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> Tierbücher > Die Biedermanns und ihre Pferde
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Tierbücher
Buch Leseprobe Die Biedermanns und ihre Pferde, Martina Sein
Martina Sein

Die Biedermanns und ihre Pferde


Zeit für das Christkind

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„Hm, das duftet hier aber“, stellte Sandra fest. Es war Freitag. Sandra kam gerade aus der Schule. Neben ihr hatte ihre Cousine Yvonne die Wohnung betreten. Die fragte neugierig: „Backst du Plätzchen, Ina?“ Das war eigentlich offensichtlich. Für gewöhnlich war es nicht Mama, die das machte, wenn die Adventszeit vor der Türe stand. Leider erholte Uri, die Uroma der beiden Mädchen, sich gerade von einer Gallenblasenentfernung. Das war mit weit über neunzig Jahren kein Pappenstiel gewesen, aber Uri ließ sich nicht unterkriegen. Sie war heute aus dem Krankenhaus entlassen worden. So konnte die Familie übermorgen den ersten Adventssonntag gemeinsam feiern, worauf sich alle freuten. Mama antwortete: „Ja, stellt euch vor, so etwas kann ich, obwohl ich es bisher selten gemacht habe. Das heißt, früher habe ich gerne mit Uri zusammen gebacken. Deshalb habe ich auch alle ihre Rezepte. Ob ich die Plätzchen trotzdem genauso gut hinbekomme, weiß ich natürlich nicht.“ „Sie riechen super“, lobte Sandra. „Was machst du denn gerade?“ „Natürlich die, die ich selber am liebsten esse“, erklärte Mama grinsend. Im Chor sagten die drei: „Vanillekippferl.“ Mama setzte sich kurz auf den nächsten Stuhl. Sie sollte im Februar ihr drittes Kind bekommen, welches sich inzwischen durch einen deutlich gerundeten Bauch ankündigte. „Das wird bestimmt wieder eine lustige Nacht“, meinte sie. „Ich bin heute viel auf den Beinen. Da schläft das Würmchen, weil es schön herumgeschaukelt wird. Dafür ist es dann nachts ein paar Stunden wach und ich natürlich gleich mit.“ „In gut zwei Monaten hast du es geschafft“, meinte Sandra aufmunternd. Yvonne rutschte auf die Eckbank und zog ihr Handy heraus. Erfreut stellte sie fest: „Oh, ich habe eine E-Mail von Mama.“ „Was schreibt sie denn?“, erkundigte Mama sich. Dabei hatte sie schon so einen Gesichtsausdruck, als wüsste sie bereits etwas. Corinne, Yvonnes Mutter, schrieb mehrmals die Woche eine E-Mail und versuchte, wenigstens einmal anzurufen. Sie und Yvonnes Papa lebten seit Kurzem in Südamerika. Konzentriert las Yvonne, was ihre Mutter geschrieben hatte. Mit jedem Wort hellte sich ihr Gesicht mehr auf. „Ich soll in den Weihnachtsferien zu ihnen kommen“, sagte sie schließlich atemlos. Mama legte einen Arm um ihre Nichte und meinte: „Ich weiß es zwar schon, aber das freut mich wirklich sehr für dich.“ „Das heißt, ich werde endlich auch sehen, wie sie dort leben.“ Yvonne, die immer sehr blass war, was sich jetzt im Winter natürlich noch verstärkte, bekam ganz rote Backen vor Aufregung. „Aber das heißt ja auch, dass ich ganz alleine fliegen muss. Oder kommt ihr auch mit?“ Da schüttelte Mama den Kopf. „Nein, aber einer von uns bringt dich natürlich zum Flughafen. Dort suchen wir jemanden, der dafür sorgt, dass du ganz sicher in das richtige Flugzeug einsteigst. Und am Ziel warten dann deine Eltern.“ „Wow, jetzt bin ich so richtig aufgeregt. Ich muss zu Galaxy und ihr das erzählen.“ Schon sprang Yvonne auf und rannte zur Garderobe, wo auch die Stallschuhe der ganzen Familie standen. Mama rief ihr hinterher: „Dann kannst du gleich Michi Bescheid sagen, dass wir in zehn Minuten essen.“ Corinne hatte nicht nur ihre Tochter bei den Biedermanns gelassen, sondern auch ihr Pferd. Nun durfte Yvonne die hübsche Fuchsstute mit dem Aalstrich auf dem Rücken reiten. Opa gab ihr immer wieder Stunden, damit sie mit dem großen Pferd auch wirklich zurechtkam. Yvonne war genau wie Sandra praktisch mit Pferden aufgewachsen. Mama war ein international bekannter Dressurstar. Außerdem setzte sie sich sehr für die Haltungsbedingungen von Turnierpferden ein, die in ihren Augen meistens nicht artgerecht waren. Sie ging auch eigenwillig ihren eigenen Weg, was die Reitweise betraf. Dadurch hatte sie sich schnell einen Namen gemacht. Sandra konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, ob es je eine Zeit gegeben hatte, in der sie nicht geritten war. Sie war auf den Rücken eines Pferdes gesetzt worden, noch ehe sie hatte laufen können. Zu ihrem sechsten Geburtstag hatte Sandra, genau wie ihr älterer Bruder Josef, ein eigenes Pony bekommen – den Welsh Cob Momo. Der war heute noch ihr treuer Begleiter. Zufällig schaute Sandra bei der Balkontüre hinaus und stellte fest: „Wie passend. Du backst Plätzchen, und draußen fängt es an zu schneien.“ Mama stand auf und trat an die Glasscheibe. „Ja, du hast Recht. So früh im Winter hat es schon lange nicht mehr geschneit. Ich kann mich eigentlich nur noch daran erinnern, dass wir im Januar Schnee bekommen haben. Früher war das anders. Da hatten wir oft schon im November die ganze Landschaft weiß.“ Sie seufzte und schloss kurz die Augen. „Was haben wir für Ausritte gemacht, als ich noch jung war. Da ging es im Galopp über die gefrorenen Wiesen. Die haben ausgesehen, als wären sie mit Puderzucker bestäubt worden.“ „Ich glaube, heute bleibt das entweder nicht liegen oder wird gleich mehr“, stellte Sandra fest. Dicke Flocken, die aber auch sehr nass aussahen, kamen da vom Himmel. „Habt ihr auf allen Autos eigentlich die Winterreifen drauf?“ „Na, du bist lustig. Die Regel bei uns lautet O bis O.“ „Und was bedeutet das?“ „Oktober bis Ostern“, erklärte Mama. „Da hat sich Opa schon rechtzeitig drum gekümmert. Das wäre ja viel zu gefährlich. Schließlich kann es auch ohne Schnee auf den Straßen glatt werden.“ An der Türe waren wieder Geräusche zu hören. Papa kam im Schlepptau von Yvonne. „Ina, das riecht hier ja wie bei deiner Oma um diese Jahreszeit.“ „Immerhin den Geruch bekomme ich schon ohne ihre Hilfe hin“, stellte Mama lachend fest. „Wascht euch die Hände und kommt zum Essen! Wegen der Backerei gibt es heute nur Aufgewärmtes.“ „Und was?“, wollte Sandra wissen. Sie ging zum Herd und hob den Deckel eines Topfes hoch, obwohl sie genau wusste, dass Mama das nicht leiden konnte. „Finger weg!“, schimpfte diese auch sogleich. „Ich hatte noch Rinderbraten eingefroren.“ „Und was dazu?“, wollte Sandra wissen, denn sie konnte keinen weiteren Topf entdecken. Mama schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Jetzt habe ich doch glatt vergessen, die Spätzle abzubraten.“ Vom Gang aus rief Papa: „Da hat wohl die berühmte Schwangerschaftsdemenz wieder einmal zugeschlagen.“ „Geht nahtlos in die Stilldemenz über“, grinste Mama. Sie fingerte rasch eine große Pfanne aus dem Schrank und holte die Packung mit den fertig gekauften Spätzle. Dabei murmelte sie: „Eigentlich sollte ich mich schämen. Bei Uri hätte es das früher niemals gegeben. Die hat die Spätzle für unser Essen immer selber gemacht.“ „Du bist aber nicht Uri, und es ist auch nicht früher“, stellte Papa fest, der nun neben Mama getreten war und ihr einen Kuss auf die Wange zur Begrüßung drückte. Sandra fand es herrlich, dass sie beiden nach so vielen Ehejahren immer noch Wert auf derartige Gesten legten. Auch jedes Telefonat wurde mit „Ich liebe dich“ und einem Luftkuss beendet. „So, jetzt aber wirklich“, stellte Mama fest. Inzwischen war auch Josef angekommen. „Was für ein Fleisch ist das denn?“, wollte er wissen. „Rind“, antwortete Mama. „Dann ist es ja gut.“ Josef aß grundsätzlich nichts vom Schwein. Das war jedoch keine Glaubensfrage, sondern er legte großen Wert auf seine Ernährung. Lieber war ihm noch Geflügel oder gar fleischlos. „Aber nicht so viel von den Spätzle. Hast du kein Gemüse dazu gemacht?“ „Nein, mein Großer, das habe ich heute leider nicht mehr auf die Reihe bekommen. Ich will doch mit den Plätzchen fertig sein, wenn wir am Sonntag mit Uri den ersten Advent feiern“, entgegnete Mama. „Okay, dann nur eine kleine Portion! Ich esse hinterher lieber noch Obst.“ Josef bediente sich selber mit dem Pfannenwender. Sandra war da ganz anderer Meinung. Sie lud sich ordentlich auf den Teller und meinte: „Ich habe richtig Kohldampf. Die Pause ist ja schon ewig her.“ „Wie war’s denn heute in der Schule?“, erkundigte Papa sich. „Langweilig“, antwortete Sandra. Yvonne erklärte: „Wir haben heute einen Film geschaut.“ „Geht das jetzt schon los?“, hakte Papa nach. „Ihr habt schließlich noch drei Wochen Schule. Wollen eure Lehrer die nur totschlagen, oder wie?“ „War nur heute“, antwortete Yvonne. „Wir hatten kurzfristig Vertretung. Die war gar nicht auf uns vorbereitet.“ Mama schüttelte den Kopf. „Als wenn es etwas Neues wäre, dass die Leute im Winter krank werden. Da muss es doch einen Plan für geben.“ „Sollte man meinen“, stimmte Papa zu. „Und bei dir, Josi?“ „Wir schreiben morgen eine große Mathearbeit. Ich bewege heute nur Afrika. Ansonsten müsst ihr im Stall auf mich verzichten.“ „Streber“, hustete Sandra und fügte gleich deutlich hinzu: „Wen kann ich dafür übernehmen?“ „Ihr schreibt keine großen Arbeiten mehr vor den Weihnachtsferien, oder?“, wollte Papa wissen. „Wie wäre es denn, wenn du dich auch ein bisschen hinter die Bücher klemmen würdest?“ „Bei uns kommt nächste Woche nur Deutsch. Darauf kann man nicht lernen. Die Rechtschreibfehler zählen bei mir ja eh nicht.“ Sandra zuckte mit den Schultern. Sie hatte eine bestätigte Lese- und Rechtschreibschwäche. Papa konterte jedoch: „Darauf brauchst du dich aber nicht zu verlassen. Worum geht es denn?“ „Grammatik“, nuschelte Sandra. „Darauf kann man sehr wohl lernen, junge Dame. Ich möchte, dass du dich heute wenigstens eine halbe Stunde hinsetzt, ehe du in den Stall kommst. Mama kann dich dann abfragen.“ „Wenn überhaupt, dann lerne ich zusammen mit Claudi und wir quetschen uns gegenseitig aus“, begehrte Sandra sogleich auf. Josef schüttelte den Kopf. „Was du später einmal machen willst bei deiner Einstellung ist mir ein Rätsel.“ „Ich brauche keine deutsche Grammatik, dass ich gut mit Pferden kann“, konterte Sandra. „Jeder Mensch hat seine Talente. Auf die sollte er sich konzentrieren.“ „Noch nie auch nur ein Turnier geritten, aber von der Arbeit mit Pferden leben wollen.“ Aus Josefs Stimme war das Unverständnis deutlich herauszuhören. „Es gibt noch andere Möglichkeiten. Man muss nicht Turniere reiten.“ Das war eh so ein Streitpunkt zwischen den Geschwistern. Josef wollte in Mamas Fußstapfen treten. Sandra dagegen lag viel mehr an der täglichen Arbeit mit den Tieren. Sie interessierte sich für das, was in ihnen vorging. Vor allem verrittene Pferde und solche, die etwas Schlimmes erlebt hatten, faszinierten sie. Das traf auch auf Mama zu, die immer wieder Pferde zur Ausbildung oder zum Korrekturreiten aufnahm. Wenn sie längere Zeit mit ihnen arbeitete, konnte man dabei zusehen, wie sie sich veränderten. Nach dem Essen halfen alle rasch mit, dass der Tisch abgeräumt wurde. Heute war Josef mit dem Küchendienst an der Reihe, während Mama sich ein bisschen hinlegte. Sandra wollte wissen, ob sie ihre beste Freundin anrufen durfte. Bald darauf stand Claudia auch schon vor der Türe. „Was wollen wir machen?“ „Papa besteht darauf, dass ich was für diese blöde Deutschprobe nächste Woche mache“, antwortete Sandra. „Das ist doof, aber meine Eltern haben auch schon so etwas in der Art gesagt. Dann lernen wir halt ein bisschen.“ Claudia zuckte mit den Schultern, und die beiden zogen sich in Sandras Zimmer zurück. Wie so oft starrte Sandra erst einmal die Wand mit der Fototapete an und seufzte: „Da wäre ich jetzt gerne mit Momo.“ „Gib mir ein Pferd, und ich komme sofort mit.“ „Wir fragen später einfach, ob du jemanden aus dem Stall reiten kannst“, schlug Sandra vor. Da wurde Claudia plötzlich blass. „Das wollte ich dir ja eigentlich gleich erzählen. Der Besitzerin von den Pferden, auf denen Mama reitet, ist der Stall gekündigt worden.“ „Was?“, rief Sandra entsetzt aus. Christiane, Claudias Mutter ritt bei einer Frau namens Andrea, die fünf Pintos besaß. Sie hatten einen Offenstall, der im Schritt mit einem Pferd in zwanzig Minuten zu erreichen war. „Ja, Mama hat es mir heute erzählt. Bis zum ersten Januar muss sie schon raus sein“, berichtete Claudia weiter. „Wo soll man denn innerhalb von knapp einem Monat mit fünf Pferden unterkommen?“ „Da muss uns etwas einfallen“, stellte Sandra fest. „Vielleicht könnte Andrea ja zumindest vorübergehend bei uns unterkommen, bis sie das Richtige gefunden hat. Im Moment hat Mama keine Pferde zur Korrektur oder Ausbildung. Die meisten Außenboxen sind frei.“ „Du weißt doch, dass Andrea ihre Pferde niemals in Boxen sperren würde“, entgegnete Claudia geknickt. Das waren natürlich Neuigkeiten, mit denen Sandra nun überhaupt nicht gerechnet hatte. Deutsch war vergessen. Hier gab es ein viel wichtigeres Problem zu lösen.


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