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Bücher Satire
Buch Leseprobe Nach dem Tod gleich links, Anna Buchwinkel
Anna Buchwinkel

Nach dem Tod gleich links



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Kapitel 0 – in dem der Tod eingeführt wird, damit später niemand sagen kann, er hätte nichts davon gewusst Der Tod hatte es nicht eilig. Er warf einen Blick auf seinen Monitor, griff nach der Tasse mit schwarzem Kaffee und lehnte sich zurück. Vor seinen Augen strömten Nullen und Einsen über den Bildschirm, eine Kaskade, der zuzuschauen er nie müde wurde. Die Vorsehung, versteckt in zwei Ziffern und ihren unendlichen Kombinationen und Variationen. Ein Pas de Deux von Unterschieden, Gegensätzen, von Schwarz und Weiß, von Leben und Tod, wie sie sich gegenseitig bedingten und so das Dasein ermöglichten – in all seinen Erscheinungsformen. Der Anblick drängte alle Anspannung in den Hintergrund. Es war einer dieser raren Momente, in denen es nichts zu tun gab, als das Wunder der Existenz und deren übergreifende Ordnung zu bewundern – und ein bisschen auch sich selbst. Ja, er konnte zu Recht stolz auf sich sein, hatte er es doch zum Leiter der Abteilung „Human Re-Source Management“ gebracht – und zwar in dem einzigen Unternehmen, das hundert Prozent der Weltbevölkerung zu seinen Kunden zählen konnte. Bei mehr als sieben Milliarden zukünftig zufriedener Kunden war die Arbeit heutzutage nur mit zusätzlichen Kräften zu bewältigen, und als Dienstleister musste man schließlich mit der Zeit gehen. So war eine stetig wachsende Zahl von Außendienstmitarbeitern weltweit rund um die Uhr damit beschäftigt, das auf die Erde zu bringen, was Leben erst ermöglichte: den Tod. Jeder von ihnen war ein kleines Stück dieser großartigen Kraft, abgespalten von der Essenz des Todes selbst und geformt nach den Vorstellungen der Menschen, um ihnen den Übergang zu erleichtern. Und ab heute würde ein weiterer Mitarbeiter die Reihen verstärken – genauer gesagt, in drei Minuten und siebenundzwanzig Sekunden. Für den Abteilungsleiter war es ein erhebendes Gefühl: ein weiterer Tod, der dazu beitragen würde, das großartige Werk der Vorsehung umzusetzen und damit das Gleichgewicht zwischen Werden und Vergehen zu bewahren. Vor zehntausend Jahren, ja da war das Leben für den Tod um einiges einfacher gewesen. Damals lebten weltweit nur zwischen fünf und zehn Millionen Menschen, und weil sie angenehm dosiert einer nach dem anderen starben, war keine strenge Einsatzplanung notwendig gewesen. Doch heute, in den Zeiten von Massenvernichtungswaffen und Mikrowellengerichten, kam es immer wieder zu ungleichmäßigen Belastungsspitzen. Da war eine ausgefeilte Logistik notwendig. Weil das Geschäft, wie gesagt, boomte, hatte der Vorstand nach den beiden Weltkriegen eine Gesellschaft gegründet: die Life Limited Ltd. Zeitgleich wurde mit einer neuen Dienstordnung die Dienstkleidung auf nachtschwarze Anzüge umgestellt. Doch viele der Kunden waren so entgeistert gewesen, dass man bei der nächsten Novellierung der Dienstordnung zu den Kutten zurückgekehrt war, und schließlich wurde als Accessoire sogar die Sanduhr wieder eingeführt. Nur die Sense hatte dauerhaft weichen müssen, denn im Zeitalter des Mähdreschers war sie einfach nicht mehr zeitgemäß. So arbeitete man nun nur noch mit einem kleinen Knipser, mit dem der Lebensfaden durchtrennt wurde. Das stieß erfahrungsgemäß lediglich bei ehemaligen Bahnkunden auf Unmut. In diesem Moment klopfte es, und der Abteilungsleiter kehrte mit seinen Gedanken zurück in sein Büro. Das musste der neue Mitarbeiter sein – pünktlich wie erwartet. Zufrieden strich er sich über die buschigen Augenbrauen. Dass dieser Mitarbeiter das Unternehmen ins Chaos stürzen und fast in den Ruin treiben würde, ahnte der Abteilungsleiter zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und auch von Else, die daran nicht ganz unbeteiligt sein würde, hatte er noch nie etwas gehört. Aber das sollte sich bald ändern. Kapitel 1 – in dem kein Stern vom Himmel fällt und eigentlich alles so gut anfängt Unsere Geschichte beginnt mit Else, und zwar an einem Winterabend, so kalt und einsam, dass sich nicht einmal die Füchse herauswagten, um den Hasen „Gute Nacht“ zu sagen. Else saß zu diesem schicksalsträchtigen Zeitpunkt mit einem Feldstecher auf ihrem Stammplatz, einem mit künstlichem Kuhfell heimelig hergerichteten Hochsitz. Sie nahm die Kälte gerne in Kauf, denn sie hatte einen guten Grund dafür, hier draußen zu sein: die Liebe. Das Objekt ihrer Sehnsucht war niemand anderer als Schlagersänger Bernhard Bardensiehl, den sie tagein, tagaus aus der Ferne anhimmelte. Obwohl, genau genommen war sie gar nicht so fern, denn ihr Beobachtungsposten lag in einem Waldstück, keine hundert Meter von Bernhards Berghütte entfernt, gerade so weit, dass man sie in der hereinbrechenden Dämmerung noch erkennen konnte. Als Else Bernhards samtige Stimme zum ersten Mal gehört hatte, war ihr mit einem Schlag klar geworden, wie sich Liebe anfühlte. Und nach nichts sehnte sie sich fortan mehr. Nachdem ihr Mann, ein Fleischer, sie nach einer unsäglich unromantischen Ehe verlassen hatte, hatte Else daher beschlossen, nichts weniger als die große Liebe suchen zu gehen – und das in Form von Bernhard Bardensiehl. So zog sie in eine Kleinstadt in der Nähe von Bernhards Berghütte, denn sie wusste, dass er sich oft wochenlang dorthin zurückzog, um in der Einsamkeit der Bergwelt Hits wie »Wenn auf Stein doch Rosen wüchsen« oder »Du bist meine zarteste Versuchung« zu komponieren. Um Bernhard nicht in seinem Schaffensprozess zu stören, ihm aber doch ganz nahe zu sein, besorgte Else sich eine Plane aus alten Bundeswehrbeständen, machte damit den Hochsitz im Wäldchen hinter Bernhards Haus wetterfest und richtete sich dort wohnlich ein. Neben Thermounterwäsche sowie Hand- und Fußwärmern brachte sie sogar ein Paar Kuhpuschen mit, denn bei ihren stundenlangen Beobachtungen wurde es bisweilen recht kalt, und auch die glühendste Verehrung war nur bedingt geeignet, kalte Zehen aufzuwärmen. Und so saß sie dort, Tag für Tag, Woche für Woche, und wartete darauf, einen Blick auf Bernhard zu erhaschen, ja, ihm eines Tages vielleicht sogar gegenüberzustehen und ihn anzusprechen. In dem Augenblick, in dem unsere Geschichte beginnt, fiel ein Stern vom Himmel. Eigentlich war es kein Stern, sondern ein russischer Satellit, doch Else sah nur einen hellen Lichtschweif am allmählich dunkler werdenden Firmament und hielt ihn für eine Sternschnuppe. Andächtig legte sie ihre Fäustlinge zusammen, sah dem Schweif hinterher und flüsterte: »Bitte, bitte, lass mich mit meinem Bernhard zusammenkommen.« Dann richtete sie ihren Blick auf selbigen, der just in diesem Augenblick aus dem Haus trat, eine Leiter an den Dachfirst legte und hinaufstieg, um seinen verstopften Kamin zu reinigen. Und während eben doch kein Stern vom Himmel fiel, sondern der Satellit über Burkina Faso verglühte, fiel stattdessen Bernhard Bardensiehl – seines Zeichens alternder Stern am deutschen Schlagerhimmel -, allerdings nicht vom Himmel, sondern vom Dach seiner Berghütte. Kopfüber in eine Schneewehe. Else schlug vor Schreck die Hände zusammen. Da sie Bernhard in den Wochen ihrer Wacht noch lieber gewonnen hatte, war es nicht weiter verwunderlich, dass ihr Herz einen oder zwei Schläge aussetzte, als sie ihn da so im Schnee stecken sah, zumal er sich, auch wenn der Sturz nicht tief gewesen war, nicht regte. Nach einem Moment der Erstarrung, der mit der Kälte nichts zu tun hatte, griff sie hastig nach dem Feldstecher und richtete ihren so geschärften Blick auf die Schneewehe, von der Bernhard verschluckt worden war. Die Wehe lag still wie ein weißer Wal nach dem Mittagessen. Nichts rührte sich. Jetzt gab es kein Zaudern mehr: Bernhard brauchte sie! Trotz ihrer Fülle kletterte Else behände die Holzleiter des Hochsitzes hinab und rauschte, eine Wolke weißen Schnees aufwirbelnd, den Hang zur Hütte hinunter. Schwer atmend erreichte sie die Wehe, in der sie Bernhard hatte verschwinden sehen, und wühlte sich zu ihm durch. Sie bekam einen Arm zu fassen, schaufelte weiter den Schnee zur Seite und legte nach und nach den Mann ihres Herzens frei. So behutsam wie möglich zog sie ihn heraus und bettete ihn an einer flachen Stelle in das feuchte Weiß. Er bewegte sich zwar noch immer nicht, stöhnte aber leise, was Else als gutes Zeichen wertete. Sie zerrte sich die Handschuhe von den Fingern und strich ihm zärtlich den Schnee aus dem Gesicht. Bernhards Züge waren im fahlen Abendlicht bleich. Er sah viel älter aus als in den Zeitschriften, aber sie fand ihn trotzdem wunderschön. »Bernhard?« Er reagierte nicht. Else bedauerte, in der Eile nicht die Thermoskanne mit dem Fenchel-Karotten-Eintopf mitgenommen zu haben, gehörte doch zu einer Rettungsaktion im Tiefschnee immer auch etwas Warmes und Nahrhaftes. Sie zögerte kurz, dann beugte sie sich hinab – und in Ermangelung eines heißen Tees oder einer anderen Möglichkeit, ihn aufzuwärmen, küsste sie ihn auf die schneekalten Lippen. »Ich liebe dich Bernhard«, flüsterte sie, wie schon tausendmal zuvor in ihren Träumen. Da fingen seine Lider an zu flattern, und er schlug die Augen auf. Sein Blick wanderte kurz unstet hin und her, dann sah er Else an. Direkt in die Augen – und mitten in ihr Herz. In diesem Moment wusste sie, dass sie ihn gefunden hatte – ihren Seelengefährten. Bernhard lächelte und murmelte noch immer ein wenig benommen: »Das war sehr schön.« Else fühlte ein Glück in sich aufsteigen, wie sie es noch niemals zuvor in ihrem Leben gefühlt hatte. Es war, als würden in ihrem Inneren tausend Sonnen aufgehen, und sie alle leuchteten für sie und erfüllten sie bis zum Rand mit Wärme. Zum ersten Mal spürte sie nicht nur, was es hieß zu lieben, sondern auch wiedergeliebt zu werden, spürte es bis in die kleinste Zelle hinein. Vor lauter Glückseligkeit kullerten ihr zwei dicke Tränen die Wangen herunter. »Sie haben wunderschöne Augen, Gnädigste«, flüsterte Bernhard, während er ihr in die selbigen schaute. Und so hätte die wunderbare und unglaublich romantische Liebesgeschichte von Else und Bernhard beginnen können – wenn, ja, wenn nicht doch noch alles ganz anders gekommen wäre. Denn in diesem Augenblick schwanden Bernhard die Sinne, und sie sollten für lange Zeit verschwunden bleiben. Wohin, steht in einem anderen Kapitel.


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