Bericht von einem Demotivations-Seminar Kürzlich nahm ich sehr erfolgreich an einem fünftägigen Demotivationsseminar teil. Dieses war so gut, dass ich schon am dritten Tag nicht mehr hin wollte. Man schickte mir das Zertifikat mit dem Prädikat „Auszeichnung" nach Hause. Seit ich so gut demotiviert bin, habe ich endlich auch wieder Lust, etwas nicht zu machen. Das war vorher ganz anders. Ich eilte von Erfolg zu Erfolg und kletterte die Karriereleiter rasch hinauf, bis ich fast im Himmel war. Die Menschen, erklärte uns der Demotivations-Trainer, litten heute an zuviel Motivation. Sie wollen mehr, als sie wollen. Nicht die Menschen verfolgen in Wirklichkeit die Ziele, sondern umgekehrt die Ziele die Menschen. Man muss sich selbst mutig in den Weg stellen. Daher das Seminar. Denn erst, wenn ich weiß, dass ich nichts bewirke, bewirke ich auch nichts. Wir sind, sagte der Dozent, nicht dazu geschaffen, zu etwas geschaffen zu sein. Niemandem wird irgend etwas an der Wiege gesungen. Jeder will nur etwas gehört haben. Und dann ging es los. Auch bei diesem Seminar mussten alle aufstehen und die Arme heben. Doch war, was bereits ungemein demotivierte, die Verwendung eines Deodorant untersagt. Wir murmelten gemeinsam: „Ich schaffe das nicht. Ich schaffe das nicht." Dann war Kaffeepause. Dann wieder Murmeln und Fragen. Es gab auf alles ein demotivierendes Achselzucken. „Wie verkaufe ich nichts mehr?" „Wie strahle ich auch auf andere Unsicherheit aus?" „Wie überzeuge ich endlich nicht mehr?" Der Dozent berichtete mit ansteckender Lustlosigkeit von Menschen, denen er ihre Leistungsblockaden zurückgegeben hatte, die bei Hindernissen wieder kräfteschonend aufgaben. Man muss an dieser Stelle anmerken, dass sich auf dem Markt auch unseriöse Seminar-Anbieter finden, bei denen man lediglich sein Geld los wird, was am Anfang freilich auch sehr demotiviert. Doch nachhaltig ist die Wirkung erst, wenn man auch kein neues dazu verdient. So kann ich abschließend sagen: ich habe zu meinen früheren Selbstzweifeln wieder zurückgefunden. Meine Grenzen sind mir wieder deutlich wie Todesstreifen hinter Stacheldraht. Letztlich hat sich durch das Seminar auch meine Schwervermittelbarkeit erhöht. Um mich ist es still geworden. Mir geht es also besser, seit es mir schlechter geht. Die dritte Mahnung, die Seminarkosten endlich zu bezahlen, ignoriere ich wie die anderen beiden. Es kann nur eine Wiederholungsprüfung sein, der ich mühelos standhalte.
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Wie konnte Erika Mustermann dem Alkohol verfallen? Begann tatsächlich die deutsche Wiederbewaffnung mit der Herstellung von Kartoffelsalat? Welche Pflegehinweise sollten Alien beachten, die ihren Kleinen ein Menschlein schenken? In den Glossen und Miniaturen des Autors geht es mit verschrobenem Witz und im mindestens fünften Tiefgang durch die Köpfe und die Welt, in Supermärkte und PCs, zum tarifwechselnden Faust wie zu philosophischen Kellnern, die sich den Kopf zerbrechen: „Darf ES etwas SEIN"? Dazwischen werden verschwindenden Worten würdevolle Ruhesitze gestiftet. Sogar das Wort „modern" ist längst am Modern. Lesen!
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Frank Rawel
Autorenportraitweitere Bücher des Autoren » Frank Rawel, Jahrgang 1957 Aufgewachsen in Schwerin, Studium in Leipzig (Journalistik). Seit 1980 in Potsdam und Berlin beim Radio, zur Zeit vor allem Kulturradio vom RBB. Literarische Publikationen in Zeitschriften und Anthologien sowie im Web. Kabarettautor ("Die Bücherwürmer" Potsdam).
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ISBN13-Nummer: |
9783941071230 | Ausstattung: |
Taschenbuch s/w | Preis: |
8.90 € | Mehr Infos zum Buch: |
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