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Krimis & Thriller
Buch Leseprobe Endgültig!, Mathebu
Mathebu

Endgültig!


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Ist es mein Schicksal, dass ich hier in diesem Flugzeug sitze? Step by Step ließ Susanna Garcia ihren Lebensweg vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen. Den neuen Namen hatte sie bereits verinnerlicht wie die vorherigen, die sie ähnlich einem Kleidungsstück an- und auszog. Nach Stunden in monotonen Tönen begannen Wortfetzen ihr Hirn zu belagern, hielten sie von erholsamen Schlaf ab. Worte, die körperlos vereinsamten, Schwergewichte ohne Papier. Korrumpierbare Zeichen, die sie immer wieder lautlos überfielen, nicht nur in der Nacht. Strategische Überfälle ohne Echo. Mit 18 Jahren setzte sich die russische Leistungsturnerin Elena Sukerova im olympischen Dorf von Atlanta von ihrem Kader ab. Jetzt, mit 30 Jahren saß sie hier, ein Passagier, geleitet von Hass und Sorgen. Sie hatte in den vielen vorbeigezogenen Jahren Gewalt erlebt und ausgeübt. Gewalt, die niedrigste Form der Schwäche. Aber nun sollte die Zeit der dunklen Tage ein Ende haben. Sie schloss die Augen, um die Welt verschwinden zu lassen.


1


Die Passagiere quollen aus dem Flugzeug wie aus einem aufgerissenen Paket. Elena Sukerova, alias Mary Mc Donald, verwitwete Mary Blackwell, alias Susanna Inocente, seit gestern verheiratete Susanna Garcia schaute zu, wie die Fluggäste mit ihrem Gepäck den Bauch des Blechmonstrums verließen. In ihrem Kopf knetete sie die Vorstellung von einem neuen Leben, dem sie, wie auch immer, verstohlen entgegenblickte. Sie steuerte auf eine Offenbarung zu in einem Land, das allem, was sie bisher kannte, widersprach. Bewusst ergab sie sich dem Klang der Menschen, gezwungen, sich anzupassen, einzulassen auf deren Mentalität, nicht nur für den Zeitraum einer Kurzreise. Bereit, den Part der Zuschauerin abzulegen, sah sie sich im Stande, sich in die fremde Masse einzuleben, in ihrer Anonymität unterzutauchen. Ihre Wahl fiel auf Brasilien, dem großen Land, das vielschichtig und uneinsehbar ein Schlupfloch bot, wenn man den richtigen Winkel fand. Ihre Erkenntnisse fischte sie aus dem Internet, dem verfügbaren Portal, das trotz seiner Steifheit sämtliche Geheimnisse schwarzgemalt, in jegliches Bewusstsein trieb.


Nach einem Zwischenstopp in Palma de Mallorca und einem weiteren in Madrid landete sie nach 15 elend langen Stunden auf dem Flughafen Antonio Carlos Jobin in Rio de Janeiro. Im stählernen Konstrukt der Halle tummelte sich eine wogende Menschenmenge, hineingeworfen wie Konfetti, sich ballend und auseinanderströmend in alle Richtungen. Die ordnende Hand einer Ameisenkönigin schien hier vonnöten. Susanna orientierte sich, schlängelte durch die Masse, nahm das wenige Gepäck, den kleinen Koffer und den für den Notfall gerüsteten Rucksack in Empfang und schaffte sich nach draußen. Der übrige Besitz war ihr vor Tagen vorausgeeilt. Ein tiefer Atemzug blähte ihre Lunge. Den schmerzenden Blick ins grelle Tageslicht gerückt, besänftigte sie mit einer dunklen Sonnenbrille. Nach einer Ansammlung von Minuten entdeckte sie ein gelbes Taxi, das sie ca. 20 Minuten später vor ihrem georderten Hotel »Princesinha Rio«, mitten im Moloch von Rio de Janeiro ausspuckte. Das Hotel befand sich in einem eleganten Palast aus dem 19. Jahrhundert. Ein Nebengebäude mit Apartments ist an das malerische, malvenblau gestrichene Gebäude mit den aufgesetzten Giebeln angebaut. Dort hatte sie sich eingebucht, ca. 10 Minuten von der Sehenswürdigkeit Escadaria Selaron entfernt. Sie drängte nur noch der Wunsch zu essen und sich alsbald in die Federn zu kuscheln. Schlafmangel zwang sie in die Knie. An auspacken, oder duschen verschwendete sie keine Energie. Sie lächelte sich in einen Traum, der alles versprach und nichts.


Gegen sechs Uhr dreissig am nächsten Morgen scheuchte sie ihren Blick durch ein feudales Ambiente, das sie mit strahlenden Gelbtönen begrüßte. Ein herrliches Blumenbukett duftete von einem kleinen Tisch zu ihr herüber. Erst jetzt trieb sie ihre Augen an, die Räumlichkeiten in Gänze zu begutachten. Mit Befriedigung stellte sie fest, dass sie gut gewählt hatte. Über ihrem Kingsize-Bett, aus dem sie wie neu geboren erwachte, hing ein Bild vom Ipanema- Strand. Sie schob den Vorhang, der das Licht abschirmte, zur Seite, öffnete die Tür zu einem kleinen Balkon, trat in den frühen Morgen. Über in leichtem Wind wogende Palmen fiel ihr Blick auf einen glitzernden Pool, der sie zum Schwimmen und Relaxen einlud. «Später«, sagte sie, »erst muss ich duschen.« Sie schloss die Tür, begab sich in das schwarz-weiß gekachelte, elegante Bad. Während sie duschte und ihre Haare einschäumte, bemerkte sie, dass sie den Ring, den ihr Carlos, bei ihrer unprätentiösen Hochzeit angesteckt hatte, immer noch trug. Er saß eng. Sie benötigte einen Spritzer Seife ihn zu lösen und von ihrer Haut zu schieben. Am liebsten hätte sie ihn in die Toilette geworfen, aber er war teuer. Sie schleuderte ihn in die hinterste Ecke des Badezimmers. Sollte ihn ein Zimmermädchen finden und einstecken, würde sie nichts unternehmen. Es käme zu keinem Aufstand, keinem Geschrei. Für sie fände das letzte Artefakt, das sie mit dem vorherigen Leben verband, einen ordentlichen Abschluss. Nach ihrer Morgentoilette bestellte sie das Frühstück auf ihr Zimmer. Sie speiste genussvoll. Bisher war ihr Dasein getaktet, reglementiert und organisiert vom ersten Augenaufschlag bis zum Einsacken in den Schlaf. Hier in Brasilien wollte sie sich treiben lassen. Keine Regeln, keine Beschränkungen, keine Aufgaben. Müßiggang, vorerst. Ausbrechen aus einer Struktur, nicht suchen, finden lassen. Erkennen woraus ihre Träume sind. Sie öffnete ihren im Voraus gesandten, und bereits vom Hotelpersonal abgestellten Koffer, fischte die zuoberst liegende Kleidung, weiße Unterwäsche, eine grüne Hose und einen leichten, beigen Pullover heraus, zog sich an. Ein Lächeln fiel in das Gepäckstück, als sie erkannte, nach welchem Muster sie es eingeräumt hatte. Mundgerecht, ordentlich aufeinander abgestimmt. Normalerweise hätte sie die Kleidung, die sich darin zusammenkauerte, herausgenommen und fein säuberlich in einen Schrank gehängt. Jetzt überließ sie sie einem Achselzucken und begab sich auf den Weg, zum ersten Mal, die südamerikanische Metropole zu erkunden.


Eine Rezeptionistin bestellte ihr ein Taxi. Wenige Minuten zogen dahin, bis sie einsteigen konnte. Sie hatte sich eingelesen, wusste, dass der Name Rio de Janeiro wörtlich übersetzt »Fluss des Januar«, bedeutet. Bevor sie die Entscheidung traf in das fünft größte Land der Erde einzutauchen, hatte sie schon einige Kontinente bereist. Australien löste in ihr das Verlangen nach »mehr Sehen« aus. Ibiza, in dessen Schoß sie schließlich heimisch wurde, dessen Herzlichkeit sie dennoch mit drei Morden beschmutzte, wurde ihr zu heiß. Sollte es zu Nachforschungen nach den vermissten Mädchen kommen, oder Juan Carlos, ihr Ehemann, der zumindest Helfer bei der Entsorgung einer Leiche war, derart das schlechte Gewissen bedrängen, dass er nur noch den Ausweg sah, sie hinzuhängen, sie, die für alle, die sich in ihrem Dunstkreis aufhielten, den Teufel symbolisierte, wäre es zu spät. Also ging sie, kurz nachdem das falsche »Ja« bei der standesamtlichen Trauung ihren Lippen entfleuchte, in die Offensive und verschwand.


2


Seitdem ist fast ein Jahr vergangen. Susanna bedrängten immer wieder Schatten aus ihrer Vergangenheit. Lange Zeit vergrub sie sich in ihrem Apartment, führte ein ängstliches Einsiedlerleben. Erst am Abend, in den gefährlichsten Stunden, traute sie sich hinaus. Im Hotel spekulierten die Angestellten über den unsichtbaren Gast. Dem Impuls die innere Zerstörung weiter zu betreiben, musste sie ein Ende setzen. Ihren nihilistischen Gedanken schrie sie ein aggressives »Stopp!«, entgegen. »Schluss mit den alten Gespenstern. Ich bin viel zu lange in der Zeit zurückgesprungen. Jetzt ist Sightseeing angesagt«, bekräftigte sie ihre Erkenntnis verbissen. Sie raffte sich auf, endlich in die Öffentlichkeit zu gehen. Bisher deutete nichts daraufhin, dass nach ihr gesucht wurde. Die Sprache des Landes kam ihr gut zu pass. Spanisch be- herrschte sie fließend, Portugiesisch wollte sie bei Land und Leuten lernen. Außerdem sprach sie Englisch und Russisch. Sprachen, mit denen sie sich im Notfall helfen konnte. »Habla Español?«, fragte sie den Taxifahrer. Er bejahte. In seinem Pergament zerknitterten Gesicht zeigte er ein breites Grinsen. Durch mehrmaliges Kopfnicken bekräftigte er seine Aussage. »Mein Name ist Susanna Garcia«, begrüßte sie ihn. »Zeigen Sie mir bitte die Sehenswürdigkeiten ihrer Metropole.«


Sie buchte ihn erstmals für den ganzen Tag. Er sollte ihr Reiseführer sein. Der ausgehandelte Preis stieg beachtlich in die Höhe, für Susanna wie Peanuts empfunden, für den Mann, der sich mit »Raul da Santos« vorstellte, fast ein Monatseinkommen. Er gab sich beflissen, fuhr mit ihr zuerst zur weltberühmten Christusstatue. Da sie das Wetter an diesem Tag nicht nur mit Hitze, sondern auch mit Klarheit verwöhnte, wollte sie direkt auf den Corcovado. Raul empfahl ihr, von Cosme Velho aus die Bergbahn zu benutzen. »Mit dem Taxi bis nach oben zu fahren, ist mir nicht erlaubt«, sagte er und erklärte, »bei den zu zahlenden 65 Real, das entspricht rund 16 Euro, ist der Eintritt bereits eingeschlossen. Ich warte in einem Café am Fuße des Berges, bis sie wiederkommen.« Sie kamen überein, dass Raul erst nach Wiederankunft an ihrem Hotel das Fahrgeld erhalten würde. Auf die Weise wähnte sich Susanna auf der sicheren Seite, dass er nicht einfach verschwand. Gut, dass das Licht recht früh aus der Dunkelheit glitt. Der Zeiger ihrer Uhr schlich gemächlich auf die Zahl Neun zu. Sie ergatterte ein Ticket für die, auch jetzt schon, vorwiegend von Touristen bis in den letzten Winkel besetzten Bahn. Auf dem 704 Meter hohen Granithügel Corcovado fühlte sie sich in Gegenwart der monströsen, 38 Meter hohen Christusstatue unbedeutend und winzig. Der überwältigende Ausblick von hier oben eilte über eine Flut von Gebäuden und landete überraschend am berühmten Zuckerhut. Sie sog das Bild auf, sperrte es mit tiefen Atemzügen in sich ein, um es heraufzubeschwören, sollten wieder einmal widrige Zeiten in einer Ecke lauern. Den Anflug von Nostalgie bezwang sie gerade noch rechtzeitig. Sie kehrte um, fuhr mit der Bahn nach unten. Schon von weitem entdeckte sie Raul, der es sich auf einer Mauer gemütlich gemacht hatte und dabei war, ein Brötchen zu verspeisen. Sofort eilte er ihr kauend, entgegen. Im Mundwinkel hing ein Krümelchen Brot. Mayonnaise tropfte von seinem schlecht rasierten Kinn. Er sah auf den ersten Blick nicht vertrauenserweckend aus, aber seine freundlichen Augen machten die Unzulänglichkeiten wett. Sie konnte sich auf ihn verlassen. Das war mehr wert, als die Summe der Vorurteile. »Na, wie fanden sie es da oben? Hat es Ihnen gefallen?« Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, und zeigte seine gelb verfärbten Zähne. »Ich bin sehr beeindruckt von der Statue und der außergewöhnlichen Aussicht. Wunderbar, einfach wunderbar. Wissen Sie was, der Tag ist noch jung, was empfehlen Sie mir als Nächstes? Ich möchte so viel wie möglich von ihrem Land sehen. Zeigen Sie mir bitte, was für Sie bedeutsam ist.« Raul fühlte sich geschmeichelt, weil sie ihm die Entscheidung der Besichtigungen überließ. »Wir könnten zur »Avenída Rio Branco« fahren, und ich zeige Ihnen das neuklassizistische »Museu Nacional«. Am Südende der Avenida liegt der eindrucksvolle Parça Floriano mit Cinelandia auf der einen Seite. Cinelandia ist ein lebhaftes Viertel mit Bars, Cafés und Kinos. Dort können Sie hervorragend essen und trinken. Ich empfehle Ihnen einen eisgekühlten Acai. Das ist ein Mus aus südamerikanischen Beeren mit Granola und süßer Kondensmilch, gekrönt mit einer Schicht Erdnüssen. Super lecker, sage ich Ihnen. Auch unser Caipirinha ist weltberühmt, das wissen Sie bestimmt. Wo möchten Sie hin?« »Fahren Sie einfach los, es ist Ihre Heimat. Sie kennen sie am besten.« Raul zuckte unwillkürlich mit dem linken Auge, wenn sich sein Mund auf die Reise zu einem Lächeln begab. Susanna ließ sich bereitwillig auf die Freundlichkeit des einfachen Mannes ein. Trotz fehlender Attraktivität verkörperte er den perfekten »Simpatico.« Dieses Wort bezieht sich in Brasilien auf soziale Eigenschaften, wie nett, freundlich, gutmütig, lustig. Die Cariocas von Rio de Janeiro geben sich Mühe Fremden zu helfen. Susanna, die aus der Kälte Russlands stammte, wärmte sich bereitwillig an der Liebenswürdigkeit der Südländer. Mit ihnen machte sie bisher die besten Erfahrungen. Aber sie musste zugeben, dass sie sich dessen nicht unbedingt, oder nur bedingt, würdig gezeigt hatte. Das sollte sich nach Möglichkeit ändern. Nie mehr morden. Leben und leben lassen, so ihre neue Devise. Ob ihr das gelingt?


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