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> Lyrik > Beim Überschreiten des Taupunkts.
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Lyrikbücher
Buch Leseprobe Beim Überschreiten des Taupunkts., Monika Littau
Monika Littau

Beim Überschreiten des Taupunkts.


Gedichte. Mit einem Geleitwort von W. Kubin

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„ich bin nicht / in diesen worten“.


Zur Lyrik von Monika Littau


 


Der Ort der Sprache ist die Dichtung. Doch sie hat nicht mehr viele Freunde. Gleichwohl gibt sie darauf wenig. Sie macht einfach weiter und ist etwas von wenigen Dichtern für wenige Leser. Lyrik setzt auf Qualität, nicht auf Quantität. Darum sind Gedichtbände schmal, darum schreiben die Poeten nur ein paar Dutzend oder ein paar hundert Poeme ihr Leben lang.


Aus chinesischer Sicht gilt diese Vorherrschaft der Minderheit für alle Kunst. Diese, wenn sie denn groß ist, bedarf nur einer einzigen Person, die hört, die sieht, die genießt.


Monika Littau schreibt streng, ihre Texte sind strikt durchkomponiert: Sie liebt den Stabreim (vgl. S. 50), sie läßt ein Gedicht gern an seinen Anfang zurückkehren (vgl. S. 8), sie wählt kein Wort zuviel und keines zuwenig. Die Dichterin schreibt moderne, keine gegenwärtigen Gedichte. Die Moderne ist noch eine Herberge für die Schönheit, die Gegenwart ist es nicht. Die Moderne hat eine Vorliebe für wenige erlesene Worte, sie poetisiert nicht den Alltag. „Schnellimbiß“ wäre ihr weder ein gemäßes Wort noch ein angemessener Gegenstand. Auch hier lesen und hören wir immer wieder von den alten Worten, die unsere Heimat sind.


Monika Littau ist Augenmensch, und so entwirft ihr lyrisches Ich eine Welt der Natur, die wir kennen und doch nicht kennen. Was zum Beispiel ist ein Taupunkt? Wir wissen, was Tau ist und auch was ein Punkt ist. Doch ein Taupunkt? Und eben dies ist es, was gute Dichtung ausmacht: Daß sie zum Innehalten zwingt, zur Frage, wer spricht, wenn das Ich nicht spricht (vgl. S. 8), was Wahrheit sei, wenn diese sich bei jeder Aktion verschiebt (vgl. S. 33), wenn der gelungene Vers den Leser eigentlich so wenig braucht wie ein Hase den Jäger (vgl. S. 26). Wolfgang Kubin, Bonn Januar 2011


 


DIE WELT (…) SO REICH1


ich bin nicht


in diesen worten


wasserworte


tropfen


die einspülen


ins offene


keine figur


ich im fluss


die rote boje auf dem wasser


tanzt im tankertakt


es springt mich an


der fisch silbrig


der vogel flach


über der oberfläche


der kormoran auf dem stein


das geklimper der muscheln


körperlos schon


ich boxe das gefühl


der kälte nieder


der hitze auch


ich bin nicht


in diesen worten


 


MOOSPOCKENDRUBBEL


flechtenblütenrund


grünspangesprenkel


rostnagelröte


der ausschlag des salpeters


die dunkle spur des wassers


und brombeergehak brombeergehak


hängt sich ins bild


immer die wand lang


über das grün das gelb


rot und grau


blickfang der augen


die grasbuckelzotteln


am unteren rand


das wurzelwerkefeu strichelt den code


kunst stein


kunst stein


augengehak


an der dichtungsfuge


am schrumpfporennass


 


 WINDFLÜCHTER


das boddenrohr beugt sich


und birken taumeln


um ihre mitte


treiben lässt sich


die möwe


ohne schrei


vom bodden zum darß


und zum meer


du träumst dir die erde


beständig


aber kein korn bleibt


hier auf dem andern


am strand


bricht ein starker stamm


knickt die kiefer


wächst endlich ein wipfel


dem schutz entgegen


windflüchter


wegweiser vom rand


kurz steht der wind


dir im rücken


landeinwärts


dann bläst vom bodden


eine brise ins gesicht


 


AQUAMARIN


im haifischbecken


bist du haifisch


oder haifischfutter


oder das wasser


oder die bläue des wassers


farbe des mantels


über das wasser gebreitet


nicht fisch


nicht fleisch


zahnlos gesichtslos


licht


 


DER MAST MALT


die krümmung der erde


in die spitze geschickt


torkelst du mit ihm


doch deine sehnsucht


geht über land


 


aus lehm bist du


nicht gemacht


gezeiten im brustkorb


reißen am festen


m rumpf


schwappt frühe erinnerung


 


nur der westwind


trägt nach osten


heißt es


und bläst dir


das haar ins gesicht


hier sind vektoren


berechenbarer räume


außer kraft gesetzt


und der horizont krümmt sich nicht


unter deinen augen


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