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Politik, Gesellschaftskritik
Buch Leseprobe Aus der Reihe gedrängt, Justus Just
Justus Just

Aus der Reihe gedrängt



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(Die Vertreibung)


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"Herr Just, lernen Sie doch Tschechisch!", waren die gut gemeinten Ratschläge der weichherzigen Kollegen und der gut betuchten  Bahnkundschaft. Vielleicht bedachte auch der Schwiegervater den Stationsvorstand Josef Just mit diesen Worten. Die nahe stehenden älteren Mitbürger wollten nicht, dass der vornehme und pflichtbewusste Stationsvorstand einen beruflichen Abstieg erleben müsse. Aber es waren wirkungslose Floskeln; die Ursachen lagen tiefer: Josef war ein monarchistisch denkender Nationalist und hätte das Erlernen der tschechischen Sprache als sinnlos empfunden. In den damaligen Nachkriegswirren war es noch ungewiss, ob das Teschenerland den Tschechen oder den Polen zufallen würde oder gar österreichisch bleiben könnte. Zu einer Taktik hinterlistiger Schläue war der geradlinige Bahnvorstand nicht fähig. Auf der anderen Seite zeigte Josef eine scharfe kritische Einstellung zur Umwelt und war deshalb den untergeordneten Bahnarbeitern deutscher und tschechischer Nation nicht sympathisch; diese nannten ihn neidisch, aggressiv oder zynisch als ungerecht bezahlten Bevorzugten. Mit der Verschlechterung der Wirtschaft durch den Weltkrieg begann der Bahnvorstand Josef Just die Anfeindung gegen seine Person noch mehr zu spüren.


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(Pater Konrad Just, ein Kämpfer für die Gerechtigkeit)


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Aber! - War die Priesterlaufbahn von Konrad Just mit dem nötigsten Positiven ausgefüllt? Die Gramastettner mussten sich nämlich an seinen Charakter "raue Schale und heiteres Herz" gewöhnen, nachdem sein Vorgänger, Pater Balduin Wiesmayr, als Gegenteil von ihm durch forsches Vorgehen und Einschmeichlerei bei den Bürgern der gehobenen Gesellschaft volle Anerkennung erworben hatte. Konrads ungewöhnliche Anpassungsversuche ohne Diplomatie drangen als schlummerndes Element unterschiedlicher Urteilsbildungen in die Hintergedanken aller. Pater Konrad konnte in seinem Wechselspiel in heiterer und impulsiver Art den Kleinbürgern Freude schenken und den gehobenen Mittelstand verärgern. In dieser Weise war der Gesprächsstoff der Bevölkerung über Pater Just mit Ironie, Schadenfreude, Zynismus, Schmähs und begeisterter Zustimmung ausgeschmückt. Weiter wurde Pater Konrad schon frühzeitig in strittige Angelegenheiten um die Ehrenstellung zwischen dem Pfarrer Robert Keplinger und dem Bürgermeister hineingezogen. Pater Balduin Wiesmayr konnte sich aus all diesen komplizierten Fällen diplomatisch herauswinden und schaffte in seinem Talent als Geistlicher mühelos den Aufstieg auf einen gehobenen Posten im Stift. Er konnte im Gegensatz zu Pater Konrad bei den regelmäßigen Besuchen zu verschiedenen Feierlichkeiten die Ehrenbürger aus dem gegnerischen Lager des Pfarrers begeistern. Dagegen verspürte Pater Konrad unter seinen Kollegen und Vorgesetzten eine distanzierte Haltung  gegen ihn, weshalb es ihn mehr zum Volk des einfacheren Charakters zog.


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(Dr. Engelbert Dollfuß, ein Leitbild für Pater Konrad)


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Unter der Regierung Dollfuß war Konrad Just als Kooperator gesellschaftspolitisch anerkannter als bisher. Das gab natürlich den eifersüchtigen Freiberuflern - wie Händler, Gemeindearzt und Lehrer - und den Politikern auf dem Gemeindeamt Anlass zum Protest. Sie fehlten absichtlich bei der Fronleichnamsprozession, weshalb sie sich von Konrad eine wütende Meinung anhören mussten. Der Zorn des impulsiven Paters Just wurde von den freiberuflichen Ehrenbürgern erfolgreich als peinliche Angelegenheit unter die Leute gebracht. Die halbwüchsigen Knaben lachten in ihrer Unerfahrenheit über den Streit im Ort und hatten übermütig den Prozessionszug mit Steinchen beworfen. Diese ausgelassenen Bübchen entwickelten sich, ohne dass sie es selbst gemerkt oder gar gewollt hätten, zu Sympathisanten von Konrads späteren feindlichen Gegnern und Verrätern.


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(Plötzlich war der Christ mit althergebrachten Werten der Böse)


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Pater Konrad musste sich im Wirrwarr der politischen und kirchlichen Interessen mit Bürgern der gehobenen Mittelschicht, die charakterlich immer schon undurchschaubar waren, so weit auseinander setzen, dass ihm in seinem ausgeprägten Wunsch nach Ehrlichkeit die Menschenkenntnis immer mehr entschwand. Dieser Mangel endete wiederum in Meinungszwiespalt mit der zersplitterten Bevölkerung, die sich keiner Schuld bewusst war. Dieser verwirrende Vorgang mit den unscharfen Konturen der Schuldigen, Mitschuldigen und Unschuldigen belasteten ein Opfer der Vertreibung wie Pater Konrad sehr schwer. Eine schon früher getätigte harmlose und unbemerkte Anfeindung in Form von Respektlosigkeit verwandelte sich unter Adolf Hitler in Hass. Aus diesem Grund war die schwere Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Deutschnationalen, die im katholischen Rahmen immer schon miteinander wirkten, nicht zu vermeiden.


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(Konrads erster Eindruck von dem Grauen in Dachau)


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Pater Konrad wurde mit zwölf Häftlingen in einem Arrestwagen nach München gefahren. Auch der Kooperator Kagerer aus Ried war dabei. Natürlich bekamen die Häftlinge kein Frühstück, nachdem die Fahrt ohne Verzögerung um fünf Uhr früh losging. In Salzburg wurde ein kurzer Aufenthalt eingelegt. Ein begleitender Gestapo-Beamter bot den Gefangenen an, auf ihre Rechnung Lebensmittel an der Reichsautobahn nach München zu kaufen. Konrad lehnte dieses Angebot dankend ab, denn er glaubte noch immer an die Worte des Wachpersonals in Linz, das ihm zusicherte, er bekäme in Dachau eine bekömmliche Verpflegung.


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(Zuteilung zum Strafblock)


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Endlich! - Am 25. August um die Mittagszeit wurden die Geistlichen Just und Kagerer aus dem Bunker entlassen. Man bestellte sie in die Kanzlei im Arrestgebäude. Der Scharführer überreichte den Priestern die bisher eingelaufene Post, die sie während der Haftstrafe "selbstverständlich" nicht bekommen durften. Zugleich konnten die Inhaftierten noch einmal kurz in ihre Zelle zurückziehen und dort an die Angehörigen eine Karte schreiben, was Pater Konrad ohne zu zögern auch tat. Doch er durfte dabei den Inhalt nicht nach seinem Belieben wählen. Der Scharführer ging von Zelle zu Zelle und schrie hinein: "Was du zu schreiben hast, das weißt du ja: Es geht mir gut, ich bin gesund. Wehe dir, wenn du nicht ordentlich schreibst, dann bekommst du die 25 Schläge." Pater Konrad glaubte, die Strafandrohung bezöge sich auf die äußere Form des Schreibens. Aus Angst vor dem Scharführer hatte sich Konrad beim Schreiben ernsthaft zusammengenommen, wie nicht einmal in der Schule. Mit bangen Hoffnungen sah er dem Abholen des Schreibens entgegen. Doch es ging gut. Der Scharführer hatte nichts auszusetzen.


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(Für ein Jahr nach Buchenwald)


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Pater Konrad empfand die Ankunft in Buchenwald furchtbar. Es war ein regnerischer Tag. Der Ettersberg mit dem Lager Buchenwald war in Nebel gehüllt. Mühsam stampften die frisch Angekommenen über den durch Nässe aufgeweichten Boden. Konrad musste mit anderen tausend Häftlingen den neun Kilometer langen Weg vom Bahnhof in Weimar bis in das Konzentrationslager mit erhobenen Händen zu Fuß gehen. Dabei erlebte er immer wieder, wie einige Gefangenen vor ihm von Wachbeamten mit Gewehrkolben gestoßen und teilweise auch in die Postenkette gejagt wurden. Die Postenkette war eine Verbotszone. Häftlinge, die dorthin stolperten, wurden von den Aufsehern  gnadenlos niedergeschossen. Obwohl Konrad und seine Mitgefangenen sich in jämmerlichen Zustand befanden, mussten sie im Lager noch immer mit gehobenen Händen stehen. Dabei wurden sie von den Aufsehern immer wieder geohrfeigt.


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(Von der Hoheit gepeinigt)


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Koch veranstaltete im Lager das Weihnachtsvergnügen nach eigenem Geschmack. Zuvor sorgte er dafür, dass einige Häftlinge Alkohol bekamen und anschließend betrunken durch das Lager wankten. Koch bestrafte die Alkoholisierten "echt SS-mäßig" sadistisch. Er trat nach dem Abendappell ans Mikrofon und verkündete dem Lager: "Nun werde ich Weihnachten feiern!" - Daraufhin ließ Koch ein ganzes Strafkommando in der SS-Unterkunft antreten. Er befahl den Häftlingen das Abzählen. Jeder Fünfte bekam, ganz gleich ob er schuldig oder unschuldig war, die 25 Schläge. Stundenlang! - Bis in die späte Nacht hallten die Schläge am Christfest durch das Lager.


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(Die medizinische Versuchsanstalt im Konzentrationslager Dachau)


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Jedem Häftling in Dachau und in anderen Konzentrationslagern drohte das Damoklesschwert, zu medizinischen Versuchen herangezogen zu werden. Der Grund lag nicht nur im Hass der SS-Beamten auf geistliche und fremdländische Häftlinge. Vielmehr waren die von der Öffentlichkeit vergessenen Menschen vom Preis her billiger als Meerschweinchen oder weiße Mäuse. Aber man sprach dabei nie von Ungerechtigkeiten, auch wenn die Malariaversuche des Professors Schilling in Dachau die meisten Todesfälle verursachten.


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(Die Räumung des Lagers)


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Am Donnerstag, den 26. April 1945, wurde vormittags über Lautsprecher der Räumungsbefehl verkündet. Zu Mittag war das ganze Lager marschbereit. Der Lagerführer Ruprecht ließ zunächst Reichsdeutsche und Russen frei. Am Abend zog der andere Teil - unter ihnen auch Pater Konrad - los und marschierte die ganze Nacht hindurch über Allach, München und Pasing in Richtung Starnberg.


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(Beim Prozess in Dachau)


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Am Donnerstag, dem 8. November 1945, als ein kalter Nebel die Landschaft verhüllte, wurde Pater Konrad um die Mittagsstunde von einigen Amerikanern und einem Russen zum Zeugenverhör nach Dachau geholt. Man ließ Konrad nur eine Stunde Zeit, um sich auf die Reise vorzubereiten. Dann ging es mit dem Auto nach Ottensheim, wo Konrad seine Eltern über die bevorstehende Fahrt nach München informierte. In Linz wünschte sich Konrad, dass auch sein ehemaliger geistlicher Mithäftling Wöß mitkomme. Der amerikanische Offizier war damit einverstanden, aber sie trafen den Pfarrer Wöß im Pfarramt von Linz-Urfahr nicht an. Trotz langen Wartens zeigten die Amerikaner und der Russe keine Ungeduld. Sie bekamen von freundlichen russischen Offizieren, welche die Reisenden an der Donaubrücke kontrollierten, wiederholt Zigaretten angeboten.


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