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Reiseberichte
Buch Leseprobe In Neptuns Schlepptau, Heidelind Clauder
Heidelind Clauder

In Neptuns Schlepptau


Vom Mittelmeer zum Nordkap

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Die Einfahrt in den Hafen allein ist schon ein Erlebnis. Der Blick vom Schiff, welches den Leuchtturm passiert hat, fällt unweigerlich auf Fort St. Elmo, einen riesigen Bau. Wenn man aber erkennt, dass außer diesem Bau mit Fort St. Angelo, Fort Ricasoli und Fort Rinella noch weitere
Bauwerke vorhanden sind, die Malta zur Verteidigung dienten, so wird schnell klar, dass das kleine Land eine wechselhafte Geschichte erlebte, die dem Land und den Menschen viel abverlangte. Und so ist es: Karthager, Römer, Araber, Deutsche, Spanier, die Ordensritter, die vielleicht die nachhaltigsten Spuren hinterließen, Franzosen, Engländer haben die Geschicke der Insel beeinflusst, bis Malta 1974 Republik wurde. Fünf natürliche Hafenbecken ergeben einen optimalen Schutz. Imposant: die Lagerhäuser am Hafen, die den Kern der Valletta Waterfront bilden.
Aber das, was am meisten beeindruckt und begeistert, ist der Anblick der weißen Häuserfront. Viele Reiseführer benutzen den Vergleich mit „Schwalbennestern“, abgedroschen, aber zutreffend. Ich empfinde den Eindruck der Gleichheit, die aber durchaus Vielfalt beinhaltet. Balkons, Fensterläden mit grünen Gittern, Dachgärten. Ich glaube, wenn man mich hier aussetzen würde, wäre ich nicht unzufrieden. Ich durfte in der Vergangenheit viel Schönes sehen – Rio mit dem Zuckerhut, die Pyramide des Zauberers, die Gobi –, alles war beindruckend, herrlich. Aber Malta ist von besonderer Qualität. Und vielleicht könnte ich den Blickkontakt mit Neptun noch gratis dazu bekommen.
Mit dem Bus geht es nach Valletta. Herrliche Aussichtspunkte, wunderschöne Gärten, pittoreske Gassen, die Straßen schachbrettartig angelegt, beeindrucken und imponieren. Mir gefällt auch, dass in der Innenstadt kein Autoverkehr herrscht. Lediglich kleine Elektro-Autos sind im Notfall zur Stelle.
Hübsch ist auch, dass die Plätze schön begrünt sind, dass unter den Bäumen sich das Leben in den Restaurants im Freien abspielt. Es ist eine heitere, ungezwungene Atmosphäre. Das Highlight auf diesem Spaziergang in glühender Hitze ist der Besuch des Großmeisterpalastes, von Gerolamo Casar 1571 begonnen, jetzt Sitz des maltesischen Parlaments.
Um den ersten Stock ziehen sich die großen, grünen Balkons, typisch für die maltesischen Häuser und vor allem die Paläste. Sie sind Überbleibsel aus der arabischen Epoche, dienen dem Schutz vor Hitze und ermöglichten es früher den Frauen, die das Haus nicht verlassen durften, am Tagesgeschehen teilzunehmen, ohne selbst gesehen zu werden.
Im Erdgeschoss vermittelt die Palace Armouri einen Eindruck von der Wehrhaftigkeit der maltesischen Soldaten und ihrer Kommandeure. Hellebarden, Lanzen, Rüstungen, Gewehre, Kanonen und Fahnen lassen einen Pazifisten – und nicht nur den – Schlimmes erahnen. Die Prunkräume der Großmeister liegen im ersten Stock, beeindruckend, aber für mich trotzdem nicht mehr. Wesentlicher und interessanter dagegen: Die Sammlung der Gobelins, die fantastische Tier- und Jagdszenen zeigen, und zwar aus der Neuen Welt. Im Diningroom, der nach den Zerstörungen im 2. Weltkrieg erneuert wurde, erinnert nur noch die große Tafel an die ehemaligen Feste. Der Große Ratssaal, nach dem gelben Brokat des Wandbehangs auch „Yellow State Room“ genannt, zeigt durch den erhöhten Sitz die Stellung des Großmeisters an. Das ganze Gebäude lässt mich für Momente vergessen, in welchem Jahrhundert ich mich befinde.
Zurück in die Wirklichkeit führt einen die dunkle Treppe mit ungleichmäßigen Stufen, die Angst vor einem Sturz mit ernsthaften Verletzungen macht. Die Fantasie aber lässt Ritter in ihren Rüstungen zum Kampf aufbrechen oder zum Turnier eilen. Man stellt sich edle „frouwen“ vor, die den siegreichen Ritter auszeichnen. Realität oder Traum – beides ist möglich – jedenfalls im Moment. Das scheint diese Reise zu provozieren. Vielleicht aber nicht bei allen.
Die Fahrt wird dadurch getrübt, dass einer der Mitreisenden, ein alter Herr aus der Schweiz, in der glühenden Hitze kollabiert. Es ist tröstlich zu sehen, wie viele Menschen sich bemühen zu helfen. Die These, dass jeder nur an sich denke, stimmt in dieser Verallgemeinerung nicht. Menschen entdecken häufig ihr besseres Ich, wenn sie erkennen, dass jemand hilflos ist. Selbst fremde Menschen, die Kellner im Café, Passanten, die zufällig Augenzeugen des Vorfalls wurden, kümmern sich um den Kranken. Das Geschehen an sich ist schlimm, die Haltung der Menschen stimmt zuversichtlich.
Ich sondere mich später von der Truppe ab, nehme ein Taxi nach Mdina. Schön, nein, schöner. Ich lasse mich treiben, sitze auf einer Brüstung über dem Meer und träume. Das Reisebüro hatte diese Fahrt als „Traumreise“ deklariert. Es stimmt, auch wenn es ganz anders gemeint war.



Ein maltesisches Märchen kommt mir in den Sinn:
Der König, der sein Wort brach
Vor langer Zeit lebte einmal ein König, der eine sehr schöne Tochter sein eigen nannte. Einst ließ er durch Ausrufer im ganzen Land verkünden: „Wer eine ganze Nacht im Winter ohne jegliche Kleidung auf der Dachterrasse meines Palastes auf und ab zu wandern vermag, der soll meine Tochter heiraten!“
Viele junge Männer unterzogen sich dieser Bedingung, aber alle erfroren. Zuletzt hörten auch drei Brüder von dieser sonderbaren Aufforderung und beschlossen hinzugehen.
Zunächst begab sich der Älteste zum König, und dieser sprach zu ihm: „Mein Sohn, bis jetzt hat noch niemand bis zum nächsten Morgen ausgehalten. Willst du die Sache trotzdem wagen?“
„Ja, ich will!“, antwortete der Jüngling und unternahm das Wagnis. Die Kälte war grimmig. Er schlug immer kräftig mit den Händen um sich, er schlug sich mit den Fäusten an den Körper, die Beine, die Füße, den Kopf, und er wurde schließlich so blau wie eine Maulbeere und stürzte hin und starb.
Man warf seinen Körper hinunter zu den Leichen der vor ihm Erfrorenen. Hierauf versuchte der zweite Bruder sein Glück. Aber soviel er sich auch an den Körper schlug und auf dem Boden hin und her kugelte, alles war vergeblich, und er erfror gleichfalls.
Schließlich unternahm der Jüngste das Wagnis. Er fing an, mit kräftigen Schritten auf und ab zu gehen. Es war grimmig kalt und dabei stockfinster. In der Ferne erblickte er einen schwachen Lichtschein, der von einem kleinen roten Laternchen herrührte. Das Licht tat seinen Augen wohl in seiner Verlassenheit, und er trennte seine Augen nicht von ihm, sondern blickte es ununterbrochen an. Das hielt ihn wach und bei Kräften, und er erlebte den nächsten Morgen, obwohl er schließlich kaum mehr stehen konnte vor Kälte.
Als er dann vor den König trat, fragte ihn dieser verwundert: „Mein Sohn, auf welche Weise erhieltest du dich am Leben?“ Der Jüngling antwortete: „Majestät, ganz in der Ferne erblickte ich das Licht einer Laterne, dies schaute ich immer an und hielt mich auf diese Weise aufrecht und wach.“ Da rief der König: „Du Betrüger, du Schurke! Darum also bist du am Leben geblieben! Am Feuer jener Laterne hast du dich gewärmt und mich hintergangen! Jetzt gebe ich dir meine Tochter nicht.“ Und damit jagte er den armen Burschen aus dem Palast….


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