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Science Fiction
Buch Leseprobe THE FALL, Bd. 1, Marcel Niggemann
Marcel Niggemann

THE FALL, Bd. 1


-Prophezeiung eines Untergangs- (2. Auflage)

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Marcel Niggemann (Homepage), Lulu, Apple iBookstore
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Prolog


Unsere Eltern haben uns, als wir alle noch kleine Kinder waren, immer gesagt, dass es keine Monster gäbe. Doch wenn wir heranwachsen, stellen wir fest, dass diese Welt nicht nur Liebe und Freude kennt, sondern auch abgrundtiefen Hass und Trauer.


Wir versuchen das Böse in dieser Welt zu bekämpfen - und zwar mit allen erdenklichen Mitteln.


Sie fragen sich, wer ich eigentlich bin? Mein Name ist John Bradeck, ehemaliger Lieutenant Colonel einer streng geheimen Organisation, der United Nations Forces, kurz UNF, der aufgrund eines Vorfalls mitsamt seiner Einheit aus dem aktiven Dienst entlassen wurde.


Nicht viele wissen von der Existenz dieser militärischen Organisation. Es begann vor etwa acht Jahren, dem Zeitpunkt der Gründung dieser internationalen Organisation. Wo andere an der Bürokratie scheitern, stellt sich uns niemand in den Weg. Schon immer galt: zuerst zu handeln und dann zu verhandeln.


Die UNF besteht aus den besten Soldaten, die die Menschheit je gesehen hat. Bis an die äußerste Grenze der menschlichen Kapazitäten trainiert, besteht die Aufgabe der vielen Soldatinnen und Soldaten darin, die Unschuldigen zu beschützen und den Terrorismus zu bekämpfen.


So viel zu unserer Primäraufgabe. Aber ob wir das jemals schaffen werden?


Ich denke, dass wir die Situation dramatisch unterschätzt haben. Die Anschläge der letzten Jahre haben vielen die Möglichkeiten gegeben, ihre „Ideen" in die Tat umzusetzen. Überwachungen, geheime Spionage von Zivilisten, neue Überwachungssysteme „zum Schutz vor dem Terror" und der gläserne Bürger - alles das, was Diktatoren auch getan haben, an deren Sturz wir beteiligt waren, ohne dass jemand aus der Zivilbevölkerung davon wusste.


Anschläge gab es dennoch, doch es soll noch viel schlimmer kommen. Etwas, was all unseren ach so genialen Überwachungsmethoden entgangen ist ...


Doch wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt. Was wird uns die Zukunft bringen? Wir, Six Echo, waren vor Ort. Wir haben gesehen, was passiert, wenn die nächste Evolution die Realität ergreift. Doch niemand glaubte uns. Vielleicht tun Sie es ja, aber auch nur vielleicht, wenn sie es mit ihren eigenen Augen sehen.


Die Geschichte ist zu irreal, um wahr zu sein. Doch genau davon hängt unsere Zukunft ab. Das Vergangene bestimmt die Zukunft. Ekelerregend wird es erst dann, wenn die Vergangenheit die Gegenwart einholt und die Zukunft bestimmt.


Nur weil man etwas nicht sehen kann, heißt es nicht, dass es nicht da ist. Menschen glauben an Gott, eine höhere Macht - aber gesehen haben wir noch nichts davon. Dennoch glauben wir, dass dort etwas ist. Nur warum glaubt uns niemand das, was wir gesehen haben? Dieses Ereignis - oder „Zwischenfall" wie man es so nennt, wenn man eigentlich sagen will, dass etwas Schreckliches im Gange ist oder bereits stattgefunden hat - zog uns in seinen abscheulichen Bann.


Wir führten schon immer Kriege, egal wie lange wir dabei zurückdenken. Irgendwo auf der Erde herrschte zu jeder Zeit Krieg, und das ist heute nicht anders. Nun ja, eigentlich kann ich heute nur von Glück reden, dass es diese Kriege gegeben hat. Hätten wir diese Gefechte nicht geführt, einen Wettlauf um die beste militärische Technologie geführt, dann könnten wir uns sofort begraben. Was auch immer der Grund für diese selbstzerstörerischen Kämpfe war - ob nun Freiheit, Rohstoffe oder sonst etwas, mir egal welcher Scheißgrund auch immer dahinter stand -, heute kämpfen wir um eines: unser aller Existenz.  


Die Frage, die die Menschheit sich am besten stellen sollte, ist ganz simpel: Gibt es überhaupt eine Zukunft für sie?


 


- John Bradeck, Los Angeles, 2011


1


- Alte Zeiten -


07.08.2011, Missionszeit: 00:00 STD./MIN.


Unbekannter Ort


 


„Was verdammt noch mal ist jetzt schon wieder? Ist irgendwas passiert?", fragte ein Unbekannter.


„Es gab einen Zwischenfall."


Der Unbekannte runzelte die Stirn, legte sie so sehr in Falten wie schon seit Jahren nicht mehr. Seine rechte Hand ballte sich zu einer festen Faust.


„Wie schlimm ist es?", stöhnte er laut.


„Automatische Quarantänemaßnahmen haben sich aktiviert. Wir wussten nicht einmal, dass das System noch aktiv ist. Nicht nach all den Jahren. Das Labor haben wir verloren. Personal ist vermutlich tot. Notfallverriegelung ist von innen aktiviert worden. Jeglicher Kontakt verloren. Selphycut scheint außer Kontrolle."


Wut erfüllte sein Gesicht. Das hätte niemals passieren dürfen! Irgendein Trottel musste einen Unfall fabriziert haben. Und dafür konnten sie sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen. So kurz vor dem Ziel.


Großartig. Besser konnte es jetzt nicht kommen. Erst der Vorfall vor vier Monaten und jetzt das! Bin ich nur von niederen Lebewesen umgeben?


„Gegenmaßnahmen einleiten?"


„Sind Sie verrückt? Wo ist es passiert?", hakte der Unbekannte nach. Der Schaden war da, nun musste er ihn begrenzen und die Kontrolle wieder herstellen. Andernfalls wären all seine Pläne gefährdet oder gar zerstört.


„In einer kleinen Stadt in den Staaten, Aldawa. Weit ab vom Leben. Das wird mit Sicherheit niemand bemerken. Gegenmaßnahmen einleiten?"


„Nein! Ich werde mich darum kümmern. Persönlich", antwortete der Unbekannte.


„Jawohl, Sir. Soll ich einen Transport schicken, der Sie vor Ort bringt?"


„Nein. Ich bin kein kleiner Junge mehr, falls Sie das meinen! Ich kann ja wohl noch selbst meinen Arsch dahin bewegen, wenn ich es möchte!"


Arschloch!


Da tauchte es wieder auf, das Bild seiner Tochter. Von Zeit zu Zeit tauchte es in seinem Kopf auf, als hätte es sich in ihn hineingefressen. Warum nur? Er hasste sie abgrundtief.


Schwungvoll sprang er von seinem Stuhl auf und schlug so fest auf den Tisch, dass dieser sich verbeulte und darauf stehende Objekte umfielen. Ein tiefer Atemzug, augenscheinlich der Beruhigung dienend.


„Das darf doch wohl nicht wahr sein ...", sagte er zu sich selbst. Sonst befand sich - außer ihm - niemand im Raum. Nicht, dass er es sich gewünscht hätte. Das Labor war für ihn reserviert, niemand sonst hatte Zutritt zu seinem privaten Labor.


Noch einmal darf es nicht schiefgehen. Wir haben die modernste Technologie zur Verfügung stehen und irgendjemand war mal wieder zu blöd damit umzugehen. Wieso? Warum verdammte Scheiße können die nichts richtig machen?


Wütend lief er im Labor auf und ab, betrachtete sich seine Forschungsergebnisse und Kalkulationen. Sein großer Tag stand so kurz bevor, nur noch wenige Stunden und er könnte alles einleiten - keiner könnte sich ihm in den Weg stellen und den Lauf der Dinge zu seinen Ungunsten verändern.


„Ganz ruhig. Behalt das Ziel vor Augen. Selbst wenn Selphycut nicht den Erfolg bringt, den ich mir davon erhofft habe. Meine Fresse, ich habe doch schon längst mein Ziel erreicht. Nein ...", unterbrach der Unbekannte sich selbst. Seine Faust entspannte sich ein wenig, wenn auch nur ein Quäntchen. In diesem Moment den Verstand zu verlieren und die Wut siegen zu lassen war absolut inakzeptabel.


Beherrsch dich!


„Nein, nicht dieses Mal. Sollen die allein klarkommen. Selbst wenn die UNF diesbezüglich etwas unternehmen würde ... schneller als ich wären sie nicht. Mein Gott, wofür habe ich sonst Protokolle für derartige Notfälle erstellt? Die wissen doch genau, was sie zu tun haben ... und wenn nicht, wäre es ohnehin das Letzte, was sie in ihrem kurzen Leben getan haben ..."


Noch einmal sprangen die Bilder seiner Tochter in seinen Verstand. Die Kontrolle über seinen Verstand zu verlieren war ebenfalls inakzeptabel. Auf keinen Fall dürfte er das zulassen.


„Konzentration! Mach weiter! Meine Macht wird unaufhaltsam über dieses Experiment hereinbrechen! Darauf gebe ich euch mein Wort, ihr niederen Versuchskaninchen."


 


* * *


 


08.08.2011, Missionszeit: 00:00 STD./MIN.


Kalifornien, USA


Los Angeles, Wohnviertel


John Bradecks Wohnung


 


Stille in der Nacht. Dunkelheit erfüllte die Idylle. Lichter strahlten in den Wolkenkratzern der Stadt. Los Angeles. Ein wunderbarer Ort, wenn man Großstädte mochte. Doch für diejenigen, die lieber auf dem Land lebten, war sie nicht die richtige Wahl. Zu viel Lärm, zu viele Menschen, Terrorismusgefahr und andere Faktoren. Doch genau diese Dinge zogen ihn an und ließen ihn sich lebendig fühlen.


John Bradeck lag auf seinem Bett und genoss eine Portion Vanilleeis vor dem Fernseher. Zwischendurch strich sich der 40-jährige ein Mal durch sein kurzes, schwarzes Haar. Sein trainierter, halbwegs muskulöser Körper lag still auf dem Bett, entspannte sich. Mitten in der Nacht und er konnte nicht schlafen. Da blieb nichts anderes übrig, als sich eine Wiederholung im Fernsehen anzusehen. Filme, die er schon zahlreiche Male gesehen hatte. Serien, die begeistern sollten und seiner Meinung nach zum Scheitern verdammt waren. Langeweile der Arbeitslosigkeit konnte einen Menschen von Grund auf verändern oder zum Verzweifeln bringen. Aber aufgeben würde er nicht. Am Ende der Dunkelheit folgt meist ein Lichtschein.


Am Nachmittag hatte er sich mit seinen Freunden, seiner ehemaligen Einheit, getroffen. Da war die Welt wieder in Ordnung. Immerhin verbrachten sie heute genauso viel Zeit miteinander wie damals. Acht Jahre lang haben sie ehrenhaft und vorbildlich gedient. Die erste Einheit, die die UNF überhaupt zur Verfügung stehen hatte. Selbst wenn die Teambezeichnungen von einem Chaoten erfunden wurden - Six Echo. Kaum zu glauben für John, dass sie doch die Ersten waren. Theoretisch hätte es zahlreiche andere Teams vor ihnen gegeben, aber sie traten als Erste den Dienst an. Six Echo - sie waren die Besten. Ironischerweise traf es auch die beste Einheit, als es zu einem Zwischenfall kam. Details haben nie das Tageslicht erblickt. Weitere Details hätten die Situation nicht geändert, nur noch verschlimmert.


Schlimmer als es ohnehin schon ist? Ob es da wohl noch eine Steigerung geben könnte? Obwohl, eigentlich schon: Der Realität ins Auge blicken und unsere Geschichte glauben.


Die Ärzte führten es auf ein Trauma zurück, das die Gruppe im Gefecht erlebt haben muss. „Posttraumatischer Stress" war das Wort des Tages. John und den anderen war klar, dass die Erklärungen und Diagnosen gut zusammenpassten. Was hätte er auch sonst erwarten sollen? Im Durchschnitt hatte Six Echo mehr als das Dreifache der Abschüsse in Kampfszenarien erzielt. Viele Soldaten scheiterten und starben oder gingen an den Kriegen im Irak, in Afghanistan und dem Iran zugrunde.


Meist traf das jedoch nicht auf UNF-Truppen zu. Diese waren trainiert Gefühle zu unterdrücken, die Bilder aus dem Kopf zu verbannen und nicht mehr daran zu denken, wie viel Blut sie vergossen haben.


Aber kein Trainingsprogramm konnte sie auf den Zwischenfall vorbereiten.


John stand auf. Das Eis legte er beiseite. Man könnte sagen, er habe sich gehen lassen, aber nur weil er Langeweile schob, hieß das nicht, dass er sich auch wirklich gehen ließ. Es war auch mal entspannend vier Monate arbeitslos zu Hause zu sein. Die guten alten Zeiten lagen noch nicht lang zurück. Und dennoch schien es ihm eine Ewigkeit zu sein. Ein Gefühl der Nutzlosigkeit quälte ihn - und sein ehemaliges Team, seine besten Freunde - tagtäglich.


Doch das Geräusch dieser Rotoren kam ihm nur zu gut bekannt vor. Früher hatte er es täglich gehört, wenn Helikopter vom Stützpunkt aus starteten. Der Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass der Helikopter tatsächlich der UNF angehörte und über sein Haus hinweg flog.


Das Grinsen auf dem Gesicht konnte er nicht vermeiden, obgleich er selbst nicht feststellte, dass er ein schwaches Grinsen hervorbrachte. Erst als der zweite Helikopter über sein Haus hinweg flog, realisierte er dieses Lächeln.


Er lebte in einem ruhigen Stadtteil von Los Angeles. Eine Wohngegend. Nichts passierte in dieser stillen, abgelegenen Gegend. Absolut tote Hose. Der Wohnblock bestand aus zwei oder dreistöckigen Häusern, einigen kleinen Geschäften und einer Bahnstation, von wo aus man schnell in den Innenstadtbereich gelangte.


Tagsüber spielten Kinder auf den Straßen, rannten umher und vergnügten sich mit ihren Hunden. Seine Nachbarin, Beth, hatte ihn am frühen Abend zum Essen mit ihrer Familie eingeladen. Sie hatte Mitleid mit ihm. So lange arbeitslos und schon so viele Bewerbungen. John war sicher, dass die UNF nichts damit zu tun hatte. Sicherlich wäre es leichter gewesen einen Job zu finden, wenn man seinen früheren Arbeitgeber hätte erwähnen können ...


Ein dritter Helikopter flog über ihn hinweg. Dieses Mal staunte John. Es war nicht üblich, mehr als ein Team in eine Situation zu schicken. Im Ernstfall wurden zwei Teams geschickt - etwa dann, wenn es sich um ein zu großes Gebäude handelte, das ein Team allein nicht effektiv sichern konnte.


Wofür schicken die drei Teams rein? Was ist los?


Hastig griff er die Fernbedienung seines Fernsehers und schaltete auf CNN. Nichts Besonderes wurde berichtet. Keine Nachrichten über Geiselnahmen oder ähnliche Dinge. Außerdem lag eine einfache Geiselnahme noch immer im Zuständigkeitsbereich der Polizei und S.W.A.T.-Teams. S.W.A.T. war nicht so gut ausgebildet wie UNF-Soldaten, aber wenn sie etwas machten, dann machten sie es auch richtig.


Als auch noch der vierte Helikopter zu hören war, rannte John erneut zum Fenster. Dieser Helikopter nahm einen anderen Kurs. Alle vier flogen unüblich niedrig. Nicht, dass man hätte erkennen können, dass diese zur UNF gehörten, doch die Zulässigkeit für solch tiefe Flüge bestand nur dann, wenn es sich um einen Einsatz handelte.


Wo will der denn hin? Der scheint ja regelrecht auf mich zuzukommen?!


Und der Kurs stimmte mit seinem Gedankengang überein. Einige Meter vor dem Haus bremste der Helikopter ab und begann den Landeanflug auszuführen. Der Pilot kannte jeden Winkel seines Helikopters, um ihn in einer engeren Straße runterzubringen. Sein Landeanflug sah ziemlich beeindruckend aus. Das konnte nur einer. In einer solchen Straße landen, ohne die Rotoren zu beschädigen oder für einen Absturz zu sorgen.


Richards. Wer sonst?


Schnell begann sich John anzuziehen, während der Helikopter den restlichen Landeanflug durchführte.


Gut, dass meine Wohnung immer aufgeräumt ist ... was wollen die denn jetzt von mir? Einen auf gute Freundschaft machen?


Draußen auf der Straße setzte der Helikopter auf. Die Rotoren liefen weiter und wirbelten Staub und Dreck auf, schleuderten diesen über die Straße. Richards schaltete die Beleuchtung ab. Anwohner schauten hinaus und staunten darüber, dass ein Helikopter zwischen den parkenden Autos auf beiden Seiten genug Platz gefunden hatte, um zu landen. Einige traten sogar schon vor die Tür und betrachteten das Schauspiel von Nahem. Manche von ihnen schauten in Johns Richtung - sie wussten doch, dass er irgendetwas mit der Polizei oder dem Militär zu tun hatte, bevor seine Arbeitslosigkeit begann.


Ein Soldat öffnete die Tür an der Seite des Helikopters und sprang mit zwei weiteren Männern heraus. Sie sicherten die Seiten der Straße ab. Niemand durfte sie befahren - die Straße war dank dem großen Helikopter unpassierbar geworden.


Als Nächstes stieg ein weiterer Mann hinaus, gekleidet in einem schwarzen Anzug, weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Alles an ihm war schwarz, bis auf das Hemd. Selbst die Sonnenbrille, die er in der Nacht trug. Mit geschmeidigen, eleganten Schritten trat er an die Tür von Johns Haus und wollte gerade schellen, als die Tür von allein aufging. Einen kurzen Augenblick starrte der Mann die Türöffnung an. Schließlich blickte er in die Augen des ehemaligen Colonels vor ihm.


„Lieutenant Colonel John Bradeck?", rief der Anzugträger verdutzt, um gegen den Lärm der Rotoren anzukämpfen. John musterte ihn.


Aus welchem Film ist der denn entsprungen?


„Ja. Und wer sind Sie? Man in Black?", machte sich John lustig. Der Anzugträger hingegen verzog nicht im Geringsten die Miene und blieb stur und geradestehen.


„Mein Name ist Aaron Somers. Es gab einen Vorfall. Ihre Einheit wurde soeben reaktiviert. Sie müssen mit mir kommen, Sir!"


John staunte nicht schlecht. Das hätte er im Leben nicht erwartet. Der Tonfall gefiel John allerdings nicht. Wenn die UNF bereit wäre, seine Einheit vollständig zu reaktivieren, dann musste die Scheiße ja gewaltig kochen.


„Was für einen Vorfall?", fragte John. Der Anzugträger verzog die Miene kein bisschen, als er antwortete: „Sie müssen mit mir kommen. Sie werden vor Ort gebrieft."


Okay, die haben anscheinend wirklich Probleme. Aber warum schicken die dann so einen Chaoten zu mir? Wollte wohl kein Anderer diesen Job machen.


„Okay Mr. Man in Black. Auf einmal sind wir wieder gut genug ... stimmt's?", fragte John.


Na, verzieht der diesmal das Gesicht? Ich wette nicht ... dachte John, wissend, dass er recht bekam.


„Colonel, wir haben nicht viel Zeit. Ich muss Sie bitten ..."


„Okay, okay. Ich mache mich ja schon fertig. Zaubern kann ich noch nicht."


Akzeptiert. Noch kurz zur Jacke gegriffen, angezogen und schon lief der Lieutenant Colonel auf den Helikopter zu.


Habe ich den Fernseher abgeschaltet? Glaube schon ...


Seine Nachbarschaft würde auf jeden Fall eine Menge Fragen haben, wenn er zurückkehrte. Für die meisten wird es das erste Mal im Leben gewesen sein, eine Helikopterlandung vor der Tür miterlebt zu haben.


Mit einem Handzeichen grüßte John den ihm bekannten Piloten. Es war tatsächlich Will Richards, ein alter Bekannter, der oft den Arsch für Six Echo riskiert hat. Wann immer sie jemanden brauchten, der sie aus einer Notlage herausholen musste, dann war es der junge, schwach aussehende Blondschopf Richards, der lebensmüde genug war zwischen MG-Stellungen und RPG-Beschuss umherzufliegen.


Somers drückte John ein Headset in die Hand und schaute zu beiden Seiten. Richards schaltete die Beleuchtung des Helikopters wieder ein und signalisierte dadurch den Soldaten, die die Straße absperrten, zurückzukommen, um abzuheben.


„Wissen Sie was, Somers, jetzt habe ich Ihretwegen mein Eis mitten auf dem Bett stehen lassen. Ich hoffe, das dauert nicht zu lange. Sonst züchte ich demnächst Pilzkulturen auf meinem Bett!", scherzte John. Somers hingegen lachte keineswegs. Die anderen lachten zwar auch nicht, aber sie grinsten zum Glück. Somers schien auf John den Eindruck zu erwecken, eine reine Schlaftablette zu sein, die für keinen Spaß zu haben war.


„Hey John, klasse Witz", teilte Richards über Funk mit. Der war der einzige Helikopterinsasse, der laut darüber lachte.


„Hier Escort One. Zielperson befindet sich an Bord. Befinden uns auf dem Rückflug. Geschätzte Zeit liegt bei fünfzehn Minuten bis zur Ankunft. Damit wäre Six Echo ja wieder vollständig", richtete Richards seine Aufmerksamkeit dem Funkverkehr. Sicherlich kamen noch Funksprüche herein, die John nicht hören würde.


„Richards, kannst du mir vielleicht sagen, was diese ganze Show zu bedeuten hat? Somers scheint nicht gerade sehr gesprächig zu sein ...", erkundigte sich John. Richards drehte sich kurz um und sah John ins Gesicht. Der verdrehte nur einen Augenblick lang die Augen. Die Lippen von Richards zeigten ein breites Lächeln.


„Nein, ich weiß nur, dass ich euch begleiten soll. Wie in den alten Zeiten. Alles, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, ist, dass unser Freund Somers selbst keine Ahnung hat. Scheint aber eine ziemlich fette Sache zu sein, wenn sie Landry übergehen und euch reaktivieren", erklärte Richards.


Landry übergangen? Wie meinst du das denn jetzt?


„Was meinst du mit ‚Landry übergehen und uns reaktivieren‘, Rich?", fragte John erstaunt. Ein Zusammenhang war kaum erkennbar. Warum sollte man Landry dabei übergehen?


„Naja, Landry hat die ganze Zeit über versucht, mehr herauszufinden. Er wollte unbedingt wissen, was damals im Iran vorgefallen ist. Für mich hörte es sich immer so an, als habe er versucht Beweise zu finden, die belegen, dass ihr Recht hattet. Dass eure Aussage stimmte. Landry hat noch nicht einmal die geringste Ahnung, was los ist. Als sie mich vor ein paar Stunden aus Romex abgeholt haben, wusste Landry nichts davon. Selbst seine Tochter weiß mehr als er", erklärte Richards.


Das Lachen konnte er sich nicht verkneifen. Es schien ein so fremdes Szenario zu sein, in welchem er einfach nicht verstand, was all diese Anhaltspunkte ergeben sollten. Aber in zehn Minuten würde er landen und sich mit Six Echo zum Konferenzraum begeben, wo sie endlich ihre Einsatzbesprechung, das Briefing, erhalten würden.


„Was ist mit Carolyn? Wieso weiß sie mehr als Jack?", staunte John. Somers grinste. Das erste Mal, dass er grinste.


WOW! Dabei kann der Wichser grinsen!


„Weiß ich auch nicht. Wenn die Gerüchteküche stimmt, dann wird sie irgendwas mit dem bevorstehenden Einsatz zu tun haben, ohne dass Landry es weiß. Hat vielleicht etwas mit Cyberterrorismus zu tun - Carolyn ist ja die Expertin überhaupt, wenn es um diese Verfahrensweisen geht. Daddys kleines Mädchen ganz groß!"


John lehnte sich zurück und dachte darüber nach, was ihnen bevorstehen könnte. Warum diese Unkosten, um ein solches Team zusammenzustellen? Die Regel bestand nicht darin, Einheiten, die unehrenhaft entlassen wurden und mit psychischen Problemen und Traumata abgestempelt wurden, zu reaktivieren.


„Colonel, darf ich Sie etwas fragen?", fragte einer der Soldaten. John nickte zustimmend und widmete ihm seine Aufmerksamkeit.


„Sir, was ist damals tatsächlich passiert? Wir kennen viele Versionen, wissen aber nicht, was wirklich stimmt. Die Menge munkelt kräftig was von Außerirdischen, Mafia und irgendwelchen Horrorszenen."


„Die Realität hat uns eingeholt. Ich glaube nicht, dass es im Moment hilfreich ist, über weitere Details zu sprechen. Wenn Sie das rumerzählen würden, würde es mich nicht stören, aber andere könnten Sie für verrückt halten, so wie man es mit uns getan hat."


Der junge Soldat sah John erstaunt an und begann zu schweigen. Dem erstaunten Gesicht konnte John entnehmen, dass die „Versionen", die er erwähnt hat, harmlos sein mussten im Vergleich zu dieser Aussage.


Dabei ist an meiner Aussage gar nicht so viel dran. Ich meine ... Hallo ... ich habe nicht mal gesagt, was tatsächlich passiert ist.


Somers war ebenfalls leicht erstaunt. Die Gesichtsmimik verriet ihn trotz verdeckter Augen.


 


* * *


 


08.08.2011, Missionszeit: 00:00 STD./MIN.


Wüstengebiet, USA


Militärischer Sektor, Romex-Einsatzterrain


 


General Jack Landry betrat den großen Raum, in dem mehr als zwanzig Personen ihrer Arbeit nachgingen - Terrorbekämpfung. Auf den ersten Blick sah er den leeren Platz vor sich und herumstehende Männer und Frauen, die ein Gespräch zu führen schienen. Normalerweise hätte seine Tochter an dem leeren Platz gesessen.


Holt sich bestimmt nur einen Kaffee oder so was dachte er.


Aber die Gruppe herumstehender Personen starrte ihn unentwegt an. War er das Thema, über das sie sprachen? Tuschelten sie über ihn?


Hmm ...


Ein fragendes Gesicht schaute herüber zu der Gruppe. Endlich schauten sie weg, gestikulierten jedoch weiter. Schnaufend setzte sich Landry in Bewegung, um den Grund für die Tuschelei zu erfahren. Augenblicklich standen die Personen gerade, als er sich ihnen näherte.


Es war ja nicht so, als hätten sie es tun müssen, aber er war ihr Befehlshaber (obwohl Landry allzu oft nicht darauf achtete, ob man ihm den Respekt entgegenbrachte, den man anderen entgegenzubringen hatte. Solange sie es bei anderen - wichtigeren - Personen stets taten, war es für ihn in Ordnung). Das steigerte die Arbeitsmoral, wenn man nicht nur wütend herumrannte und sich ein Opfer nach dem anderen suchte.


„Jefferson, was gibt es so Dringendes? Sprechen Sie über mich? Hoffentlich etwas Witziges!", sagte Landry und zwinkerte mit dem Auge. Doch Jefferson lächelte nicht. Nein, stattdessen wurde er nervös und schaute in die Gesichter der anderen.


„Naja, Sir, wir ... ähm ... haben über Carolyn gesprochen. Also ... Ihre Tochter."


Landry lachte auf. „Ja, ich weiß wohl, dass sie meine Tochter ist", antwortete er lachend. Noch immer erwiderte niemand das Lachen. Ein mulmiges Gefühl machte sich breit, Sorge um Carolyn.


„Was ist los?", fragte Landry bestimmt.


„Sie wissen es noch nicht, Sir, aber sie ist abgeholt worden. Ein Einsatz. Aktiver Dienst oder so was", antwortete Carolyns Freundin Anna.


Aktiver Dienst? Warum weiß ich nichts davon?


„Okay, und worum geht es? Wer hat sie abgeholt?"


„Irgendein Anzugträger. Genaues wissen wir nicht, aber die haben ihr nicht einmal genug Zeit gelassen, den Computer abzuschalten und ihre derzeitige Aufgabe zu beenden. Schien sehr eilig zu sein."


Mit fragenden Augen schaute Landry in Annas Augen. Immerhin hatte sie den Mut ihm zu sagen, worum es ging. Carolyn und sie unternahmen ja auch oft genug etwas privat. Das machte die Sache einfacher, wenn man seinen „Chef" persönlich kannte.


„Hat man mir irgendwas dagelassen? Unterlagen oder so? Die können doch nicht einfach meine Männer abholen, während ich in einem Meeting bin. Wann war das, Anna?"


„Noch nicht lange her, Sir. Caro meinte auch, dass Sie unterrichtet werden sollten, aber das hielten die nicht für nötig. Und Richards haben sie auch mitgenommen. Der sollte wohl als Pilot tätig werden."


Landry murmelte etwas vor sich hin.


„Caro und Richards?", wiederholte er Annas Aussage. Die anderen Personen zogen sich zurück und verließen das Gespräch.


„Ja, Sir. Wissen Sie denn gar nichts davon?", fragte sie verdutzt.


Kopf schüttelnd antwortete Landry: „Nein, nichts. Wird wohl nichts Schlimmes sein, sonst hätte man mich informiert."


Schwungvoll, aber nachdenklich drehte er sich herum und stolzierte in die Richtung seines Büros.


Merkwürdig ... wieso wird mir nichts davon gesagt? Ich habe doch das Kommando über Romex und meine Leute ... also ...


„Anna!", rief Landry quer durch den Raum. Sofort schauten ihn fast alle an. Für gewöhnlich rief er nichts in den Raum hinein.


„Ja, Sir?", rief sie zurück, blickte dabei mit den Augen nervös um sich.


Schweinchen in der Mitte dachte sie.


„Haben die noch irgendwas von einem anderen Team erwähnt?"


„Nein, Sir. Welches Team genau? Soll ich Nachforschungen anstellen?"


Kopfschütteln. Der Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, reichte aus.


Caro und Richards? Diese Kombination gefällt mir nicht. Was ist los?!


 


In seinem Büro angekommen war das Erste, was er in die Hand nahm, sein Telefon. Genervt und besorgt tippte er eine ihm bekannte Nummer ein. John Bradecks Nummer. Das Telefon klingelte, aber er nahm nicht ab.


Wahrscheinlich schläft er. Was ich schon seit zwei Stunden tun wollte ...


Verärgert legte er wieder auf und hoffte insgeheim John läge in seinem Bett und würde schlafen.


2


- Das Erwachen -


08.08.2011, Missionszeit: 00:00 STD./MIN.


Wüstengebiet, USA


Militärischer Sektor, Hope-Einsatzterrain


 


Der Stützpunkt lag nur noch drei Kilometer entfernt und trat bereits in Sichtweite. Scheinwerfer erhellten die Gegend rundherum um das Gebiet und suchten die Umgebung nach möglichen Eindringlingen ab. Ein großer Turm diente als Luftüberwachung und mehrere riesige Lagerhallen als Garage für die unzähligen militärischen Fahrzeuge.


John stand auf und ging nach vorne zu Richards ins Cockpit. Rasch bemerkte er die Helikopter, die sich aus anderen Richtungen näherten. Drei weitere flogen in Formation mit „Escort One". Im Moment erweckte der Stützpunkt den Eindruck eines Ameisenhaufens. Man konnte sehen, wie Humvees und andere Fahrzeuge umherfuhren. Zwei weitere Helikopter waren hell beleuchtet und ließen keinen anderen Schluss zu, als die vollständige Einsatzbereitschaft erreicht zu haben.


„Was zur Hölle passiert da?", fragte Richards den Mann neben sich. Aus welchem Grund auch immer, Richards war sicher, dass Colonel Bradeck, der Held der UNF, noch mehr wusste, als das, was er damals gesagt hatte. Das Gleiche galt wahrscheinlich für das ganze Team.


„Sieht aus wie etwas verdammt Großes, was da auf uns zukommt", bemerkte John. Richards setzte zum Landeanflug an, um zeitgleich mit den anderen drei Helikoptern aufzusetzen. „Atombombe in den falschen Händen? Biologische oder chemische Waffen in den falschen Händen?", rätselte Richards. Mit zugekniffenen Augen und gerunzelter Stirn schüttelte der Colonel langsam seinen Kopf.


„Scheiße! Festhalten!", schrie Richards plötzlich auf und riss den Vogel hoch. Starke Turbulenzen ließen die Passagiere umherfliegen. Somers und die Soldaten lagen irgendwo im Laderaum des Helikopters verteilt, während John schmerzhaft in den Co-Pilotensitz geschleudert wurde. Zum Glück war für diesen Flug kein Kopilot von Nöten, sonst hätte er jetzt auf diesem gesessen.


 


Einer der Soldaten, Mitchell, schrie auf. Rotes Licht hüllte den Helikopter ein. Trübes Licht, alles sah so komisch aus. Verschwommen. Und dann: diese Fratzen! Entsetzliche Fratzen, die anderen! Es waren die anderen. Nein, waren sie nicht, aber dennoch schien es so. Sie hatten sich verändert. Ihre Körper waren blutüberströmt, und die Gesichter - nein, sogar der ganze Körper! - als hätte jemand blutende Knetmasse verformt.


Sie griffen nach ihm, gierig und hungrig, als hielten sie ihn für ein saftiges Stück Fleisch. Ihre widerlichen Hände zerrten nach ihm. Dieser Schrei, den sie ausstießen! Grauenhaft!


„Nein!", schrie er auf, doch noch, bevor er aufrief ...


Sie sind weg ... diese Dinger sind weg ... Mama! Mama!


Niemand schaute ihn an - außer Somers, denn der grinste, während dieser Typ den jungen Mitchell fixierte. Sein Blick fesselte ihn beinahe.


Haben sie es denn nicht gesehen???


 


Vom Stützpunkt aus sah diese Reaktion äußerst merkwürdig aus. In der Annahme einer drohenden Gefahr wichen die anderen Helikopter ebenfalls aus, als sie bemerkten, dass „Escort One" auswich. Niemand wusste wieso, also war es klüger auch zu den Seiten auszuweichen, um etwas Schlimmes oder einen möglichen Zusammenstoß zu verhindern.


 


* * *


 


„Was verdammt machen die da?", fragte Kommandant McGill. Er betrachtete das Schauspiel von dem Punkt aus, an dem er Colonel Bradeck und sein Team empfangen wollte. Carolyn stand wenige Meter neben ihm und erschrak, als „Escort One" ohne einen sichtbaren Grund fluchtartig hochzog.


Die Helikopter waren für Ausweichmanöver mit besonderen Antrieben ausgestattet worden. Man wollte dadurch vermeiden, dass Raketenbeschuss sein Ziel erreichte. Durch die neuen Antriebe war ein rascher Aufstieg oder Abstieg binnen ein bis zwei Sekunden möglich. Aber die Verwendung in diesem Moment schien zweckentfremdend.


„Ich weiß es nicht, Sir. Luftüberwachung! Was geht da vor sich?", fragte McGills Nebenmann nervös. Dem Klang seiner Stimme konnte man entnehmen, dass etwas nicht stimmte. Etwas nicht dem entsprach, dem es für gewöhnlich entsprechen sollte.


„Sir, wir wissen es nicht. Unsere Sensoren haben nichts registriert. Kein Angriff!", antwortete eine der zahlreichen Stimmen aus dem großen Tower.


 


* * *


 


„Escort One, aus welchem Grund haben Sie dieses Manöver durchgeführt? Unsere Sensoren melden nichts."


„Hier Escort One! Was das sollte? Das könnte ich euch fragen, Tower! Der Helikopter hat dieses Manöver von allein ausgeführt!", beschwerte sich Richards. Er hatte irgendwas gesehen, aber niemand sonst schien es gesehen zu haben.


Entsetzt sah Richards nach hinten und sah John an. Dessen Blick konnte er entnehmen, was er dachte. Und jetzt war er sicher, dass John gesehen hatte, wie er den Knopf betätigt hat, um das Ausweichmanöver einzuleiten.


„Hier Tower, der Flugschreiber sagt uns, dass der Knopf betätigt worden ist. Wir fragen nochmals. Aus welchem Grund haben Sie dieses Manöver durchgeführt?"


Die Stimme klang ernst. Richards wusste nicht, was er antworten sollte. Obwohl sein Gehirn wiederholend mitteilte, dass er da etwas gesehen hatte, konnte sein Mund es nicht aussprechen. „Hier Colonel Bradeck. Richards hat keinen verdammten Knopf betätigt. Ich stand daneben. Das Ding ist hochgerissen, nachdem ein Alarm gepiept hat. Wir landen jetzt", half John aus.


„Es gab damals bereits solche Vorfälle, als die Geräte noch nicht voll ausgereift waren. Ich habe damals selbst einen Helikopter zerstört, der wenige Millisekunden nach dem Abheben die Schubumkehr gestartet hat. Sollte man sich nochmals ansehen. ‚Escort Four‘ out", berichtete der Pilot der vierten Maschine.


Richards atmete tief durch und landete schließlich den Helikopter sicher auf dem Boden. Sein Gesicht besaß kaum noch Farbe, genauso wie das Gesicht eines Soldaten, das John bemerkte. Somers machte die Tür auf und stieg als Erster aus. Danach folgten die Soldaten - bis auf den blassen Soldaten, Mitchell.


John schaltete den Funk ab und deutete dem Soldaten ebenfalls auf stumm umzuschalten. Draußen warteten sie schon auf John, Mitchell und Richards.


„Sir, ich ...", begann Mitchell „... war nicht der Einzige, der das gesehen hat oder?" John widmete sich ihm und fragte: „Was gesehen? Richards, was habt ihr gesehen?"


Richards stand auf und legte seine Ausrüstung an die dafür vorgesehenen Halterungen. „Keine Ahnung, was es war ... ein Vogel vielleicht. Konnte es nicht erkennen. Du hast doch auch in die Richtung geschaut! Sag mir nicht, dass du es nicht gesehen hast, wenn wir es gesehen haben!"


Ein Vogel? Nein ... dachte John.


„Da war kein Vogel. Den hätte ich gesehen. Und seit wann führst du wegen eines Vogels solche Manöver aus? Unsere Vögel stört so was nicht!"


Der Soldat setzte sich aufrecht auf die Bank und starrte den Colonel an. Dieser wusste nicht, was sie gesehen haben, hatte aber eine dunkle Vorahnung. „Behaltet es lieber für euch, immerhin hat uns das damals den Job gekostet. War ein technischer Fehler, okay? Und jetzt raus mit euch, bevor wir einen drüber kriegen. Schaltet den Funk wieder ein, bevor man merkt, dass er aus ist."


Das waren Johns letzte Worte, bevor er ausstieg und in McGills Richtung vorstieß. Mitchell tat nichts lieber, als seinen Mund zu halten.


Das erzähl ich keinem! Die sperren mich in die Klapse ein ... für den Rest meines Lebens. Aber der Pilot hat was anderes gesehen, als ich ... warum?


Mit verschränkten Armen und saurer Miene stand McGill schon da und wartete auf „Escort Ones" restliche Passagiere.


Abzeichen bedeckten dessen Uniform, aber die bedeuteten John nicht viel. Der pummelige Kerl mit einem Bauch, den man für gewöhnlich als Bierbauch bezeichnete, schüttelte den Kopf. Carolyn und die anderen Six Echos standen bereits hinter McGill - ebenfalls wartend, aber nur halbwegs so erstaunt.


„Reaper, Phoenix, Deckart, Carolyn. Nett euch zu sehen. Besonders dich Carolyn, lange nicht mehr gesehen", grüßte der Colonel die Gruppe. Alle nickten.


Die junge, attraktive Dame nickte John lächelnd zu. Sie kannte ihn schon seit einigen Jahren, obwohl sie noch so jung war. Trotz ihres zarten Alters hatte sie es schon weit gebracht. Das schulterlange braune Haar glänzte. Zwar war sie nicht die Größte, aber kam es auf die Größe an? Sie hatte ein bezauberndes Lächeln und wunderschöne Augen. Unterhalb des Kopfes war sie schlank und sehr ansehnlich.


„Ja, ist schon komisch wieder aktiv zu sein oder? Und dann sofort technisches Versagen, he!", stellte Reaper fest. Sein Blick, seine Mimik und seine Haltung ließen verraten, was er wusste - kein technischer Fehler. Richards stieß zu ihnen. Das alte Team neu vereint.


Sergeant Reaper war der Sprengstoffexperte von Six Echo. Egal, um welche Art Sprengstoff oder Bombe es sich handelte, wenn jemand etwas setzen oder entschärfen konnte, dann Reaper. Anders hatte er es nicht zu diesem Namen gebracht. Sein richtiger Name lautete Hans Weber. Sein Vater kam aus den Vereinigten Staaten und seine Mutter aus Deutschland. Der Name sollte wohl als Strafe für einen hartgesottenen Soldaten gedacht sein. John entschied sich damals dafür, als er merkte, wie sehr Reaper der Name gegen den Strich ging, ihm einen Spitznamen zu geben. Viele Soldaten innerhalb der UNF hatten solche Spitznamen - und praktisch war es auch für die Moral. Reaper zählte zu den jungen Hüpfern mit seinen gerade einmal 34 Jahren. Sein kurzes, dunkelbraunes Haar und der leichte Bartwuchs in seinem Gesicht ließen ihn sehr charmant aussehen. Der durchtrainierte, schlanke Körper passte optimal in eine Uniform hinein.


„Hi", grüßte Phoenix mit erhobener Hand.


Corporal Lamont Phoenix war der ultimative Nahkampfexperte. Zwischen den vielen Kampfsportarten verbarg sich zudem ein exzellenter Scharfschütze und ein mittelmäßiger Computerexperte. Bisher haben seine Kenntnisse im elektronischen Datenverkehr ausgereicht, wenn es darauf ankam. Was die menschliche Seite anging, konnte er sehr einfühlsam und sensibel sein - wenn nötig. Sein blondes Haar und die strahlenden braunen Augen ließen ihn sympathisch wirken, auch wenn der Ersteindruck schon manche getäuscht hatte. Er hatte ein paar Muskeln mehr als Reaper, wog aber auch einige Kilos mehr. Außerdem schien er der Älteste in der Truppe zu sein. Wie John betrug sein Alter 40 Jahre, aber John war ein paar Monate jünger. Bis heute weigerte er sich ständig, befördert zu werden, in der Angst, es könnte das Team zerreißen.


Das stellte wohl einen großen Vorteil innerhalb der UNF dar. Sie folgte nicht dem Rangsystem der übrigen Armeen. Die Teams wurden zwar für gewöhnlich nicht aufgrund ihrer Ränge gemischt, sondern aufgrund der Fähigkeiten, doch gelegentlich trennten sie ein gut eingespieltes Team voneinander. Seine Beförderung konnte man allerdings ablehnen, obwohl es mehr Geld brachte, sie anzunehmen. Bis zu einem gewissen Maß ließen sich die meisten befördern, bis es kritisch für das Team wurde. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Teammitgliedern stellte eine wichtige Rolle dar.


Auf diesem Hintergrund war es keine Seltenheit, in manchen Teams sogar zwei Lieutenant Colonels zu haben. Dennoch wurden die meisten Teams von einem Lieutenant Colonel angeführt.


Wie oft sollte John in der damaligen Zeit schon zu einem General befördert werden, der gewisse Sonderprivilegien hätte genießen dürfen? Sogar ins Oberkommando wollten sie ihn schon einmal aufnehmen - seiner Einheit, seinen Freunden, zuliebe lehnte er rigoros ab. Das war nichts für ihn, hinter einem Schreibtisch zu sitzen und Befehle zu erteilen. Seine Stärke lag im Kampf gegen Terroristen, nicht im Kampf gegen abgöttisch viel Bürokratie und Schmeicheleien an der richtigen Stelle.


Deckart stand schweigend ein paar Schritte neben McGill. Noch war er sich nicht sicher, ob es richtig war, Freude an den Tag zu legen.


Wenn wir wieder gefragt sind, dann ... vielleicht will ich überhaupt nicht hören, was uns erwartet.


Er war das genaue Gegenteil von Phoenix. Corporal Samuel Deckarts Menschlichkeit traf nur diejenigen, die er beschützte. Terroristen? Keine Überlebenschance. Eine besondere Spezialität hatte er eigentlich nicht. Deshalb sah der Colonel ihn auch als Hybrid an - in jeder Situation flexibel und anpassungsfähig. Mit seinen bis zur Schulter gehenden braunen Haaren glich er manchmal von hinten einer Frau, aber genau das sollte der Witz an der Sache sein. Seit dem 17. Lebensjahr liebte er diese Haare. Selbst heute mit 39 tat er es noch. Seinen Körper pflegte er, so gut er konnte - und das sah man dem attraktiven Mann an. Falten fielen nicht auf.


Die Freundschaft verband das Team. Unter sich waren sie offen und hatten keine Geheimnisse voreinander. Ihrer Meinung nach sollte sich das Team perfekt kennen, um jederzeit einschätzen zu können, wie sich der andere während einer Mission fühlt. Und aus diesem Grunde konnte jeder dem anderen die Gedanken lesen, als sie Johns Gesicht sahen. Es passierte wieder.


 


* * *


 


08.08.2011, Missionszeit: 00:00 STD./MIN.


Unbekannter Ort


 


Die Werte sahen besser aus als seine Erwartungen. Von ihnen in den Bann gezogen, studierte er sie minutenlang. Jede Variable, jedes Simulationsergebnis wurde doppelt und dreifach überprüft.


Diesmal bin ich verdammt nah dran!


„Bald ...", flüsterte er zu sich selbst. War dies nun der Moment, auf den er gewartet hatte? Der Moment, der ihm nur noch eines sagte: Bald ist es so weit!


Immer wieder störten sie ihn. Andauernd kam jemand an die Tür des Labors und bat um Eintritt. Und wie jedes andere - verdammte - Mal zuvor hat er ihnen eine Absage erteilt. Warum nur? Wieso konnten sie ihn nicht arbeiten lassen? Diese Störungen konnten verheerende Folgen haben.


„Folgen, die wir ja schon einmal kennengelernt haben", murmelte er.


Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, die Technik stand bereit und diese Trottel - sie nervten die ganze Zeit über.


Jetzt noch diese ...


Befehle füllten den Monitor vor ihm. Sieben weitere Monitore zeigten auf der Stelle neue Ergebnisse an - eines besser als das andere. Die Anzeigen waren nahezu einheitlich im grünen Bereich - nahezu. Zwei sprangen aus der Reihe.


Energiekonsum ... Stabilitätskontrollmechanismus.


„Mist! Immer noch nicht! Hätte ich Selphycut doch mehr Zeit widmen sollen? Nein, den Gedanken sollte ich besser verdrängen. Ich mache keine Fehler! Nicht ich. Alle anderen. Nicht ich!", stammelte er.


Stolz, Arroganz, Selbstsicherheit, Stärke. Seine Werte. Und Macht nicht zu vergessen. Mehr Macht konnte keiner auf der Erde haben.


Ausgeschlossen ...


Neue Befehle, alte Verärgerung. Endlich! Alle Anzeigen im grünen Bereich! Sogar der Energiekonsum hatte sich durch die neuen Formeln, Algorithmen und Parameter enorm zum Guten verbessert. Genau das, was er wollte.


„Das ist der Moment ... ich bin bereit ... sind sie es auch?!"


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