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Buch Leseprobe Deutsche Panzergrenadiere, Marcel Bohnert & Andy Neumann
Marcel Bohnert & Andy Neumann

Deutsche Panzergrenadiere


im Kampfeinsatz in Afghanistan.

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Der 9. September ist ein Tag, der vielen von uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Auch für viele Afghanen hat er eine besondere Bedeutung: Es ist der nationale Gedenktag zu Ehren von Ahmad Schah Massoud. Der Kampf gegen die Sowjetarmee ließ den Tadschiken Anfang der 1990er Jahre zu einer Legende werden und als Anführer der Mudschaheddin-Kämpfer wurde er später zur Symbolfigur des Widerstandes gegen die Taliban. Am 9. September 2001 starb Massoud durch die Bombe zweier als Journalisten getarnter Selbst-mordattentäter. Kurz danach wurde er durch den afghanischen Präsidenten offiziell zum Nationalhelden erklärt.


Exakt zehn Jahre später brummen in der nordafghanischen Kunduz-Provinz die Motoren deutscher Schützenpanzer und Gefechtsfahrzeuge. Seit einer knappen Dekade ist auch die Bundeswehr in den Krieg am Hindukusch involviert.


 


Über die Jahre hatte sich die ISAF [1]-Mission von einem humanitär orientierten Stabilisierungseinsatz zu einem Kampfeinsatz entwickelt und forderte unter Bundeswehrangehörigen und alliierten Verbündeten seine Opfer. Im Jahre 2010 hatte der damalige Generalmajor Hans-Werner Fritz die deutschen Ausbildungs- und Schutzbataillone in Dienst gestellt; zwei voll ausgestattete Gefechtsverbände, die als Task Forces Kunduz und Mazar-E-Sharif an vorderster Front operierten. Spätestens damit wurde der veränderten Bedrohungslage auch auf taktischer Ebene endgültig Rechnung getragen.


 


Wir waren Teil der Task Force Kunduz III und begannen in den frühen Morgenstunden des 9. Septembers 2011 mit der »Operation Tür« im Unruhedistrikt Chahar Darreh. Absicht war es, zwei Dingo-Türen aus der Ortschaft Isa Khel zu bergen, die sich dort seit dem Karfreitagsgefecht 2010 befanden. Sie zeugten von jenem blutigen Tag, an dem drei deutsche Soldaten in schweren Kämpfen ihr Leben ließen und etliche weitere verwundet wurden. Neben dem Kunduz-Bombardement im September 2009, bei dem ein deutscher Oberst zwei durch Aufständische gekaperte Tanklastzüge angreifen ließ, gilt der Karfreitag 2010 als tiefer Einschnitt und Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung des deutschen Einsatzes.


An diesem Morgen des 9. Septembers 2011 befindet sich der verstärkte Infanteriezug Bravo mit auf- und abgesessenen Kräften am Ort des damaligen Geschehens. Trotz der frühen Uhrzeit hat das Thermometer bereits die 40-Grad-Marke durchbrochen. Die Soldatinnen und Soldaten bahnen sich schwer bepackt ihren Weg nach Isa Khel. Pioniere und Kampfmittelspezialisten detektieren den Boden nach Sprengfallen und die gepanzerten Fahrzeuge schieben sich in ihrem Schutz allmählich an den Fluss, in dem Infanteristen der Kompanie die Türen vor einigen Wochen entdeckt hatten. Sie wurden dort durch die Bevölkerung zur Kanalisierung des Wasserlaufes genutzt. Die Operation hatten wir seitdem sorgsam vorbereitet, wobei nicht nur die Sicherheitslage in Isa Khel eine Rolle spielte. Uns war es ebenso wichtig, die Türen durch Metallplatten zu ersetzen, um die Einheimischen nicht gegen uns aufzubringen. Zudem hatten wir das Einverständnis unserer Vorgänger aus dem Jahre 2010 eingeholt und die praktische Umsetzung der Bergung der mehrere hundert Kilo schweren Türen geplant.


Unsere Soldatinnen und Soldaten führen Gespräche mit Einheimischen und sichern den Vormarsch der Gefechtsfahrzeuge in alle Richtungen. Den mit der Bergung befassten Kräften ist die Anstrengung und Anspannung anzusehen. Eine ganze Weile läuft alles nach Plan. Unmittelbar nach der schweißtreibenden Bergung der Türen – gegen 10:30 Uhr – erreicht die Kompanie die Information, dass sich auf dem Hochplateau Westplatte nahe der Ortschaft Nawabad ein IED-Strike [2] auf einen Spähtrupp der Aufklärungskompanie ereignet hatte, bei dem deutsche Soldaten verwundet worden waren. Die Operation in Isa Khel wurde sofort abgebrochen und nach einem Koordinierungshalt an der Höhe 432, bei dem wichtige Unterstützungskräfte in den bereits aufgefahrenen Panzergrenadierzug Charlie eingegliedert wurden, verlegten die alarmierten Kräfte mit voller Geschwindigkeit zum fast zehn Kilometer entfernten Anschlagsort.


Der Motor des vorausfahrenden Schützenpanzers Marder überhitzte und fiel an einer Engstelle kurz vor Erreichen des Zuganges zur Westplatte aus. Der folgende Marder schob den Panzer unter Inkaufnahme der Beschädigung seiner Kühlanlage von der Straße und der Marsch konnte zügig fortgesetzt werden. Während unseres Anmarsches wurden wir durch amerikanische Black Hawk-Helikopter begleitet, die bereits einen knappen Kilometer vor unserem Erreichen der Anschlagstelle zur Landung ansetzten und einen Verwundeten aufnahmen. Unter hohem persönlichen Risiko sind die Black Hawks damit wie so oft in einer »heißen Zone« gelandet und haben so eine schnelle ärztliche Versorgung gewährleisten können.


Nach der Rundumsicherung des Anschlagortes mit den Schützenpanzern erfolgte eine Absuche durch unsere Kampfmittelbeseitiger, um die Gefahr von


Second-IEDs [3] zu minimieren. Die aus dem Feldlager Kunduz herangeführten Bergekräfte luden das zerstörte Aufklärungsfahrzeug auf einen Schwerlasttransporter und wichen anschließend unter unserer Überwachung aus.


 


Entgegen der ursprünglichen Operationsplanung für die Kompanie ist der Infanteriezug Bravo anschließend in eine Nachtaufstellung auf der Westplatte übergegangen und hat bei eingeschränkter Sicht leichte Spähtrupps an den Ortsrand von Nawabad durchgeführt, um dem Gegner nicht das Gefühl eines Triumphes zu vermitteln. In derselben Nacht schlug in unmittelbarer Nähe des Feldlagers Kunduz eine BM1-Rakete ein, die aus dem nordostwärtigen Teil von Isa Khel abgefeuert wurde. Eine am 11. September 2011 zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften durchgeführte Post-Blast-Analyse zur Sammlung von Beweismaterial blieb allerdings ohne Ergebnis. Noch am selben Abend wurde erneut eine Rakete in Richtung des deutschen Feldlagers abgefeuert. In der Folge setzten die 2. und 3. Kompanie im Wechsel Scharfschützentrupps in Begleitung von Infanteriekräften ein, die Beobachtungsstellungen auf Isa Khel bezogen. Diese blieben zwar ohne besondere Aufklärungs-ergebnisse, verhinderten aber zumindest vorübergehend den Abschuss weiterer Raketen auf das Feldlager.



 



[1] ISAF: International Security Assistance Force, Bezeichnung der internationalen Schutztruppe in Afghanistan zwischen 2001 und 2014, von 2015 bis zum offiziellen Missionsende 2021: Resolute Support, Militärische Evakuierungsoperation im August 2021: MilEvakOp Kabul.


[2] IED: Improvised Explosive Device, improvisierte Sprengfalle; IED-Strike: Anschlag mit improvisierter Sprengfalle.


[3] Second-IEDs: Taktik von Aufständischen, bei der eine zweite Sprengfalle gezündet wird, wenn Rettungs- und Bergungskräfte an der Anschlagstelle erscheinen; auch Third-IEDs wurden in Afghanistan eingesetzt.


 


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