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Krimis & Thriller
Buch Leseprobe Das Gefühl von Leichenkälte, Dania Dicken
Dania Dicken

Das Gefühl von Leichenkälte


Libby Whitman 19

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Prolog


 


Schmerz war alles, was sie kannte. Er war immer da. Überall. In den verschiedensten Formen und Stärken. 


Es gab körperlichen Schmerz. An den konnte man sich gewöhnen, denn er hörte wieder auf. Das Pochen, wenn sie sich eine Ohrfeige gefangen hatte, ließ schnell nach. Was länger weh tat, war das Brennen zwischen den Beinen, wenn Dean wieder Liebe mit ihr machte.


So nannte er das. Sie hatte vergessen, wann es angefangen hatte, aber er hatte ihr immer wieder gesagt, dass es sein musste. Dass es gut war. Sie hatte sonst nie jemanden fragen können, ob das stimmte. Er hatte es ihr verboten, hatte ihr gesagt, dass sie dann riesigen Ärger bekäme. 


Sie hatte es ihm geglaubt. 


Was am längsten hielt, war der Schmerz in ihrer Seele, der kam, wenn er sie beschimpfte. Wenn er getrunken hatte und ihr an den Kopf warf, dass sie hässlich und dumm war und eine kleine Schlampe, die kein Glück verdiente. In solchen Momenten wünschte sie sich Mum und weinte dann, wenn ihr klar wurde, dass Mum nicht mehr da war. Nie mehr. 


Doch damit konnte sie jetzt besser umgehen. Inzwischen traf es sie nicht mehr so sehr, wenn Dean sie wieder beleidigte und demütigte. Sie hatte so etwas wie einen unsichtbaren Panzer errichtet, der sie vor Deans Attacken beschützte. Dann fühlte sie gar nichts, war innerlich wie taub. Dadurch verschwand auch die Angst.


Angst kannte sie nicht mehr. Das war vorbei. Die musste sie auch nicht mehr haben. 


Die hatten jetzt andere. 


 


Freitag, 23. August


 


„In den letzten zwanzig Wochen haben Sie unter Beweis gestellt, dass Sie zu den Besten der Besten gehören. Sie haben unzählige Paragrafen und Gesetzestexte gelernt, haben sich mit der Psychologie des Verbrechens beschäftigt, Fallstudien betrachtet – und Sie haben trainiert. Hart trainiert. Das alles haben Sie getan, weil Sie im Dienste unserer wunderbaren Nation stehen wollen. Sie glauben an das Gute im Menschen, ohne zu vergessen, dass es auch das Böse gibt. Sie sind jetzt befähigt, als Bundesagenten eigenständig zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass die Bürger unserer Nation sicherer leben können.“ 


Applaus erfüllte den Raum. Als die ersten im Publikum aufstanden, erhob sich auch Libby. Owen wirkte peinlich berührt, aber er stand auch nicht gern im Mittelpunkt. Dabei hatte er allen Grund, stolz auf sich zu sein, denn er hatte die Ausbildung an der FBI Academy mit Bravour gemeistert und würde jetzt von FBI Director Stanley Burns seine Dienstmarke ausgehändigt bekommen.


Libby wusste, dass Burns nach Möglichkeit immer persönlich anwesend war, wenn neue Agents ihren Abschluss machten. Schaffte er es nicht, schickte er mindestens den stellvertretenden Director, aber heute war er selbst vor Ort. 


Die Absolventen wurden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen. Adam, DJ und Amaya waren weit vor Owen an der Reihe, doch endlich war es so weit. 


„Special Agent Owen Young“, las der Assistent des Directors vor und Owen ging nach vorn. Libby strahlte übers ganze Gesicht und lachte, als DJ begeistert auf zwei Fingern pfiff. Von der Seite konnte sie sehen, dass Owen kurz grinste, aber als er bei Director Burns auf der Bühne stand, hatte er sich wieder im Griff. Der Director schüttelte ihm die Hand, überreichte ihm die Dienstmarke und posierte kurz mit ihm für ein Foto, das ein eigens dafür abgestellter Fotograf von ihnen schoss. 


In diesem Moment wirkte Owen verdammt stolz und strahlte eine große Selbstsicherheit aus. Er war dort, wo er sein wollte. Noch vor einem halben Jahr hatte es sich nicht so angefühlt, da war noch alles in der Schwebe gewesen und vom Gefühl her der Niederlage näher als dem Sieg. Owen hatte nicht nur seinen Job beim MPDC, sondern auch fast sein Leben verloren. Libby wusste, was für ein Glücksfall es war, dass er wieder gesund war und jetzt beim FBI die Chance bekam, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. 


Owen verließ die Bühne mit seiner Dienstmarke in der Hand. Er hatte sich in Schale geworfen und trug seinen besten Anzug, der ihm wirklich verdammt gut stand. 


Nach ihm waren nur noch zwei weitere Rekruten an der Reihe und als auch sie ihre Ehrung entgegengenommen hatten, war der offizielle Teil der Veranstaltung vorüber. Im Vorfeld hatten Owen und seine Kameraden beschlossen, ihren Abschluss in einer Bar in Dale City zu feiern, deshalb machten sie sich gleich dorthin auf den Weg. 


„Kommt Amaya mit?“, fragte Libby, nachdem sie ins Auto gestiegen war. 


„Ja, das schon. Ich weiß, dass sie heute Morgen ihre neuen Papiere bekommen hat, aber das will sie sich heute nicht nehmen lassen“, erwiderte Owen. 


Libby nickte verstehend. An Amayas Stelle hätte sie ähnlich gehandelt. 


Zwanzig Minuten später waren sie am Ziel angekommen und kurz darauf trafen auch die anderen ein. Es war bereits später Nachmittag und die Bar hatte gerade geöffnet, deshalb gingen sie hinein und sicherten sich einen guten Tisch. Sie waren die ersten Gäste. 


„Endlich – ich kann es nicht fassen“, sagte DJ und ließ sich demonstrativ in seinem Stuhl hängen. „Ich will diese Seminarräume und vor allem die Yellow Brick Road nie wieder sehen!“ 


„Ich auch nicht“, stimmte Adam ihm zu. Sie wurden von der Kellnerin unterbrochen und gaben ihre Bestellung auf. Amaya bestellte sich einen alkoholfreien Cocktail, worin Libby sich ihr anschloss. Auf sie wirkte Amaya in diesem Moment etwas unsicher, was sie aber auch aufgrund ihrer Gesamtsituation verstehen konnte. 


Vor etwa zwei Monaten war Owen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, als Amaya beinahe von ihren Brüdern verschleppt worden wäre. Das Ziel: Eine Zwangsheirat in Pakistan – oder der Tod. Beides hatte Owen verhindert, indem er Amaya verteidigt hatte. Leider hatte er dabei auch ihren Bruder Hamza erschießen müssen, was für ihn folgenlos geblieben war – aber ihr zweiter Bruder Nadeem war noch auf freiem Fuß und hatte seine Schwester weiter mit dem Tod bedroht. Anfangs hatte Amaya für einige Tage bei Libby und Owen übernachtet, war dann aber in die FBI Academy zurückgekehrt. Seitdem hatte sie sie so gut wie nie verlassen, denn dort war sie sicher – aber das änderte sich jetzt. 


„Owen sagte mir, du hast vorhin deine neuen Papiere bekommen?“, richtete Libby sich an die junge Agentin. 


Amaya nickte. „Ja. Ganz schön seltsam, dass ich nun unter neuem Namen leben soll.“ 


„Ist das denn wie im Zeugenschutzprogramm?“ 


„Nein, nicht ganz. Es ist ja im Idealfall nur vorübergehender Natur ... so lange, bis Nadeem gefasst ist. Wo auch immer er sich herumtreibt.“ Amaya rollte mit den Augen und seufzte. 


„Blöde Situation“, sagte Libby. 


„Allerdings. Aber du weißt ja, wie das ist. Du hattest das ja schon so ähnlich.“ 


Libby lachte kurz. „Ja, stimmt. Bei mir zog sich das auch über vier Monate und ist trotz aller Vorsicht total eskaliert, wie du weißt ... das bleibt dir hoffentlich erspart.“ 


„Das hoffe ich auch. Leider sieht es ja nicht danach aus, als wäre Nadeem zwischenzeitlich mal zur Vernunft gekommen.“ 


Libby nickte. Sie wusste, dass ihr Bruder Amaya immer wieder gedroht hatte – nicht persönlich, weil er nicht an sie herankam, sondern nur auf seinem Facebook-Profil. Allerdings machte es das nicht besser. 


„Und wie soll es jetzt beruflich weitergehen? Darfst du überhaupt darüber reden?“ 


„Ja, sicher ... wie gesagt, es ist nicht wie im Zeugenschutz. Sie haben mir heute den Vorschlag gemacht, dass ich mit in Owens Abteilung komme.“ 


Überrascht zog Libby die Brauen hoch. „Und, willst du das machen?“ 


„Ich denke, schon. Sie hätten mich natürlich am liebsten in der Abteilung, die auch islamistische Gefährder beobachtet, aber da würde Nadeem mich natürlich zuerst suchen. In der Abteilung für Kinderpornografie sucht er wohl nicht unbedingt.“ 


„Wollten sie dich nicht in einen anderen Bundesstaat versetzen?“


„Doch, den Vorschlag haben sie mir gemacht. Aber das will ich nicht. Ich betrachte das gerade als vorübergehende Maßnahme. Um Islamismus-Themen kann ich mich auch jetzt in Washington schon inoffiziell kümmern und wenn alles ausgestanden ist, will ich auch wieder unter meinem richtigen Namen leben – und vielleicht auch die Abteilung wechseln. Aber für den Anfang ist es so wohl am besten.“ 


„Worüber redet ihr gerade?“, fragte Owen, der Amayas Blick auf sich spürte. 


„Über dich“, erwiderte sie und lachte. „Zumindest teilweise.“


„Ach so?“ 


„Ich bin vorhin noch nicht dazu gekommen, dir zu sagen, was heute Vormittag beschlossen wurde.“ 


„Nein. Erzähl.“ 


„Ich habe mich mit der Rekrutierungsabteilung darauf geeinigt, unter meinem neuen Namen mit in deiner Abteilung zu arbeiten.“ 


Owen machte ein überraschtes Gesicht. „Bei mir?“ 


„In der Hoffnung, dass du einverstanden bist ... ich wollte mit dir noch darüber sprechen, das war mir lieber, als dass die es tun.“ 


„Wieso das?“ 


„Weil sie ein wenig darauf setzen, dass du dann auch ein Auge auf mich hast ... und ich weiß, dass das viel verlangt ist. Ich wollte dich persönlich fragen, ob du dazu überhaupt bereit bist.“ 


„Puh“, machte Owen und lachte verlegen. „Ja, natürlich bin ich das. Ich meine, ich war auch schon zur Stelle, als deine Brüder da im Wald aufgekreuzt sind. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Und da ich vorhin mit halbem Ohr zugehört habe, würde ich dir darin zustimmen, dass es ja bestenfalls nur vorübergehend ist.“ 


Amayas Augen begannen zu leuchten. „Das ist wirklich okay für dich?“ 


„Selbstverständlich. Ich habe ähnliche Situationen schon mit Libby erlebt. Eigentlich könnte ich zwar drauf verzichten, das zu wiederholen, aber wir bekommen das schon hin.“ 


Libby sagte nichts dazu, denn sie stand der Angelegenheit mit gemischten Gefühlen gegenüber. Sie war stolz auf Owen und fand, dass ihn seine Einsatzbereitschaft sehr ehrte, aber sie hoffte auch, dass sich das nicht rächte und ihn irgendwie in Mitleidenschaft zog. 


Ihre Getränke wurden gebracht und plötzlich zeigte Amaya Libby unter dem Tisch einen aufgeschlagenen Reisepass. Libby erkannte ein Foto von Amaya, doch der Name, auf den der Pass ausgestellt war, lautete Samina Rahman. 


„Also fortan Samina?“, fragte Libby. 


„Ein eigenartiges Gefühl, finde ich. Aber ja, so wird es jetzt erst mal sein. Ich habe jetzt auch zwei Dienstausweise, einer auf jeden Namen.“ 


„Das ist doch gut.“ 


„Ja, finde ich auch. Mal sehen, wie es weitergeht. Ich habe jetzt eine Wohnung drüben in Arlington und werde sehen, dass ich mit meinem ganzen Zeug morgen dort einziehe.“ 


Libby bot ihr Hilfe an, doch Amaya lehnte ab. Sie war zuversichtlich, damit allein zurechtzukommen. 


Die Männer ergingen sich derweil in Geschichten aus ihrer Ausbildung und sie überlegten, sich etwas zu essen zu bestellen, als die Tür aufging und Julie und Kyle die Bar betraten. 


„Hallo, alle zusammen“, sagte Kyle und begrüßte sie nacheinander mit Handschlag. Auch Julie hieß sie willkommen und beglückwünschte sie herzlich zur bestandenen Abschlussprüfung. Nachdem sie Owen umarmt hatte, musterte er sie neugierig und nickte anerkennend. 


„Wird ja langsam“, sagte er und meinte ihren Bauch. 


„Ja, klar. Es ist ja auch schon Halbzeit“, erwiderte Julie und lächelte. Libby freute sich sehr darüber, ihre Freundin so glücklich zu sehen und fand, dass die Schwangerschaft Julie ganz ausgezeichnet stand. 


Sie rückten zusammen, so dass genug Platz für alle war. Libby freute sich, dass die beiden gekommen waren, um mit ihnen zu feiern und dachte kurz an Emma, die gerade mit Gracie zu Hause saß und nicht dabei sein konnte, doch sie hatte behauptet, dass das nicht so schlimm sei. 


„Vor dir bin ich ja ab sofort nirgends mehr sicher“, sagte Kyle mit Augenzwinkern zu Owen. 


„Nein, jetzt wirst du mich absolut nicht mehr los! Könnte ja auch gut sein, dass sich Schnittpunkte unserer Arbeit ergeben.“


„Sicher ... Kinderpornografie ist für mich mit das Schlimmste und ich ziehe meinen Hut vor dir, dass du dir das echt antun willst. Das kann ich mir irgendwie überhaupt nicht vorstellen. Vor allem nicht, wenn ich demnächst selber Vater bin ...“ 


Owen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob es das noch schlimmer macht. Klar ist aber, dass jemand diese Arbeit machen muss. Ich halte sie für absolut wichtig und sinnvoll.“ 


„Das auf jeden Fall, keine Frage! Trotzdem ist das kein Pappenstiel. Ich hoffe, das wird alles so, wie du es dir vorgestellt hast.“ 


„Das klappt schon. Wir haben ja auch regelmäßig Supervision.“ 


Amaya wollte sich schon ins Gespräch einklinken, doch da wurde die Tür geöffnet und herein kam Benny Morgan. Owen stand auf und ging ihm entgegen, um ihn willkommen zu heißen. 


„Hey ... wie schön, dass du gekommen bist! Das weiß ich wirklich zu schätzen“, sagte Owen zu seinem früheren Kollegen. 


„Na klar! Hey, zeig mal deine Dienstmarke, darauf freue ich mich schon den ganzen Tag“, sagte Benny. Owen machte einen Schritt zurück, denn inzwischen hatte er die Dienstmarke schon am Gürtel befestigt. Benny betrachtete sie eingehend und nickte anerkennend. 


„Als ich Correll heute gefragt habe, ob ich früher wegkann, wollte er natürlich wissen, warum. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich mit dir den bestandenen Abschluss feiern will, was auch einige Kollegen mitbekommen haben – die Gesichter hättest du sehen sollen! Das war absolut göttlich.“ 


Owen grinste breit. „Das kann ich mir gut vorstellen. Die sind bestimmt geplatzt.“ 


„Sie waren kurz davor! Das ist einigen wirklich ein Dorn im Auge, dass ausgerechnet du als Störenfried jetzt beim FBI bist.“ 


„Karma, würde ich sagen“, erwiderte Owen schulterzuckend und lachte. 


„Da hast du absolut Recht.“ Benny setzte sich und bestellte etwas zu trinken, dann sagte er: „Ich bin ehrlich: Du fehlst mir. Ich habe ganz lange gedacht, es war richtig, dich in deiner Aussage nicht zu unterstützen, weil ich ja gesehen habe, welche Konsequenzen es für dich hatte. Dabei hätte ich es gerade deshalb tun müssen. Dass du jetzt nicht mehr da bist, geschieht mir sozusagen recht ... das habe ich mir selbst eingebrockt.“ 


„Mir tut es auch leid“, sagte Owen. „Dich zum Partner zu haben war ein absoluter Glücksfall und ich muss zugeben, dass du ja nicht Unrecht hattest. Ich hatte auch Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob es wohl so sinnvoll war, mich allein gegen alle zu stellen. Du hast das realistischer eingeschätzt als ich, da muss ich ehrlich sein. Klug wäre es wohl gewesen, mit dir zu sprechen, bevor ich allein zu Correll gegangen bin.“ 


„Ich weiß nicht ... ich hätte wahrscheinlich versucht, es dir auszureden. Keine Ahnung, ob ich da den Mumm gehabt hätte, dich zu unterstützen.“ 


„Es sollte da gar keinen Mumm brauchen“, sagte Kyle. „Das ist ein Fehler im System. Ich bin froh, dass es letztlich ein gutes Ende für Owen genommen hat.“ 


„Und ich erst“, stimmte Libby ihm zu. 


„Wann ergeht denn das Urteil gegen Brogan?“, fragte Kyle. 


„Die Urteilsverkündung ist in zwei Wochen angesetzt. Da wäre ich gern dabei“, sagte Owen, was Libby gut verstehen konnte. Erst zwei Wochen zuvor waren sowohl Owen als auch Benny als Zeugen vor Gericht gewesen, um gegen Gerry Brogan auszusagen. Owen war Hauptbelastungszeuge, zumal Brogan auch auf ihn geschossen hatte, aber diesmal hatte er die Unterstützung von Benny bekommen, die zuvor gefehlt hatte. Owen hatte auch darauf verzichtet, eine Zivilklage gegen Brogan anzustrengen, weil er der Ansicht war, dass die Strafe, die ihn erwartete, empfindlich genug ausfallen würde. Er wollte nichts von Gerry Brogan, er wollte einfach nur seinen Frieden. 


„Wie kommst du denn mit deinem neuen Partner zurecht?“, erkundigte Libby sich bei Benny. 


„Es ist okay, aber er ist eben nicht wie Owen. Wir kommen gut miteinander aus – er kennt auch die ganze Geschichte, die habe ich ihm irgendwann erzählt. Steve hatte ja mit der Angelegenheit nichts zu tun, die ganze Abteilung wurde durchmischt und er kommt aus Detroit, ist also gänzlich unbefangen – und selbst einiges gewohnt.“


„Hat er denn in den Medien nichts mitbekommen?“, fragte Julie. 


Benny schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. Steve hat sich hinterher über die Sache informiert und tatsächlich würde er dich gern mal kennenlernen, Owen.“ 


„Ehrlich?“ Das überraschte Owen sichtlich, aber schließlich nickte er und sagte: „Warum eigentlich nicht. Es spricht ja nichts dagegen.“ 


„Ich kann mich ja mal mit ein paar Terminvorschlägen melden, dann gehen wir zu dritt was trinken.“ 


Damit war Owen einverstanden. Sie saßen fast den ganzen Abend gemütlich zusammen, ließen es sich gut gehen und redeten. Auf dem Heimweg setzte Libby sich hinters Steuer, denn Owen hatte sich zur Feier des Tages ein wenig Bier gegönnt. Betrunken war er nicht, im Gegenteil – er war eher nachdenklich. 


„Ist es eigentlich okay für dich, dass ich Amaya vorhin zugesagt habe?“, fragte er. „Ich würde verstehen, wenn du Bauchschmerzen deshalb hättest.“ 


„Ja ... aber nicht mehr als wegen der Tatsache, dass du jetzt FBI-Agent bist und vorher Polizist warst. Wir führen beide kein langweiliges, risikoarmes Leben und wenn du Amaya helfen kannst, dann mach das. Das fällt doch gar nicht weiter ins Gewicht.“ 


Ungläubig sah Owen sie an und schüttelte grinsend den Kopf. „Du bist unglaublich.“


„Wieso? Das ist doch eine Tatsache. Wir machen beide gefährliche Jobs. Nadeem El Hamoud beunruhigt mich da nicht nennenswert.“ 


„Der hätte jeden Grund, wütend auf mich zu sein. Ich habe seinen Bruder erschossen.“ 


„Ja, aber das hat nichts damit zu tun, dass du ein Auge auf Amaya haben kannst. Selbst wenn du das nicht tun würdest, hättest du Hamza El Hamoud erschossen. Das lässt sich ja nicht mehr ändern – und bislang sieht es ja nicht so aus, als würde er sich für dich interessieren.“ 


„Nein, warum auch immer ...“ 


„Ich glaube, er projiziert seine ganze Wut auf seine Schwester. Für ihn wird Amaya an allem schuld sein. Er will sie bluten sehen für das, was passiert ist – insofern ist es sicher ganz gut, wenn jemand ein Auge auf sie hat.“ Libby wandte kurz den Blick von der Straße zu Owen und lächelte, was er erwiderte. 


„Du hast Recht. Danke“, sagte er und griff nach ihrer Hand, die sie fest drückte. Im Augenwinkel sah Libby, wie Owens Dienstmarke an seinem Gürtel im Licht der vorüberhuschenden Straßenlaternen aufblitzte. Er hatte jeden Grund, diese Marke jetzt mit Stolz zu tragen – und auch Libby war verdammt stolz auf ihn. Er ließ sich niemals vom rechten Weg abbringen. 


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