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> Zeitzeugen > Ein Treffen in die Vergangenheit
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Buch Leseprobe Ein Treffen in die Vergangenheit, Marianne C. Kruse
Marianne C. Kruse

Ein Treffen in die Vergangenheit


... alle unter einem Dach

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Nun stehe ich seit einer Ewigkeit wieder einmal hier auf dem geliebten Hof von Oma und Opa, und zwar ganz allein. Ich habe meine Cousinen und Vettern angeschrieben, sofern ich eine Adresse ausfindig machen konnte. Viele von ihnen habe ich seit langem aus den Augen verloren. Ob nun aber tatsächlich noch jemand kommen kann oder wird, ist ungewiss. Dieses Haus war einmal mit Grund und Boden das Haus unserer Großeltern und auch unser zu Hause. Wir alle – wir waren damals zuletzt 10 Enkel – haben uns hier immer sehr wohl gefühlt. Viele von uns sind in diesem Haus geboren, und wohnten hier mit ihren Eltern bis sich die kleinen Familien eine eigene größere Wohnung leisten konnten. Das Haus hat vier Wohnungen und die Größte von ihnen bewohnten die Großeltern bis zu ihrem Tode. Die anderen drei standen zu jeder Zeit für die Kinder oder Enkel offen. Als wir alle noch klein waren trafen sich alle Tanten und Onkel, auch wenn sie nicht im Haus wohn-ten, mit uns Kindern mindestens jeden Sonntag bei den Großeltern zum Kaffee. Für uns war jeder Sonntag ein Feiertag. Wir Kinder tollten im Garten oder Hof zwischen Enten und Hüh-nern herum. Etwas Schöneres hätte es nicht geben können. Später zog aber nach und nach eine nach der anderen Familie aus dem schönen Ort aus. Die Väter hatten nach 1933 alle wieder Arbeit bekommen und konnten ihren erlernten Beruf ausüben. So waren dann bald die Familien in aller Winde verstreut. Bei Oma und Opa wurde es ruhig. Eine Tante mit vier Kindern wohnte noch ganz in der Nähe der Großeltern in einem eigenen kleinen Haus. Wir, also unsere Familie, wohnten zu dieser Zeit schon etwas weiter fort, und wir konnten die Großeltern nur noch nach einer Bahnfahrt erreichen. Das geschah leider nicht mehr all zu oft, doch in den Ferien besuchten wir sie und das war immer ein gro-ßes „Hallo“. Sämtliche Kinder waren zu dieser Zeit wieder beisammen. Die drei kleinen, lee-ren Wohnungen im Haus waren plötzlich voller Trubel und Lärm. Bei Oma in der Küche war Hochkonjunktur. Es wurde gekocht, gebraten und gebacken. Opa holte den Sauerteig aus dem Keller und setzte einen Teig zum Brotbacken an. Am nächsten Morgen stand er meist schon in aller Herrgottsfrühe in der Küche und knetete den schweren Teig. Oma konnte die große Teigmenge nicht bewältigen, dazu war sie zu klein und zu schwach. Deshalb war diese Arbeit immer Opas Aufgabe. Wenn der Brotteig genug geknetet war, kam er in Holzmollen zum Aufgehen. Die Holzbehälter waren so etwa 80 cm lang und 40 cm breit. Sie waren vom Opa selbst gefertigt, denn er war von Beruf Tischler. Als Wan-derbursche kam er in diesen schönen Ort und verliebte sich in unsere Oma. Diese bekam als Erbe das Grundstück mit etwas Ackerland. So wurde bald gebaut, und nebenbei schafften sich die Großeltern die kleine Landwirtschaft an. So, und nun zurück zu den Holzmollen. Der vom Opa fertig geknetete Teig wurde in den Holzmollen von uns Kindern zum Bäcker getragen. Wir waren immer eine ganze Karawane, die mit der Last los zog. Jeder sollte die schweren Holzbehälter ein Weilchen tragen, denn sie wogen schon einige Kilos. Niemand trug sie aber länger als ein Paar Minuten und übergab die Last unter Protest dem Nächsten. Manchmal sind dabei die Brotmollen auch in ziemlich wackelige Situationen gekommen. Schließlich sind wir aber doch immer heil mit dem Brotteig beim Bäcker gelandet. Viele Leute aus dem Dorf kamen jeden Tag mit Brot- oder Kuchenteig zum Bäcker. Die Kuchenbleche waren rund oder viereckig, aber immer riesengroß. Heutzutage würden sie in keinen Backofen mehr hineinpassen. Am Nachmittag gingen wir dann den umgekehrten Weg und da das frisch gebackene Brot so angenehm duftete, beeilten wir uns. Unsere Oma hatte an diesem Brotbacktag auch immer ihren Buttertag. Die Sahne von einer ganzen Woche kam dann in ein Butterfass, und es wurde frische Butter gestampft. Übrig blieb dann davon noch eine ganz feine köstliche But-termilch. Meist erwartete uns Oma dann bereits, um uns alle zu verköstigen. Opa nahm gleich einen frischen Brotlaib und schnitt mit einem speziellen Messer für jeden eine dicke Brotscheibe ab, die Oma sogleich dick mit der frischen Butter bestrich. Dazu gab es frischen süßen Malz-kaffee. Oh, wie hat uns das allen immer geschmeckt. Nie werde ich den Geschmack je ver-gessen. Immer wenn ich bei einem Bäcker frischen Brotduft einatme, schmecke ich Omas Butterbrote. Oma und Opa hatten eine Milchkuh im Stall und oft auch ein Kälbchen. Öfters gingen wir mit in den Stall, wenn Oma die Kuh melkte. Wir sollten uns aber dann immer ganz still verhalten, damit die Kuh nicht unruhig wurde. Aber mit den Kälbchen war’s immer schön, die haben wir geliebt, was waren die so niedlich, und sie haben sich auch immer von uns streicheln lassen. Ab und zu wollte ich auch mal die Kuh melken, jedoch hat es Oma nie erlaubt. Allerdings durften wir Kinder Stroh häckseln. Dafür gab es neben dem Kuhstall einen kleinen Raum, darin stand die Häckselmaschine. Das Stroh lag oben auf dem Heuboden, und von dort aus wurde es durch eine kleine Luke in den Häckselraum geworfen. Da waren wir Kinder natür-lich immer gleich dabei. Oftmals, wenn Opa nicht aufpasste, lag gleich das Stroh für mehrere Tage unten. Neben dem Kuhstall, auf der anderen Seite, war noch ein Schweinestall. Darin waren immer zwei größere Schweine und öfter auch noch einige Ferkel. Dort durften wir beim Füttern hel-fen. Oma kochte für die Schweine alle paar Tage einen Kübel Kartoffeln, die danach mit Körnern und Schrot vermischt in den Schweinetrog kamen. Die heißen Kartoffeln zogen uns Kinder immer an. Jedesmal, wenn Oma so einen Kübel Kartoffel gekocht hatte, waren wir zur Stelle. Wir suchten uns die Schönsten heraus, pellten sie ab und verspeisten sie mit Genuss. Manchmal gab uns Oma dann ein Stückchen Butter dazu, so schmeckte es besonders lecker. Plötzlich wurden meine Gedanken auf dem Hof brüsk unterbrochen. Es klopfte am Hoftor. Man … was bin ich erschrocken, wo ich gerade so schön geträumt hatte. Ein Vetter von mir war meiner Einladung gefolgt und war doch tatsächlich noch angereist. Beinahe hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass sich überhaupt noch jemand sehen lässt. Schließlich war ich schon zwei Tage auf dem Hof. Etwas irritiert schaute ich wohl doch, denn den Vetter konnte ich nun überhaupt nicht einordnen. Ich strengte mein Gehirn an, welcher von den Vettern es wohl sein könnte, aber es fiel mir nicht ein. Er sah mein verdutztes Gesicht, lachte und sagte: „Hallo Anne, kennst mich wohl nicht mehr? Ich bin doch Günter“. „Meine Güte Günter aus Braunschweig. Klar jetzt erkenne ich dich auch wieder, aber dass gerade du kommst, hätte ich nicht erwartet. Du warst ja wohl schon länger als ich nicht mehr hier, und bei mir sind es jetzt schon an die 10 Jahre. Jedenfalls haben wir uns hier sehr lange schon nicht mehr getroffen. Wenn überhaupt von uns einer hier war, dann wohl immer jeder zu einer anderen Zeit. Wir, meine Familie und ich, wollten immer unseren Urlaub hier verbringen, aber wenn es dann soweit war, hatten die Kinder wieder andere Vorschläge, ja so ist das. Für ein verlängertes Wochenende so zwischendurch sind die 600 km zu weit zum Fahren. Aber nun sind wir hier, und ich freue mich, besonders gerade dich hier zu treffen, denn du Günter, du warst immer meine heimliche Liebe. Weißt du noch, du hast mir damals die ersten Tanzschritte beigebracht. Man, waren das noch Zeiten, was waren wir beschwingt und glücklich. Ich freue mich wirklich riesig, dich hier zu sehen. Kommen deine Brüder auch?“ platzte es aus mir heraus. „Das glaube ich kaum“, antwortete Günter, „sie wohnen doch drü-ben überm Wasser, da ist der Weg wohl doch etwas zu weit“. „Ach sie leben jetzt auch in USA? wusste ich gar nicht. Das wäre dann tatsächlich etwas zu weit bis hier. Sie können wir also auch abhaken. Bin wirklich gespannt, wer sich sonst noch blicken lässt, aber wenigstens du bist gekommen“, freute ich mich. Eine halbe Stunde später bremste ein Auto, hupte einmal ganz kurz und hielt. Günter und ich gingen gemeinsam zum Hoftor und schauten nach. Es war eine etwas zickige Frau, beide mussten wir grinsen. Es war Ingrid, sie war in meinem Alter. Wir sind sogar ein Jahr zusam-men in die Schule gegangen. Schon damals hatte sie immer einen auf Fein gemacht. Günter sagte leise zu mir: „Die sagt sicher zu sich selber Sie“. Ingrid stieg also aus dem Auto und schritt uns entgegen. „Na, alles in Ordnung, ist der Käufer schon da? Ich will mir hier nicht den ganzen Abend um die Ohren schlagen, dazu ist mir meine Zeit zu kostbar“, sprach sie, und ging an uns vorüber. Günter knuffte mir in den Rü-cken und zog eine Grimasse. Sie schaute sich auf dem Hof um und meinte: „Ja, soll ich etwa hier draußen stehen bleiben und warten, bis sich was tut?“ „Na nun Moment einmal, was hast du denn nun wirklich erwartet?“ fragte ich sie. „Ich denke ich bekomme nun mein Erbe ausbezahlt, und kann wieder fahren“, entgegnete Ingrid. „Oh ja, das ist gut. Du kannst wieder fahren, wenn du keine Zeit hast und es dir hier nicht gefällt. Aber mit dem Erbe, das dauert wohl noch etwas, das ist nun noch lange nicht so weit. Willst du dich hier zum letzten Mal noch etwas umsehen, ehe alles in fremde Hände kommt?“ entgegnete ich ihr. Ingrid antwor-tete kurz darauf: „Also, ich kenne nun doch hier sicher jeden Stein, was soll ich denn hier noch herumschauen und meine Zeit vertrödeln. Mir wird schon übel, wenn ich nur daran denke, dass wir das Wasser aus der Pumpe holen mussten, und dann das Klo auf dem Hof. Es wird das Beste sein, ich lasse euch meine Kontonummer hier, und ihr überweist mir mein Geld. Seht nur zu, dass der Preis auch stimmt“. Schon drehte sie sich um und wollte gehen. Günter entgegnete: „Wenn dir alles so egal ist, dann fahr wieder und gib uns vorher deine Bankverbindung. Wir werden alles zu deinen Gunsten regeln Gnädigste“ und vollzog einen gekonnten Diener, ließ sich alle Unterlagen für die Bank geben und ging in den Garten. „Was hat der nur?“ entfuhr es Ingrid, und sie ging, ohne sich von uns zu verabschieden zurück zu ihrem Auto. Günter kam zurück: „Na ist die Gans nun endlich wieder weg? So etwas hätte ich von meiner Verwandtschaft nicht erwartet. Dann lass uns mal in Omas Küche gehen. Meinst du wir könnten uns einen Kaffee machen?“ sprach er fröhlich. „Na klar“, entgegnete ich, „habe alles dafür mitgebracht“. Genau in diesem Moment kam noch ein Auto angefahren, aus dem vier Leute ausstiegen. Günter und ich liefen unseren Vettern und Cousinen entgegen. Oh, war das eine Freude. Die Umarmungen wollten gar kein Ende nehmen. Was war es schön, sich nach so langer Zeit in Omas Haus wiederzusehen. Schon auf der Straße ging es los mit, „weißt du noch …“ und so weiter. Dieter und Norbert hatten sich im Aussehen kaum verändert, die beiden hätte ich sofort wieder erkannt, ebenfalls Gisela und Elke. Ein Glück, dass ich genügend Kaffee und Kuchen mitgebracht hatte, so konnten wir gemein-sam erst einmal gemütlich Kaffee trinken. Die Ankömmlinge hatten auch daran gedacht und steuerten noch einiges hinzu. Wir ließen es uns unter „Hallo“ und „Lachen“ gut schmecken. Anschließend unternahmen wir noch zusammen einen Rundgang durch den langen Garten. Meine Güte, war der Haselnussstrauch groß geworden. Er war schon ein richtig großer Baum, und er war nun schon um einiges höher als das Scheunendach. „Ich glaube, so große Haselnusssträucher gibt es nirgendwo“, sagte Elke, „Ich kann mich noch genau daran erin-nern, wie klein er damals war, und wie wir darin herum geklettert sind“. „Und der große Zwetschgenbaum. Ja, den hat mein Vater mit Opa gepflanzt“, erzählte ich, „und ich habe dabei geholfen. Was hatten wir da schon für Pflaumen geerntet. Der Baum müsste aber dringend verschnitten werden, es wird Zeit, dass sich wieder einmal jemand darum kümmert. Weißt du noch Günter, du bist da mal hinauf geklettert, hattest dich versteckt und bist beinahe nicht mehr hinunter gekommen. Edith und ich, wir haben dir dann geholfen, aber du hattest dir die Beine dabei fürchterlich aufgeschrammt. Oma ist dann mit Jod gekommen, hat alles gesäubert, und du hast ziemlich gejammert. Oder wisst ihr noch, wie wir uns alle auf dem Heuboden versteckt haben? Opas Hund hatte durch das Heu einen Gang gebuddelt. Der ging doch rings um den ganzen Heuboden. Oft sind wir dann immer hinter dem Hund her gekrochen. Angst hatten wir nie, oder? Nö, keiner von uns hatte Angst, aber aufregend war`s immer. Nur Oma schimpfte, wenn sie so etwas mitbekam. Ach könnt ihr euch noch erinnern, wie der kleine Klaus vom Heuboden durch die Luke in den Häckselraum gefallen ist? Oh, war das eine Aufregung. Es ist ja zum Glück auch nichts weiter passiert, aber wenn er in die Häckselmaschine gefallen wäre, hätte es schlimm ausgehen können. Er hatte einen Schutzengel dabei, und er weinte nicht einmal. Was ist eigentlich aus ihm geworden? fragte ich. Klaus war beruflich auch in Amerika. „Ach du meine Güte“, entgegnete Elke, „alle sind so weit fort, wenn man doch nur noch für ein paar Stunden die Zeit zurück stellen könnte. Wir betraten wieder den großen Hof und bleiben unter dem Walnussbaum stehen. Hier unter dem Baum saßen wir oft, er spendete schon damals wunderbaren Schatten. „Ach ja, und wenn es so richtig heiß war, hatte uns oft mein Vater hier eine Dusche aufgebaut. Im Garten stand eine Motorpumpe und mit einem Gartenschlauch führte er das Wasser bis hier her. Man … und das war saukalt, mensch … sind wir unter die kalte Dusche gesprungen. Ach war das schön“, erzählte ich. „Wisst ihr, was mir immer noch so gefallen hat, ihr werdet es nicht glauben“, sagte Gisela, „das Klo war doch draußen“. „Ja natürlich, ist es doch immer noch“, antwortete ich. „Ja, ja weiß ich doch. Wir sind aber doch meistens zu zweit gegangen, denn es sind doch zwei Toi-letten nebeneinander und dann konnte man sich so schön unterhalten. Manchmal haben wir sogar auf dem Klo gesungen“, wusste Gisela zu berichten. „Ja“, steuerte ich bei, „vor allem hast du dich mit Ute immer nach dem Mittagessen dorthin verzogen, wenn es hieß, alle beim Abwaschen helfen“. „Ja, das stimmt, da hast du recht, auf dem Klo war’s eben schöner als in der Küche beim Abwaschen“. lachte Giesela. „Na gut, aber im Winter war es dafür weniger schön, da haben wir doch dort auch ganz schön gebibbert. Brrrrrr, wenn ich daran noch denke“, sagte ich. Gisela antwortete fröhlich: „Ja schon, aber dann haben wir eben zu zweit gebibbert. So schlimm war’s dann auch wieder nicht“. Im Winter wenn es richtig kalt war, ist auch öfter mal die Pumpe eingefroren. „Au backe“, sagte Günter, „die Pumpe ist mir auch noch gut in Erinnerung. Einmal im Winter habe ich am Pumpenschwengel geleckt, und bin prompt mit der Zunge daran kleben geblieben“. „Ja weiß ich noch, da war ich dabei“, antwortete ihm Gisela, „man du hast aber auch immer die dolls-ten Sachen gemacht“. „Stimmt schon, aber Wolfgang war schlimmer, der hatte doch sogar der armen schwarzen Katze mal etwas an den Schwanz gebunden und hätte es beinahe auch noch angesteckt. Zum Glück ist Oma dazu gekommen, stellte Günter fest. „Wenn mir nicht immer so kalt gewesen wäre, würde ich sagen, wenn wir alle mit dem Bob-schlitten auf dem zugefrorenen See waren, das war immer ein wunderbares Erlebnis. Wie oft habe ich im Winter wieder daran denken müssen. Zwei saßen immer auf dem Schlitten. Einer davon hat gelenkt, und dann hat noch einer angeschoben und sich, wenn der Schlitten gut in Fahrt war, auf die Kufen gestellt und ist mitgefahren. Man, wir waren schnell wie der Wind“, wusste Gisela zu berichten. „Oft seid ihr doch auch mit den Schlittschuhen auf dem See gewesen. Ich hatte ja keine“, sagte ich, „aber Spaß hatten wir jedenfalls doch alle. Allerdings mussten wir auch immer ganz schön aufpassen, denn die Fischer schlugen immer große Löcher ins Eis. Wenn man da mal hineingeschliddert wäre…. Zum Glück waren die größten Löcher unter der Brücke, dort sind wir dann lieber nicht hin. Was ich aber im Winter noch besonders schön fand, das waren die frühen Abende mit Oma und Opa am warmen Ofen. Wir hatten ja dann schon immer bei Zeiten gegessen, im Stall waren die Tiere auch versorgt, und so setzten sich die Großeltern mit uns in die warme Stube. Oma holte ihr Strickzeug oder Flickzeug hervor, Opa stopfte seine Pfeife und begann, von früher zu erzählen. In der Ofenröhre schmurgelten die Äpfel, die Oma schon am Nachmittag hineingelegt hatte, um am Abend für uns alle als Gaumenschmaus zu dienen. Wir bekamen die Äpfel ab und an mit einem Klacks Sahne oder mit Zucker und Zimt. Inzwischen erzählte Opa seine Geschichten. Ich überlege heute noch, ob Opa uns da etwas vorgeflunkert hat. Zum Beispiel erzählte er, einem Bauern aus dem Ort wurde ein Fahrrad gestohlen. Er ging daraufhin zu einer Wahrsagerin und wollte wissen, wo sich das Rad befindet, oder wo er es finden könnte. Die Wahrsagerin sagte ihm, er solle am Montag um Mitternacht zu der Spukbrücke gehen, dort werde ein Mann mit seinem Fahrrad vorbei kommen. Dann kannst du dir dein Eigentum wieder zurückholen. So soll es dann auch tatsächlich geschehen sein. Der Mann bekam sein Rad zurück. Ihr wisst ja noch, wo die Spukbrücke ist? Wir waren ja oft genug da. Habe aber nie gesehen, dass es dort jemals gespukt hat. Ja, und einmal erzählte Opa von einem Nach-barn, dem wurden innerhalb eines Tages alle Kühe krank. Die Wahrsagerin sagte ihm, es hätte ein anderer Bauer seine Kühe verhext, indem er vor der Stalltür einen Knochen vergra-ben hätte. Der müsste nun ausgegraben werden, und dann sollte ein großer, dicker Kräuter-strauß über die Stalltür aufgehängt werden. Die Kühe würden danach innerhalb einer Woche alle wieder gesund sein. Opa sagte, den Knochen hat man tatsächlich gefunden, und die Kühe waren danach auch bald wieder gesund. Der Kräuterstrauß soll noch lange über der Stalltür gehangen haben. Was mein ihr, ob Opa uns das alles vorgeflunkert hat?“ sprudelte es aus mir heraus.


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