Suchbuch.de

Leseproben online - Schmökern in Büchern


Kategorien
> Science Fiction > Ruf der Sterne
Belletristik
Bücher Erotik
Esoterik Bücher
Fantasy Bücher
Kinderbücher
Krimis & Thriller
Kultur Bücher
Lyrikbücher
Magazine
Politik, Gesellschaftskritik
Ratgeberbücher
regionale Bücher
Reiseberichte
Bücher Satire
Science Fiction
Technikbücher
Tierbücher
Wirtschaftbücher
Bücher Zeitzeugen

Login
Login

Newsletter
Name
eMail

Science Fiction
Buch Leseprobe Ruf der Sterne, Gerd Hoffmann
Gerd Hoffmann

Ruf der Sterne


Das Erwachen der Wächter

Bewertung:
(19)Gefällt mir
Kommentare ansehen und verfassen

Aufrufe:
276
Dieses Buch jetzt kaufen bei:

oder bei:
Amazoin
Drucken Empfehlen


Das Objekt


Linda Wade kannte die Strecke zu ihrem Arbeitsplatz wie ihre Westentasche. Das war auch gut so, denn an diesem Tag konnte sie den Blick nicht vom sternenübersäten Nachthimmel abwenden, so sehr faszinierte sie sein Funkeln und Glitzern. Selbst hier nahe dem Gipfel des Palomar-Gebirges, weitab von den Lichtern der Städte Los Angeles und San Diego, war ein solcher Anblick nicht alltäglich. Für Tage wie heute lebte sie, deswegen hatte sie das Studium der Astrophysik absolviert und …


Ein lautes Hupen und zwei aufgeblendete Scheinwerfer rissen sie wieder in die Realität zurück. Ihr Herz schlug wie wild, während sie ihren Wagen auf den unbefestigten Seitenstreifen steuerte und den Motor abwürgte. Sie stützte ihren Kopf auf das Lenkrad und atmete tief durch, versuchte, den Puls auf ein normales Maß abzusenken.


Verdammt, reiß dich zusammen!


Sie benötigte fünf Minuten, bis sie sich wieder in der Lage fühlte, ihre Fahrt fortzusetzen.


Schön den Blick auf die Straße richten, Linda. Den Himmel kannst du nachher noch ausgiebig betrachten. Dafür hast du die ganze Nacht Zeit.


Mit zitternden Fingern startete sie den Motor und folgte der sich den Berg hinaufwindenden Straße. Erst nach ein paar Minuten fühlte sie sich wieder in der Lage, etwas mehr Gas zu geben. Dennoch dauerte es viel länger als sonst, bis sie den weißen, fast zylinderförmigen Bau des Observatoriums vor sich aufragen sah.


Der Parkplatz, auf dem sie ihr Fahrzeug abstellte, war beinahe leer. Auch deswegen bevorzugte sie die Nachtschicht gegenüber der Arbeit am Tag. Nachts konnte sie fast die ganze Zeit den Sternenhimmel beobachten und Objekte kartographieren. Gelegentlich beantragte und erhielt sie auch Nutzungszeit für das Hubble-Teleskop. Das war besonders wertvoll für ihre Doktorarbeit, die sie spätestens nächstes Jahr vorlegen wollte. Ganz zufrieden war sie noch nicht damit und im Stillen hoffte sie, irgendeine Entdeckung zu machen, die ihre Arbeit von ziemlich nett zu hochinteressant aufwerten würde.


Träum weiter, Linda. Du wirst wohl kaum kleine grüne Männchen sehen, die dir durch das Teleskop zuwinken.


Andererseits war das auch nichts, woran sie wirklich glaubte. Es mochte irgendwo in den Weiten des Alls anderes Leben geben. Sie war sich sogar sicher, dass es so sein musste, aber die Entfernungen zwischen den Sonnensystemen waren so unfassbar groß, dass Besuche von fremden Planeten völlig utopisch waren. Davon phantasierten nur irgendwelche Spinner auf UFO-Kongressen, die zu allem Überfluss die Astronomie in Verruf brachten. Selbst Verwandte sahen sie gelegentlich merkwürdig an und zogen sie auf, falls sie mal über ihre Arbeit sprach – was sie nach Möglichkeit vermied.


Sie eilte zum Eingang des Observatoriums und stieß die ziemlich schwergängige Tür auf. Die Sternwarte hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel. Auch wenn die Instrumente durchaus dem neuesten Stand der Technik entsprachen, so hatte die übrige Einrichtung den morbiden Charme der Sechziger.


»Du kommst spät«, sagte ihr Kollege Caleb Gamboa, als sie ihren Arbeitsplatz erreichte.


»Hab fast einen Unfall gebaut.«


Caleb wandte sich ihr zu und schob erstaunt und besorgt zugleich seine Brille nach oben. »Bist du in Ordnung?«


»Klar. Ich wär nur beinahe von der Straße abgekommen, weil mir so ein Vollidiot mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegenkam.«


Er musterte sie. »Und du warst nicht am Tagträumen, weil dich der Gesteinsbrocken zu irgendwelchen Theorien animiert hat?«


»Quatsch. Heiße ich vielleicht Packard?«


Caleb knurrte nur etwas Unverständliches, bevor er von seinem Stuhl aufstand und seine Jacke nahm.


»Tasse!«, sagte Linda und deutete auf das gebrauchte Geschirr auf dem Schreibtisch.


»Ich weiß!«, erwiderte ihr Kollege und zeigte damit, dass er die Witze aus Airplane immer noch mochte. Leslie Nielsen hatte die aber deutlich besser rübergebracht.


»Ich meinte mit der Bemerkung, du sollst sie spülen und wegräumen gehen!«


»Nur keine Sorge, das mache ich. Unser Boss soll ja schließlich keinen Saustall hier vorfinden, wenn er übermorgen wie ein eitler Gockel herumstolziert und allen von meiner Entdeckung berichtet. ′Asteroid Glenn Packard′ – dass ich nicht lache!«


Tröstend strich ihm Linda über den Rücken. »Du hast ja schon einen Himmelskörper, der nach dir benannt ist. Lass doch unserem Chef die Genugtuung, auch etwas im All herumfliegen zu haben, was seinen Namen trägt.«


»Dann soll er sich selbst vor die Teleskope setzen und den Himmel kartographieren. Aber dafür ist er zu faul.«


»Er sorgt dafür, dass Geld in die Kasse kommt«, erinnerte Linda ihren Kollegen an die Hauptaufgabe ihres Vorgesetzten. »Du weißt doch nur zu gut, wie sehr uns die Bürokraten auf die Pelle rücken und das Budget kürzen wollen.«


»Oh ja, deswegen artet das hier auch manchmal zu einem zweiten Disneyland aus.«


Linda schmunzelte innerlich. Caleb war einer derjenigen, die Besuchergruppen als maximal störend empfanden – und dies oft genug zeigte. Packard war dann immer der ′gute Onkel′, der die Kinder tröstete und die Eltern darauf hinwies, dass der unwirsche Mitarbeiter gerade arg im Stress sei. Ihr Kollege mochte ein hervorragender Physiker sein, aber was die soziale Komponente anging, da hatte er erhebliche Defizite.


»Ich denke, ich genehmige mir im Blue Velvet noch ein paar Bierchen!«, sagte er abschließend und verabschiedete sich von Linda auf seine übliche Weise, indem er mit zwei Fingern an die Stirn tippte.


Die Tasse blieb natürlich auf dem Schreibtisch zurück.


Soll ich sie dieses Mal stehen lassen? Wenn er irgendwann keine freie Stelle auf dem Tisch findet, weil sich drei Dutzend Tassen … ach, egal. Hoffentlich denkt er daran, seinen Wagen stehenzulassen, falls es das eine oder andere Bier mehr wird.


Mit einem leisen Seufzer nahm sie das Geschirr, verschwand in der Teeküche, säuberte die Kaffeetasse und räumte sie zurück in den Schrank.


»Gern geschehen, Caleb«, murmelte sie, bevor sie sich zu ihrem Arbeitsplatz begab und die beiden Rechner hochfuhr. Sie zog eine Schublade auf und nahm etliche Papiere heraus, die neben ziemlich wirren und oft geänderten Notizen auch einen kleinen, gelben Haftzettel enthielten. Darauf hatte sie den Wochenplan kurz umrissen, der sich hauptsächlich um den Asteroiden drehte, der den Namen ihres Vorgesetzten trug – anstatt den seines Entdeckers.


Ein bisschen konnte sie Calebs Ärger nachempfinden. Es traf zwar zu, dass bereits ein Objekt seinen Namen trug, aber dabei handelte es sich um einen Steinbrocken im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Kein Vergleich zu dem Asteroiden, den es wohl aus der Oortschen Wolke in das innere Sonnensystem verschlagen hatte.


Mit einem leisen Seufzer tippte sie einige Befehle in das Programm auf ihrem Rechner. Geräusche, die aus dem Herzstück der Einrichtung kamen, zeigten ihr an, dass sich das große Teleskop neu ausrichtete und nun den Uranus ins Visier nahm. Die Zusammensetzung des Gasplaneten war schon recht gut erforscht – soweit man dies von einem Planeten sagen konnte, der rund 1,7 Milliarden Meilen von der Erde entfernt war. Deswegen war er nur noch selten Gegenstand professioneller Untersuchungen, was Linda ein bisschen schade fand. Man richtete die Blicke ständig tiefer ins All hinaus, näherte sich immer mehr dem Geschehen kurz nach dem Urknall an, vergaß aber dabei gelegentlich die unmittelbare Nachbarschaft.


Das Teleskop sandte nun die ersten Aufnahmen des Planeten und sie begab sich an die Arbeit, um diese auszuwerten.


Hoffentlich hast du dich heute für mich etwas schick gemacht.


Sie schmunzelte, weil sie sich gerade diesen riesigen Brocken vorstellte, wie er sich kämmte und eine Krawatte anlegte.


Du bist doch nicht ganz zurechnungsfähig, Linda!


»So, und wo ist nun dein kurzzeitiger Begleiter?«


Sie warf einen Blick auf die Uhr. In genau dreißig Minuten würde der Asteroid Glenn Packard den Uranus passieren und dieses Ereignis sollte natürlich ausführlich dokumentiert werden. Wahrscheinlich waren in dem Moment überall auf der Erdkugel haufenweise Teleskope auf den Gesteinsbrocken ausgerichtet. Obwohl ... eher nicht. So eine weltbewegende Sensation war es dann doch nicht. Da ließ sie sich wohl ein wenig von der Begeisterung ihres Vorgesetzten mitreißen.


Da bist du ja.


Es erfüllte Linda durchaus mit Stolz, dass ihre Berechnungen so akkurat waren. Der Asteroid zog genau auf seiner vorausberechneten Bahn zu dem …


Was ist das denn? Ein Fehler in der Aufnahme?


Ungläubig blickte Linda auf das letzte vom Teleskop übermittelte Bild. Der Brocken war nicht an der Position, wo er eigentlich sein müsste. Hastig startete sie ein weiteres Programm, mittels dessen Caleb und sie Packards Flugbahn errechnet hatten.


Sie ließ sich die Bahn anzeigen, die sie ermittelt hatten, und die am Uranus und Saturn vorbei zum Jupiter führte. Durch die wirkenden Anziehungskräfte sollte der Asteroid dann von seinem Kurs abgelenkt werden und ein paar Monate später aus dem Sonnensystem verschwinden.


Vielleicht war es ja wirklich nur ein Übertragungsfehler.


Linda nagte auf ihrer Unterlippe, während sie auf die nächste Aufnahme wartete. Sie malte sich schon aus, wie sie bei ihrem Vorgesetzten im Büro erschien und ihm beichtete, dass sie etwas falsch berechnet hatte. Natürlich würde er ihr nicht den Kopf abreißen, aber als angehende Doktorin der Astrophysik wäre es auch kein Ruhmesblatt. Jedenfalls würde sie es nicht unbedingt in ihrem Lebenslauf erwähnen.


Ping!


Das Signal kündigte das Eintreffen einer weiteren Aufnahme an. Sie sandte ein Stoßgebet an alle bekannten und unbekannten Götter, während sie die aktuelle Position des Asteroiden mit der berechneten verglich.


Scheiße!


Die nächste halbe Stunde verbrachte sie damit, auf den Bildschirm zu starren und dabei zuzusehen, wie der tatsächliche Kurs immer weiter vom vorhergesagten abwich.


Caleb sollte es erfahren. Vielleicht übersehe ich ja nur etwas.


Sie wartete noch eine letzte Aufnahme ab und betete um ein Wunder. Leider kamen diese in jüngster Zeit nicht mehr so oft vor – und auch dieses Mal blieb es aus. Sie griff zum Telefon und hoffte nur, dass sich ihr Kollege nicht schon zu viele Bierchen genehmigt hatte.


*****


»Ich hoffe, es ist wirklich so dringend!«, rief Caleb, kaum dass er das Büro betreten hatte. »Da war eine Frau, die ich gerne besser kennengelernt hätte …«


»Hier!« Anstatt näher ins Detail zu gehen, legte Linda ihm nur ihre Berechnungen und die Ausdrucke der letzten Bahn des Asteroiden auf den Schreibtisch.


Er ließ sich auf seinen Stuhl nieder und begann, die Unterlagen und Notizen zu studieren. Nach einer ganzen Weile nahm er seine Brille ab, polierte umständlich die Gläser, und setzte sie sich wieder auf die Nase.


Hat er wahrscheinlich auch aus irgendeinem Film.


»Nun?«, fragte Linda ungeduldig. »Was meinst du?«


»Es ist nicht möglich. Ich will erst einmal die neueste Aufnahme sehen, bevor ich unruhig werde.«


Sie zuckte mit den Schultern. »Kannst du gerne haben. Ich habe das Programm so eingestellt, dass es jede Minute ein neues Foto schießt und die Daten direkt für die Berechnung aufbereitet.«


Er kroch fast in den Monitor hinein, während er die letzte Kursbewegung des Asteroiden begutachtete. »Unfassbar«, murmelte er.


»Ich habe unsere Berechnung ein gutes Dutzend Mal kontrolliert, bis du gekommen bist. Es ist kein Fehler in der Formel enthalten. Da bin ich mir jetzt sicher.«


Caleb kratzte sich am Kopf. »Sieht so aus, als bliebe der Bursche noch ein wenig länger bei uns im Sonnensystem. Die Anziehungskraft des Jupiters wird ihn jedenfalls nicht aus der Bahn werfen.«


»Danach sieht es nicht aus. Ich wollte gerade anfangen, die neue Flugbahn zu berechnen.«


»Dann lass es uns angehen.«


Die nächsten zwei Stunden verbrachten die beiden Wissenschaftler damit, den Kurs zu extrapolieren und die auf den Asteroiden wirkenden Kräfte zu bestimmen. Dafür stand ihnen ein hochspezialisiertes Programm zur Verfügung, ohne das sie für die Berechnung wahrscheinlich Tage benötigt hätten. Schließlich sahen sie das Ergebnis schwarz auf weiß vor sich … und Caleb fiel der Stift aus der Hand.


»Das kann nicht sein«, stieß Linda hervor. »Wir müssen einen Fehler gemacht haben.«


Ihr Kollege nickte geistesabwesend. »Das wird es sein. Lass uns die Prozedur noch einmal durchgehen.«


Sie wiederholten den Vorgang nicht nur ein-, sondern zweimal. Und ein drittes Mal. Als es bereits drei Uhr morgens war, sahen sie das Ergebnis zum vierten Mal vor sich.


»Wir sollten besser unseren Vorgesetzten informieren«, sagte Caleb tonlos, während er auf das Blatt in seinen Händen stierte.


Linda schmeckte bittere Galle im Mund. »Ich ruf ihn an.«


 



Für den Inhalt dieser Seite ist der jeweilige Inserent verantwortlich! Missbrauch melden



© 2008 - 2024 suchbuch.de - Leseproben online kostenlos!


ExecutionTime: 1 secs