Eingeständnis
Zugegeben -
die Frage: wer bin ich?
ist mir eigentlich nie
in den Sinn gekommen;
vielleicht auch deshalb,
weil ich so oft
jemand Anderer bin.
Morgens zum Beispiel,
wenn ich erwache,
bin ich die willige Lagerstatt
für meine Katze.
Schnurrend
liegt sie auf meiner Brust
und nie höre ich auf,
die seidige Wärme
ihres atmenden Fells zu bewundern.
Später dann,
noch auf der Zunge
den malzigen Rauchgeschmack
meines Lieblingstees,
bin ich der träumende Leser
des spannenden Buches.
Nach und nach
verliere ich mich zwischen den Seiten,
werde zum einsamen Mann,
der am Lagerfeuer
dem Heulen der Wölfe lauscht.
Am Nachmittag
wenn ich den Bogen spanne,
bin ich die Kraft,
die den Pfeil von der Sehne schnellt.
Sein Flug ins Ziel
wird gesteuert von etwas,
das in mir ist
seit uralten Zeiten.
Ich hüte mich,
es verstehen zu wollen.
Abends endlich,
bei vertrauten Gesprächen,
bin ich der stille Genießer
rubinroten Weines
im Kreise der Freunde.
So bin ich denn,
wechselnd nach Lust und Laune,
ganz Ohr,
ganz Auge,
ganz Zunge,
ganz Leser,
ganz Schütze ,
ganz Freund -
wie es mir gerade behagt.
Ohne präzise Antwort
und doch leidlich sorglos
sehe ich deshalb
kommenden Tagen entgegen,
obwohl ich nicht genau sagen kann,
wer ich eigentlich bin.
wie
|
Die Auswahl der Gedichte dieses Bandes umfasst eine Zeitraum von nahezu fünfzig Jahren. In dieser Zeit waren oft andere Interessen stärker; das Schreiben von Gedichten war jahrelang unterbrochen und wurde nur sporadisch, ausgelöst durch aktuelles Geschehen, wieder aufgenommen.
Da die Arbeiten nur selten datiert sind, schien es nicht sinnvoll, sie chronologisch zu ordnen. Statt dessen wurde einer losen Einteilung nach thematischen Bezügen der Vorzug gegeben.
Günther Bach, 1935 in Stendal geboren, lebt in Berlin. über seine vielseitigen Interessen gibt seine Homepage www.guenther-mac-bach.de einen Überblick.
|
"Toter Briefkasten" - ein Ort, an dem Nachrichten hinterlassen werden, deren Empfänger man nicht kennt. Dieser Buchtitel ist also völlig passend für eine kleine Sammlung kurzer Gedichte, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln, scheinen doch auch sie keinen Adressaten zu haben.
Niemand muss sich angesprochen fühlen, darf sich aber berühren lassen - so er denn den Briefkasten entdeckt und öffnet.
Konsequenterweise gliedert sich diese Büchlein in mehrere Leerungen, letztere beinhaltet Haiku mit je einem Foto.
Günther Bach, Autor der beiden Bogenschießen-Romane "Das Horn des Hasen" und
"Pfeile im Nebel" gehört zu den stillen, empfindsamen Zeitgenossen, und noch mehr als seine Romane sind die jetzt erschienenen Gedichte darum persönlich, schlicht und eigentümlich berührend.
in "Traditionell Bogenschießen", 4. Quartal 2007
|