend Übung fürchterliche Mächte freisetzen. Es brauchte daher jemanden, der mit eiserner Hand regierte und aufstrebende Nekromanten im Griff behielt. Andernfalls könnten die Folgen katastrophal sein. Taar setzte stumm einen Fuß vor den anderen und zog seine Hemden über. Seiner Meinung nach konnte man nicht genug Kleidung am Körper tragen, um diese in Zeiten der Not zur Verteidigung einzusetzen – davon abgesehen war es im Norden abartig kalt. Von den vielen kleinen Gegenständen, die sich in seinem Mantel befanden, waren einige zu Bruch gegangen. Sogar die beiden Löffel, die er so liebgewonnen hatte, waren verbogen. Das machte aber nichts, sie würden auch so ihren Zweck erfüllen. Er wühlte in den Taschen und fand endlich, wonach er gesucht hatte: Einen langen, knallroten Schal, den er mehrfach um den Hals wickelte. Da er nicht wusste, was ihn erwarten würde, rief er in einem Moment, in dem ihm niemand Aufmerksamkeit schenkte, eine Seele aus dem Totenreich herbei und verwob sie mit dem Schal. Dann gab er den knappen Befehl, ihn zu beschützen, falls es sich als notwendig erweisen sollte. Die Seele würde nicht ewig verweilen und sich irgendwann befreien, zwei Stunden würde sie aber bleiben. Sie kamen an mehreren leerstehenden Räumen vorbei und durchquerten einen Gang, der eine ganze Reihe bronzener Büsten des Nekromantenkaisers aufwies. Die harten, markanten Gesichtszüge und der stechende Blick sagten jedem Betrachter, dass er für den Kaiser nicht von Bedeutung war. Hier war der Boden auf Hochglanz poliert, sodass er sein Spiegelbild erkennen konnte – und es gefiel ihm, was er sah. Zugegebenermaßen war dringend eine Rasur nötig und seine verfilzten, schwarzen Haare hatten auch schon besser ausgesehen. Er verstand nun auch, warum der Wärter ihn als Landstreicher – oder vielmehr als Penner bezeichnet hatte. Das war aber für ihn unerheblich, denn er fühlte sich wohl, wie er war. Er musste sich nicht unter Seide und Parfüm verstecken, um zu erkennen, wer er wirklich war. Nach einer Weile hatte er sich sattgesehen und schloss zu der älteren Frau auf. Sie besaß eindeutig große Autorität und nahm dementsprechend ein hohes Amt in der Hierarchie Amdras ein. Taar hatte sich nie wirklich für solcherlei Dinge interessiert. Sein Bestreben galt anderen Dingen, zum Beispiel der schönen, blonden Magd im Wirtshaus »Zum tanzenden Säufer« oder dem feinen Tropfen namens Branntwein, der noch immer dort hinter dem Tresen auf ihn wartete. Dabei fällt mir ein … jetzt kann ich meiner Sammlung an Geschichten eine neue zufügen, immerhin bin ich dem Kerker im Palast des Herrschers entkommen. Bevor ich endgültig das Zeitliche segne, sollte ich mich zumindest vergewissern, was hier los ist. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. »Was amüsiert Euch?«, fragte die Frau. »Ach, dies und das. Es ist das erste Mal, dass ich dem Nekromantenkaiser meine Aufwartung mache. Ich will einen bleibenden Eindruck hinterlassen.« »Wir werden ihn nicht aufsuchen«, sagte sie schneidig. »Nicht?« »Nein.« »Aha, und weiter?« »Ihr werdet dem kaiserlichen Rat vorgeführt, der an seiner Stelle Recht spricht.« »Klingt spannend.« »Ist das Euer Ernst?« »Nein.« »Ich bitte um Verzeihung, wenn wir Euren Anforderungen nicht gerecht werden.« »Kein Problem. Ich gebe mich auch mit weniger zufrieden.« Er unterstrich seine Worte mit einer nachlässigen Handbewegung. Sie blieb stehen und musterte ihn mit gerunzelter Stirn. »Ihr seid wirklich derjenige, für den Ihr Euch ausgebt?« Er spuckte in die Hände und strich die Haare aus dem Gesicht. »Taar Wax, Frauenheld und … ach egal. Ich bin der, der ich bin. Wenn ich nicht wüsste, wer ich bin, wäre ich das ja nicht mehr, oder?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, war allerdings im nächsten Moment wieder verschwunden, als sie wieder losging. »Ich gehe richtig in der Annahme, dass Ihr ein Nekromant seid?« »Es gehört sich nicht, einen Nekromanten darauf anzusprechen.« »Ist das wirklich so?« »Um ehrlich zu sein: nein. Aber Ihr hättet es mir fast geglaubt, nicht wahr?« »Erwartet Ihr eine Antwort darauf?« »Was kann ein Mann in meiner Position schon erwarten?« »Ich vermute, nicht viel. Ihr seid ein bekennender Nekromant.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Obwohl es offiziell keine Menschen mit der Todesgabe mehr geben sollte.« Taar zuckte die Schultern. »Man sucht sich nicht aus, was das Schicksal für einen vorgesehen hat. Wenn es einem aber so richtig tief in die Nüsse tritt, macht man das Beste daraus. Ein weiser Mann sagte einst, dass das Schicksal eine launische Hure sei.« »Ein weiser Mann hat das gesagt? Wer war das?« »Ich und zwar gerade eben.« Sie schüttelte den Kopf und beschleunigte ihre Schritte. Eine Weile später erreichten sie eine weitläufige Halle, an deren Decke ein prächtiger Kronleuchter hing. Säulen mit Rundbögen säumten die Wände, der Boden war mit vielen kleinen Mosaiksteinchen bestückt und durch hohe, geschwungene Fenster flutete das sanfte Licht des Tages ins Innere. Am anderen Ende der Halle stand eine runde Tafel aus Stein, an der mehrere Frauen und Männer in schillernden Roben saßen. Taar konnte die geringschätzigen Blicke spüren, die auf ihm ruhten. Ihm war das einerlei, er würde sich nicht verunsichern lassen. Die alte Frau umrundete die Tafel und setzte sich auf den freien Stuhl zwischen eine dunkelhäutige, kahlköpfige Frau und einen blond gelockten, hochgewachsenen Mann. Taar folgte ihr, blieb vor der Tafel stehen und verschränkte lässig die Arme ineinander. Sein Instinkt sagte ihm, dass es einen ganz bestimmten Grund gab, warum er hier war, und der hatte nichts damit zu tun, dass wieder einmal jemand seinen Kopf in eine Schlinge ziehen wollte. Sie wollten etwas von ihm, etwas Wichtiges – und das trotz seiner Todesgabe. Aus diesem Grund entschied er, sie den Anfang machen zu lassen. »Taar Wax, vermutlich fragt Ihr Euch, weshalb Ihr hier seid«, begann die ältere Frau. »Taar Wax der Vagabund.« »Wenn Ihr darauf besteht.« »Klar, und natürlich frage ich mich nach dem Grund meiner Anwesenheit. Ihr werdet mir diesen aber bestimmt gleich verraten.« »In der Tat. Mein Name ist Rysana und ich bin die Vorsitzende des kaiserlichen Rates.« Er stutzte. Der kaiserliche Rat? Die Vorsitzende? Das kam ein wenig überraschend und wenn er nachdachte, erschien ihm das auch irgendwie naheliegend. »Also, was habt Ihr angestellt?«, brummte er. »Wie kommt Ihr darauf, dass wir etwas angestellt haben?« »Ich bin hier und wurde noch nicht verbrannt.« Er breitete seine Hände wie für eine Umarmung aus. »Das ist für mich Antwort genug.«
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