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> Tierbücher > Die Biedermanns und ihre Pferde
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Tierbücher
Buch Leseprobe Die Biedermanns und ihre Pferde, Martina Sein
Martina Sein

Die Biedermanns und ihre Pferde


Das Leben steht Kopf

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Der Tag, an dem sich Sandras Leben einschneidend ändern sollte, hatte eigentlich ganz normal begonnen. Nun schien die Sonne so schön, dass Sandra sich an ihren Lieblingsort zurückgezogen hatte. Das war ein kleiner, von Bäumen umstandener Weiher. Er befand sich oberhalb einer großen Pferdekoppel. Hier konnte man herrlich lesen oder einfach nur träumen. Als Sandras Handy sich bemerkbar machte, riss es sie aus ihren Gedanken. Diese flogen davon, als hätte der leichte Wind, der den ganzen Tag schon wehte, sie einfach mitgenommen. Sandra hatte eine Nachricht ihrer Cousine Yvonne erhalten: „Mama und ich sind auf dem Weg zu euch.“ Das war an und für sich nichts Ungewöhnliches. Sandras Tante Corinne besuchte ihre Schwester oft und brachte Yvonne dann auch mit. Sie und Sandra waren sich so nahe, als wären sie Geschwister. Dabei hatte Sandra einen leiblichen Bruder. Er hieß Josef und war zweieinhalb Jahre älter als sie. Kurz dachte Sandra darüber nach, ob sie Yvonne schreiben sollte, dass die hierher kam, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Sie wollte zu Hause sein und ihre Cousine dort in Empfang nehmen können. Auf dem Weg zurück zum Hof blieb Sandra kurz an der Koppel stehen und schaute zu den dort weidenden Tieren. Darunter waren Mamas erfolgreiche Dressurpferde, aber auch der hoffnungsvolle Nachwuchs sowie ein paar Einsteller, die zum Reitstall Trautberg gehörten. Den Namen hatten sie beibehalten, obwohl Opa sich schon seit einer Weile etwas zurückgezogen hatte. Das Gestüt, zu dem auch eine kleine Zucht gehörte, führten jetzt Sandras Eltern. Die hießen genau wie sie mit Nachnamen Biedermann. Weiter schweifte Sandras Blick hinüber zur Weide des Offenstalls. Hier hatten deutlich mehr Leute ihre Pferde in Pension. Ein paar „Rentner“, wie Mama ihre ausgedienten Turnierpferde liebevoll nannte, standen auch hier. Außerdem gab es zwei Welsh Cob Ponys. Als Josef sechs Jahre alt gewesen war, hatte Mama ihm von einer Turnierreise Daisy mitgebracht. Sie war eine hübsche Palominostute. Mama hatte immer sehr darauf geachtet, dass ihre Kinder möglichst gleich behandelt wurden. Und da sie mit dieser Pferderasse für Josef so einen Glücksgriff getan hatte, war auch Sandras erstes Pferd ein Welsh Cob geworden. Der silbergraue Wallach Momo. Inzwischen war Josef zu groß für Daisy geworden. Das bedauerte er sehr. Sandra konnte ihr Pony noch ohne Probleme reiten. Oft bewegte sie auch Daisy mit oder nahm sie auf Ausritte als Handpferd neben sich. Wie so oft hoffte Sandra, nicht zu schnell zu wachsen oder wenigstens leicht genug zu bleiben, um Momo noch möglichst lange reiten zu können. Sie half inzwischen regelmäßig mit, die großen Pferde der Biedermanns zu bewegen und kam auch problemlos mit jedem von ihnen klar, aber ihren Momo liebte sie einfach über alles, und auch Daisy ritt sie sehr gerne. Josef trainierte gerade mit Afrika unter Opas Anleitung auf dem Sandplatz, an dem Sandra nun vorbeikam. Sie rief den beiden zu: „Corinne und Yvonne kommen.“ Ohne sein Pferd durchzuparieren, antwortete Josef: „Cool.“ Opa wandte jedoch seine Aufmerksamkeit kurz von seinem dressurbegabten Enkel ab und kam auf Sandra zu. „Die waren doch erst vor zwei Tagen da. Das ist ungewöhnlich.“ „Habe ich mir auch gedacht“, gestand Sandra. „Ich weiß es auch nur, weil Yvonne mir geschrieben hat.“ „Cori war schon vorgestern so komisch. Hoffentlich ist nichts mit Alexander“, brummte Opa und kratzte sich am Kinn. „Seit er seinen neuen Auftrag hat, ist Cori nicht mehr sie selbst.“ Seit einigen Jahren wohnten Sandras Tante und deren Familie am Rand von München. Ihr Mann Alexander war Journalist und wenig zu Hause, da er aus aller Welt berichtete; bevorzugt aus Kriegsgebieten. Bisher war er immer zusammen mit Kollegen in sicherer Entfernung gewesen, doch diesmal war es anders. Seither sagte Corinne selbst, dass sie nachts kein Auge mehr zumachte und jedes Mal zusammenzuckte, wenn nur das Telefon klingelte. Mama war gerade in der alten Reithalle, wo sie mit ihrer Pferdepflegerin Paula und einem Jungpferd arbeitete. Sie schienen jedoch ziemlich am Ende zu sein, als Sandra die Halle betrat. „Hi mein Schatz“, grüßte Mama. Sie ließ Dorian am langen Zügel gehen. Er war ein Sohn ihres einstigen Ausnahmepferdes Danny Boy und auch schon fast weiß. Nur an manchen Stellen zeigten sich noch graue Flecken. Für Mama zählte er zu den größten Hoffnungen für die Zukunft. „Weißt du, dass Cori und Yvonne kommen?“, platzte Sandra heraus. Mama seufzte kurz und antwortete: „Nein, gewusst habe ich es nicht, aber ich rechne damit. Cori war vorgestern schon so angespannt. Die hält es doch gar nicht bei sich zu Hause aus. Vermutlich will sie sich nur ablenken und Reiten. Ist doch schön! Dann kannst du auch zusammen mit Yvonne was machen.“ Sandra nickte. Daran hatte sie auch schon gedacht. Yvonne musste ihre Nachricht erst geschrieben haben, als sie schon eine Weile unterwegs gewesen waren. Jedenfalls brauchte Sandra nicht mehr lange zu warten. Sie war noch immer in der Reithalle, als Corinnes Kopf über dem Außentor erschien. „Ina, hast du Zeit? Ich muss dringend mit dir reden.“ „Hi Cori“, grüßte Mama. „Können wir ja auf einem Ausritt machen.“ „Nein, heute nicht“, wehrte Corinne ab. „Mir wäre es lieber, wir könnten in deine Wohnung gehen. Gegen einen Kaffee hätte ich auch nichts einzuwenden.“ Mama übergab Dorian an Paula und ging auf ihre Schwester zu. Sandra folgte ihr. Mit etwas Abstand liefen die Mädchen hinter ihren Müttern her. „Was hat Cori denn?“, wollte Sandra von ihrer Cousine wissen. „Die sieht ja aus wie schon mal gegessen und wieder ausgekotzt.“ Auch Yvonne war ziemlich blass. Das war zwar keine Seltenheit, weil sie leicht gesundheitliche Probleme hatte, aber heute war es auffallend. „Da ist etwas im Busch“, antwortete sie. „Mama hat gesagt, sie will erst mit Ina reden und dann mit mir, aber ich hab ein ganz mieses Gefühl. Eigentlich mache ich das nicht gern, aber ich werd‘ den Eindruck nicht los, dass sie mir etwas verschweigt. Sandy, können wir irgendwo mithören, ohne dass die beiden es bemerken?“ „Yvonne!“, empörte Sandra sich etwas künstlich. „Lauschen geht eigentlich gar nicht.“ Sie selbst platzte jedoch ebenfalls vor Neugierde. Daher schlug sie vor: „Die Küche liegt neben einem Speicherraum zwischen den beiden Wohnungen. Dort kommen wir hin, wenn wir bei Opa durchgehen. Von da aus hört man ganz gut, was in der Küche geredet wird.“ „Nichts wie hin!“, forderte Yvonne ihre Cousine auf. Dass Sandra in der Wohnung von Opa und dessen zweiter Frau Karin ein- und ausging, wie es ihr beliebte, war nichts Ungewöhnliches. Es war eh keiner zu Hause. So erreichten sie auch ungesehen den besagten Speicher. Hier stand allerlei Gerümpel herum. Die Mädchen rückten sich zwei Kisten an die Stelle, auf die Sandra zeigte. Sie flüsterte: „Da ist es am besten.“ Man konnte sogar die Geräusche hören, die Mama beim Kaffeekochen machte. Schließlich stellte sie die Tassen auf den Tisch und forderte ihre Schwester auf: „Raus mit der Sprache! Was gibt’s?“ „Kann ich dir Yvonne da lassen?“, platzte Corinne heraus. „Du willst Alexander hinterher reisen“, stellte Mama fest. Ihre Stimme verriet, dass diese Information für sie nicht überraschend kam. Auf der anderen Seite der Wand schluchzte Corinne auf: „Ina, ich habe heute eine Nachricht vom Auswärtigen Amt bekommen, dass Alexander verschleppt worden ist. Das musste ja irgendwann passieren. Seit Jahren sage ich ihm, dass er über etwas berichten soll, wofür er sich nicht ständig in Lebensgefahr begeben muss. Er hat doch mit Yvonne und mir Verantwortung, aber nein! Es muss unbedingt ein Krieg sein, wo auch immer gerade einer stattfindet.“ „Weiß man denn irgendetwas, wer ihn entführt hat?“, wollte Mama wissen. „Ja, irgendwelche Radikalen. Ich habe solche Angst um ihn, Ina. Jeder weiß doch, dass denen ein Menschenleben überhaupt nichts wert ist.“ „Und dann stürzt du dich auch gleich noch in dieses Pulverfass“, fasste Mama zusammen. „Das ist eine ausgezeichnete Idee. Was willst du machen? Ihn auf eigene Faust suchen und dann diesen Radikalen einen Handel anbieten, indem du deinen Mann gegen einen Kuchen austauschst?“ „Du kannst manchmal so makaber sein“, rief Corinne aus. Man hörte, wie ein Stuhl verrückt wurde. Vermutlich war sie aufgesprungen und lief nun in der Küche auf und ab. Sandra warf einen besorgten Blick auf Yvonne. Die saß da wie versteinert. Sie griff nach einer Hand ihrer Cousine und drückte sie. Drinnen wandte Corinne sich wieder an Mama: „Ich weiß selber, dass ich nicht viel machen kann, aber ich werde nicht hier herumsitzen und darauf warten, dass die Nachricht kommt, sie haben ihn umgebracht. Ina, du kannst mir jetzt helfen und Yvonne auf unbestimmte Zeit nehmen oder eben nicht. Dann finde ich einen anderen Weg, aber mein Flug geht noch heute Abend.“ Es entstand eine Pause. „Cori, ich kann dich ja verstehen und weiß auch, wie stur du bist, aber bitte, denk wenigstens für deine Tochter noch einmal darüber nach, was du da vorhast. Das ist Wahnsinn!“ „Es ist alles geplant und gebucht. Die Botschaft hat mir auch schon eine Unterkunft besorgt“, entgegnete Corinne. „Ich werde in diesen Flieger steigen, ob es dir oder sonst wem passt oder nicht.“ Sie wurde ziemlich heftig. Wieder schwiegen die beiden Frauen eine Weile. Anhand der Geräusche hatte Corinne sich gesetzt und aus ihrer Kaffeetasse getrunken. Dann ergriff sie das Wort: „Du siehst aber auch nicht gut aus. Das ist mir vorhin schon aufgefallen. Bist du krank?“ „Willst du dich wirklich jetzt mit noch mehr Sorgen belasten?“, fragte Mama. Nun wurde Sandra hellhörig. Mama war krank? Warum hatte sie davon nichts mitbekommen? Drinnen erwiderte Corinne: „Darauf kommt es jetzt doch auch schon nicht mehr an. Also, was ist los?“ „Ich bin nicht krank“, murmelte Mama. „Es weiß auch noch keiner außer mir selber. Vielleicht bleibt es ja gar nicht.“ „Ina, du bist siebenundvierzig! Das ist nicht dein Ernst!“, rief Corinne aus. Sandra verstand im Moment nur Bahnhof, bis ihre Tante fortfuhr: „Ein Baby in deinem Alter! Das ist doch die reinste Risikoschwangerschaft.“ „Erzähl mir doch mal was Neues!“ Mama wurde richtig pampig. „Ich dachte, das Thema wäre durch. Deshalb haben wir nicht mehr so richtig aufgepasst.“ Leise flüsterte Sandra: „Ich bekomme ein Geschwisterchen?“ „Zwei mit mir“, korrigierte Yvonne trübsinnig. Drinnen bohrte Corinne weiter: „Und jetzt? Was willst du machen?“ „Ich werde es mit Sicherheit nicht abtreiben“, fuhr Mama hoch. „Natürlich mache ich alle Untersuchungen, ob es gesund ist, aber ich habe keine Ahnung, was wir tun werden, wenn nicht. Du musst das unbedingt für dich behalten. Noch nicht einmal der Michi weiß es. Ich bin ja selber total überrascht.“ Plötzlich lachte Corinne auf. „Weißt du was, Ina? Das ist die erste schöne Nachricht, seit Alexander weg ist. Es gibt ein bisschen Hoffnung. Ich glaube, das Schicksal hat es schon richtig eingerichtet. Deine Kinder sind groß genug, dass sie dir mit dem Würmchen helfen können, und bei deinen anderen Schwangerschaften hat es ja auch keine Probleme gegeben.“ „Da war ich aber auch noch viele Jahre jünger“, argumentierte Mama. „Ich habe mir für nächste Woche schon einen Termin bei meiner Frauenärztin geben lassen. Wenn da alles gut aussieht, will ich es zumindest Michi und Papa sagen. Wann und wie wir es dann den Kindern beibringen, weiß ich noch nicht.“ „Mir braucht sie es ja schon nicht mehr beizubringen“, stellte Sandra leise fest. Nun war Yvonne es, die ihre Hand drückte. Etwas ruhiger sprach Corinne weiter: „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir ausgerechnet jetzt auch noch Yvonne aufs Auge drücke. Glaub mir, ich habe ihr gegenüber ein megaschlechtes Gewissen, aber ich kann nicht anders. Sie muss hier zur Schule gehen. Ich habe mir das alles schon überlegt: Jetzt ist sie ja auf Real, aber ich fürchte, dass sie diese Neuigkeiten ziemlich aus der Bahn werfen werden. Es wäre gut, wenn sie zum Eingewöhnen jemanden an der Schule hat, den sie kennt. Kannst du sie bitte mit bei Sandy anmelden?“ „Es gibt wirklich nichts, was dich aufhalten kann“, stellte Mama fest. Sie seufzte. „Na gut. Natürlich kann Yvonne bei uns bleiben. Die Mädchen verstehen sich ja eh super. Ich werde sie ablenken, so gut ich nur kann. Ich hoffe, dir ist klar, was du ihr antust.“ „Ja.“ „Dann fahre ich die beiden am Montag zur Schule und melde Yvonne dort an. Wir müssen mit dem Michi und den Kindern reden … und auch mit Papa. Ich schicke ihnen eine Nachricht, dass sie kommen sollen.“ Panisch zog Sandra ihr Handy aus der Tasche, um es stumm zu schalten. Der Signalton hätte sonst verraten, dass sie das Gespräch belauscht hatte. Sie nahm die Hand von Yvonne, zog sie aus dem Speicherraum und meinte: „Wir müssen so tun, als wenn wir noch nichts wüssten.“ „Wie soll ich das denn machen?“ Yvonne fing an zu weinen. „Wir sagen einfach, du hast eine schlechte Note geschrieben und dich noch nicht getraut, es deiner Mama zu sagen. Nein, das ist Quatsch! Du bist ja nicht doof und hast schon mitgekriegt, dass Cori dir was verheimlicht.“ In Opas Bad wusch Yvonne sich rasch das Gesicht, ehe die Mädchen gemeinsam zur Wohnung der Biedermanns gingen. Beide lagen über dem Pferdestall, waren aber von gegensätzlichen Seiten zugänglich.


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