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Fantasy Bücher
Buch Leseprobe The Witches, Amanda Frost
Amanda Frost

The Witches


Dark Love (Teil 3)

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Kapitel 1

 


Shadow


 


Seit Tagen herrscht eine unerträgliche Hitze in New York City, die sowohl Einwohner als auch Touristen an ihre körperlichen Belastungsgrenzen bringt. Die Luft flimmert in den Straßenschluchten, während es vielerorts nach geschmolzenem Asphalt riecht. Das Rauschen der unzähligen Klimaanlagen erfüllt Tag und Nacht die Umgebung. In Verbindung mit dem Straßenlärm macht das die Anwohner noch hektischer und aggressiver, als sie es ohnehin schon sind.


Ein Geschöpf wie ich, das der Hölle entstammt, spürt diese Temperaturen jedoch nicht einmal. Entspannt sitze ich auf einer Bank im Central Park und beobachte die leicht bekleideten Frauen, die vorbeispazieren.


Dass mich niemand sehen kann, ist für gewöhnlich von Vorteil. Manchmal würde ich mir allerdings wünschen, es wäre anders. Denn leider bin ich nicht in der Lage, mich mit einer dieser Schönheiten zu vergnügen. Und bei der vielen nackten Haut, die hier zur Schau gestellt wird, kommt selbst ein jahrhundertealter Dämon wie ich auf unanständige Gedanken.


Natürlich habe ich hin und wieder Sex. In erster Linie mit Dämoninnen, mächtigen Hexen oder anderen paranormalen Kreaturen, die mich als Person wahrnehmen können. Die meisten Geschöpfe erblicken in meiner Gegenwart nämlich nur eine schattenhafte Gestalt, was mir im Laufe der Zeit den Namen Shadow eingebracht hat.


Zugegeben, ich habe mich auch schon auf den einen oder anderen Engel eingelassen, nur um hinterher frustriert festzustellen, dass ich einfach nichts mit diesen geflügelten Wesen gemein habe. Demzufolge meide ich sie in letzter Zeit so gut wie möglich.


„Hallo, Shadow!“, reißt mich in diesem Moment eine dunkle Stimme aus meinen Gedanken.


Überrascht blicke ich auf, als eins dieser himmlischen Geschöpfe neben mir auf der Parkbank Platz nimmt. Bedauerlicherweise handelt es sich dabei nicht um eine hübsche junge Frau, sondern um einen mir wohlbekannten Erzengel, der mir schon häufiger den letzten Nerv geraubt hat.


Ein Seufzen entfährt mir. Sein Auftauchen hat sicher nichts Gutes zu bedeuten.


„Hi, Michael“, begrüße ich den attraktiven blonden Typen in der hellen Kleidung. „Sag mir, dass auch du das schöne Wetter genießt und nicht hier bist, um mir einmal mehr vorzuwerfen, ich hätte meinen Job nicht im Griff.“


Er lacht leise, während sein Blick sich auf den strammen Hintern einer hübschen Blondine in Shorts richtet, die uns soeben passiert. „Ja, die Sommerzeit in New York ist immer etwas ganz Besonderes. Aber du hast recht, es gibt da tatsächlich ein Problem.“


„Als hätte ich es geahnt“, murmle ich. „Um wen handelt es sich dieses Mal?“


„Du musst dir endlich diese Brewster-Schwester vorknöpfen, die vor ein paar Monaten nach Salem gezogen ist.“


„Du sprichst von Daphne?“


„Durchaus.“


„Was hat sie denn Schlimmes angestellt? Mir liegen keine Meldungen vor, dass sie anhand ihrer Magie jemanden verletzt oder getötet hätte.“


„Bislang nicht. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis das geschehen wird. Diese Hexe versucht momentan, an Informationen über ihre Vorfahrinnen zu kommen, wobei ihr jeder erdenkliche Weg recht ist: Erpressung, Gedankenmanipulation, Einbruch, unerlaubtes Durchsuchen von historischen Dokumenten und vieles mehr. Skrupel sind dieser Frau vollkommen fremd.“


Er pustet eine Biene von seiner Schulter, die soeben dort gelandet ist. Höchstwahrscheinlich angezogen von seinem engelhaften Duft. „Seit Jahren setzt Daphne Brewster sich über alle Gesetze und Regeln hinweg, wodurch die finstere Magie in ihrem Inneren sich tagtäglich verstärkt. Ich bin mir sicher, dass das nicht mehr lange gut gehen wird, dann verschwimmen bei ihr die Grenzen zwischen Gut und Böse endgültig. Du solltest es gar nicht erst so weit kommen lassen.“


„Okay, ich werde mal sehen, was ich machen kann“, stimme ich zu, da ich momentan echt keinen Bock auf eine derartige Diskussion habe.


Ein lautes Lachen erregt unsere Aufmerksamkeit, sodass wir zeitgleich die Blicke auf einige junge Frauen richten, die sich uns nähern. Sie sind braun gebrannt, tragen kurze Sommerkleider und schlendern gut gelaunt durch den Park.


„Manchmal würde ich mir wünschen, die Menschen berühren zu können. Stets ins Leere zu fassen, kann echt frustrierend sein“, brumme ich.


„Wem sagst du das?“, stimmt mir mein himmlischer Gegenspieler zu, dem die Biene nun um den Kopf herumschwirrt, da sie ihn offensichtlich für eine Blume hält.


Amüsiert beobachte ich, wie der Engel versucht, das pelzige Geschöpf mit einer Hand abzuwehren. Derartige Attacken bleiben mir mit meiner dunklen Ausstrahlung zum Glück erspart.


„Ich verschwinde dann mal wieder in den Himmel“, gibt er den Kampf schließlich auf. „In letzter Zeit tummeln sich dort einige echt heiße Engel. Und im Gegensatz zu den Menschen bestehen die für mich aus Fleisch und Blut.“ Mit einem schmierigen Grinsen um die Lippen zwinkert er mir zu, ehe er sich in Luft auflöst.


Ich hingegen nehme noch eine Weile die Passanten in Augenschein. Viele Touristen treiben sich zurzeit im Big Apple herum und nicht alle scheinen unter der Hitze zu leiden. Gelächter und freundliche Gesichter sind im Central Park allgegenwärtig.


Und so langsam ödet mich das an. Diese positiven Vibes sind für einen finsteren Zeitgenossen wie mich auf Dauer nicht zu ertragen.


Daher versetze ich mich kurzerhand ins gute alte Salem, um mir einen besseren Eindruck davon zu verschaffen, was Daphne Brewster dort so treibt. Zwar habe ich in den letzten Wochen bereits mehrfach bei ihr vorbeigeschaut, ihre kleinen Gesetzesüberschreitungen haben mich jedoch nicht sonderlich nervös gemacht.


Allerdings schwant mir, dass der Erzengel recht hat. Sollte nicht endlich jemand Daphne in ihre Schranken verweisen, könnte sie zu einem echten Problem werden.



Kapitel 2

 


Daphne


 


Seit Monaten halte ich mich nun in Salem auf, komme mit meinen Recherchen jedoch kein Stück voran. Wo ich doch einfach nur mehr über meine Herkunft und den Ursprung meiner Kräfte in Erfahrung bringen will.


Wochenlang habe ich das Internet nach unseren Vorfahren durchforstet und sämtliche Hexen- und Geistermuseen im Ort aufgesucht. Auch habe ich alle Friedhöfe und geschichtsträchtigen Stellen abgeklappert und unzählige Einheimische befragt.


Manche der schrägen Anwohnerinnen behaupten von sich selbst, Hexen zu sein. Diese Aussagen haben mich zuerst beflügelt, da ich davon ausging, recht schnell die gewünschten Antworten auf meine offenen Fragen zu erhalten. Doch schon bald brachte ich in Erfahrung, dass diese Geschichten nicht der Wahrheit entsprechen. Bislang ist mir nämlich nicht eine waschechte Hexe begegnet.


Die meisten Frauen wollen sich mit diesem Gerede lediglich wichtigmachen, bei anderen scheint es Tradition zu sein, sich als Hexe zu bezeichnen, um an die Leiden dubioser Vorfahren zu erinnern.


Darüber hinaus geht es um Profit. In Salem gibt es unzählige Geschäfte, in denen sogenannte Hexenartikel verkauft werden. Leider ist keins dieser Produkte auch nur mit einem Funken Magie behaftet und daher allerhöchstens für Halloween geeignet. Was hier niemanden zu stören schein, da halb Salem von diesem Hype lebt. Die Shops und urigen Restaurants locken ganzjährig Unmengen von Touristen an, die sich dann insbesondere an Wochenenden durch den beschaulichen Ort mit seinen historischen Gebäuden und dem kleinen Hafen schieben, und auf diesen Hexenkult hereinfallen.


Als ob eine richtige Hexe Hüte, Kerzen oder Kessel benötigen würde, um ihre Magie zu entfalten!


Möglicherweise war das vor Hunderten von Jahren der Fall, aber heute sind solche Utensilien sicher nicht mehr nötig.


Zudem stößt man hier in nahezu jedem Shop auf verzauberte Pralinen, Marmeladen, Gebäck und vieles mehr. Da ich sehr auf Süßigkeiten stehe, habe ich bereits einige Leckereien ausprobiert und recht schnell festgestellt, dass sie zwar köstlich schmecken, aber rein gar nichts mit Hexerei zu tun haben.


Und obwohl ich nicht gezögert habe, meine Magie einzusetzen, um Informationen über meine Herkunft zu erlangen, verliefen all meine Versuche bisher im Sand. Ich verschaffte mir sogar Zutritt zu verschiedenen Behörden, durchstöberte Einwohnerregister, historische Aufzeichnungen, Baupläne und vieles mehr – alles erfolglos.


Zwar weiß ich jetzt, wo meine Urahnen aufgewachsen sind, doch unglücklicherweise wurde das Haus bereits vor Jahren abgerissen und an der Stelle steht nun ein moderner Wohnblock. Die Hoffnung, im Keller oder auf dem Dachboden irgendwelche Bilder oder Dokumente zu finden, hat sich damit erledigt.


Drei Frauen, deren Vorfahren ebenfalls in Salem lebten, habe ich bislang noch nicht angetroffen, da zwei nicht mehr hier wohnen und die dritte sich auf einer längeren Urlaubsreise befindet. Ich werde jedoch nicht aufgeben, ehe ich mit den Ladys gesprochen habe. Sollte dabei auch nichts herauskommen, werde ich höchstwahrscheinlich meine Zelte hier abbrechen und nach Paris zurückkehren, wo ich zuvor gelebt habe.


Meine größte Leidenschaft war schon immer das Singen. Musikalische Vielfalt ist in Salem jedoch nicht gegeben. Außer vielleicht an Halloween, da finden hier Unmengen von Veranstaltungen statt. Im Grunde genommen bietet mir eine Großstadt aber wesentlich bessere Möglichkeiten, mit meinem Gesang Geld zu verdienen. Nicht, dass ich das nötig hätte, denn durch meine Fähigkeit, Menschen zu manipulieren, bekomme ich grundsätzlich, wonach mir der Sinn steht. Trotzdem spricht nichts gegen ein gefülltes Bankkonto.


Allerdings werde ich Salem mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlassen. Das beschauliche Häuschen, in das ich mich eingemietet habe, ist nämlich unglaublich gemütlich geworden und ich fühle mich richtiggehend wohl darin. Ich habe es renovieren lassen und mir ein paar schicke Möbel angeschafft, dadurch muss ich auf keinerlei Luxus verzichten.


Leider hege ich Zweifel daran, dass ich auf Dauer für ein Leben in der Kleinstadt geboren bin. Seit dem Tod meiner Mom, einer mächtigen Hexe, bin ich ein unruhiger Geist, den es in die Metropolen dieser Welt zieht.


Ich war vierzehn, als Mom starb. Meine Welt brach von einem Moment auf den nächsten krachend in sich zusammen. Zwar hatten sich meine Eltern zuvor häufig gestritten, doch erst nach dem Tod meiner Mutter erfuhr ich, dass sie durch ihre paranormalen Fähigkeiten viele Menschen getötet hatte.


Ihr Tod und die ganzen Umstände kamen einem Schock gleich. Ich konnte es nicht begreifen, dachte oft, ich würde träumen oder hätte den Verstand verloren.


Zu allem Überfluss verließ unser Vater uns einige Zeit später ebenfalls, da auch er mit der Situation nicht klarkam. Er kehrte nach Griechenland, in das Land seiner Vorfahren, zurück und überließ seine drei Töchter sich selbst. Lange hasste ich ihn dafür, doch mittlerweile habe ich mir ein dickeres Fell zugelegt. Kaum etwas kann mich noch schockieren oder gefühlsmäßig aus der Bahn werfen.


Gottlob haben sich meine beiden älteren Schwestern damals rührend um mich gekümmert, sonst wäre ich vollkommen verloren gewesen. Dennoch fühlte ich mich in unserem Elternhaus in einem Vorort von Boston nicht mehr wohl. Ohne Mom und Dad erschien mir das Gebäude seelenlos und leer. Nur noch eine Hülle, der man alles Leben entzogen hatte, und die mir regelmäßig die Luft zum Atmen abstellte.


Im Alter von sechzehn ertrug ich die Umstände nicht länger und lief davon. Ich bereiste die Staaten. Ohne Plan, Ziel und die nötigen Geldmittel. Da ich damals schon recht ansehnlich war, fand ich zum Glück immer wieder einen gutgläubigen Kerl, der mir ein Essen oder eine Unterkunft spendierte.


Hin und wieder ließ ich mich auch auf Sex mit einem attraktiven Mann ein. Die körperliche Nähe tat mir gut, emotional drang jedoch niemand zu mir durch. Und daran hat sich bis heute auch nichts geändert.


Mein Herz ist gestorben, als meine Eltern mich verlassen haben. Außerdem wäre es für mich völlig unmöglich, auf Dauer mit einem Mann zusammen zu sein. Durch meine paranormale Gabe neige ich dazu, Menschen zu beeinflussen – manchmal sogar unbewusst. Ich würde jeden Partner früher oder später in eine Marionette, einen willigen Idioten verwandeln, vor dem ich dann keinerlei Respekt mehr hätte. Also lasse ich das mit den Beziehungen lieber sein und genieße mein Leben als Single.


Aufgrund meiner Rastlosigkeit habe ich mit meinen achtundzwanzig Jahren schon viel von der Welt gesehen, aber meinen Platz darin bis heute nicht gefunden. Es gibt einfach keinen Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Daher hatte ich gehofft, in Salem Geborgenheit zu finden, doch bislang ist ein Gefühl der Dazugehörigkeit leider nicht eingetreten.


Aber so schnell werde ich mich nicht geschlagen geben. Heute wird mich mein Weg nach New York führen, wo ich mich mit einer der drei Frauen treffe, die möglicherweise von einer Hexe abstammen.


Da ich in Manhattan übernachten werde, ziehe ich im Schlafzimmer eine kleine Reisetasche aus dem Schrank und werfe mehrere schicke Klamotten hinein. Als Nächstes fahre ich im Wohnzimmer meinen Computer herunter, über den ich pausenlos Musik höre und packe ihn ebenfalls ein. Nachdem ich noch meine Handtasche geschnappt habe, verlasse ich das Häuschen und besteige das Taxi, das sich soeben nähert.


Der Fahrer, ein älterer grauhaariger Mann, bringt mich zum Busbahnhof, von wo aus ich über Boston nach New York reisen werde. Da ich keine Lust hatte, die lange Strecke mit dem Wagen zu fahren, lasse ich es gemütlich angehen.


Ich bin guter Dinge und freue mich riesig darauf, endlich einmal wieder über den Broadway zu schlendern. Eine Zeit lang wohnte ich in Manhattan und trat gelegentlich auf den Brettern auf, die die Welt bedeuten. Ein Engagement an Land zu ziehen, hat für mich noch nie ein Problem dargestellt. Entweder gelingt es mir durch meine außergewöhnliche Stimme, oder aber ich überzeuge die Produzenten und Regisseure mithilfe meiner Magie davon, dass es keine bessere Besetzung für eine bestimmte Rolle geben könnte als mich.


Natürlich könnte ich auch wieder nach New York ziehen, das hätte den Vorteil, näher bei meinen Schwestern zu sein. Da ich mich momentan zu keiner Entscheidung meine Zukunft betreffend durchringen kann, werde ich es einfach auf mich zukommen lassen.


 


Verträumt blicke ich aus dem Fenster des komfortablen Reisebusses, als wir uns einige Stunden später dem Big Apple nähern. Im Hintergrund sind bereits die ersten Hochhäuser erkennbar und meine Aufregung steigert sich. Während ich mir noch überlege, welches Musical ich mir zu Gemüte führen könnte, werden in dem Bus plötzlich Stimmen laut.


Irritiert blicke ich mich um und entdecke einen hochgewachsenen Kerl im schwarzen Hoodie, der sich neben dem Busfahrer aufgebaut hat und diesen mit einer Waffe bedroht.


Erschrocken mustere ich den Typen genauer. Die Kapuze hat er tief ins Gesicht gezogen, sodass man kaum etwas von ihm erkennen kann.


Der Bus schlingert nun leicht, ehe er den Seitenstreifen ansteuert, die Geschwindigkeit drosselt und schließlich anhält.


„Sie rücken jetzt all Ihr Bargeld, Schmuck und die Handys raus!“, verkündet der Gangster nun mit lauter Stimme in Richtung der Fahrgäste. „Dann lassen wir Sie am Leben.“


Sekundenlang herrscht Totenstille, anschließend setzt aufgeregtes Gemurmel ein.


Ein zweiter Kerl im Hoodie erhebt sich nun ebenfalls, öffnet einen schwarzen Rucksack und beginnt, die Passagiere in den vorderen Reihen um ihr Hab und Gut zu erleichtern.


Verängstigt suchen diese in ihren Handtaschen und Jacken nach Geldbörsen und Telefonen, bevor sie sie in den Rucksack werfen. Eine rothaarige Frau bricht in Tränen aus, als der Dieb ihr den Ehering vom Finger reißt. Auf der gegenüberliegenden Seite schnappt ein junges dunkelhaariges Mädchen hektisch nach Luft und scheint kurz vom Hyperventilieren zu stehen. Ich bemerke einen älteren Herrn, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust fasst, als hätte er ernsthafte gesundheitliche Probleme.


Unschlüssig, wie ich mich verhalten soll, spähe ich auf meine Uhr. Woraufhin ich verärgert das Gesicht verziehe. Wir standen bereits im Stau und sind verspätet. Sollte sich das hier noch lange hinziehen, werde ich das Date mit dieser potenziellen Hexe verpassen, die ich am Abend in einem kleinen italienischen Restaurant in Manhattan treffen will.


Demzufolge werde ich dieser Aktion jetzt ein Ende bereiten!


Ich greife nach meinen Taschen, erhebe mich und marschiere betont lässig auf die beiden Verbrecher zu.


Als der Typ mit der Waffe auf mich aufmerksam wird, richtet er die Knarre augenblicklich auf meine Stirn. „Keinen Schritt weiter, sonst bist du tot!“


„Das wollen wir doch mal sehen!“, entgegne ich herausfordernd.


Neugierig blickt nun auch sein Komplize auf.


Abwechselnd schaue ich den beiden Männern tief in die Augen. Danach konzentriere ich mich auf meine Zauberkräfte, die sich sofort in meinem Kopf sammeln, und lasse sie fließen.


„Ihr werdet mich jetzt aussteigen lassen! Ist das klar?“ Meine Stimme durchdringt laut und deutlich das Innere des Busses, in dem es soeben mucksmäuschenstill geworden ist.


Meine Magie wird die Gehirne der beiden Männer beeinflussen. Sie werden meinen Befehl für ihren freien Willen halten und umgehend gehorchen. Hinterher werden sie sich ihr Handeln nicht erklären können.


Beide blinzeln, ehe ihr Blick starr wird. Keine Sekunde später nicken sie und treten artig aus dem Weg.


„Öffnen Sie die Tür!“, weise ich den Busfahrer an, nachdem ich auch ihm einen beschwörenden Blick zugeworfen habe.


Dieser gehorcht ebenfalls prompt. Er presst einen Knopf, woraufhin die Tür zischend vor meiner Nase beiseitefährt.


Während ich den Bus verlasse, wende ich mich den Gangstern noch einmal zu. „Sie lassen die restlichen Passagiere und den Fahrer in Frieden, ist das klar? Verschwinden Sie einfach schnellstmöglich von hier!“


Die zwei nicken erneut unisono, ehe sie aus dem Fahrzeug hechten und wie Kaninchen im Zickzack davonrennen.


Erleichtert marschiere ich an dem Bus vorbei und winke einem zufälligerweise vorbeikommenden Taxi, das prompt eine Vollbremsung hinlegt. Ich steige im Fond ein und lehne mich ein wenig widerwillig auf der klebrigen Ledersitzbank zurück, die bereits bessere Zeiten gesehen hat. Aber ich will jetzt nicht wählerisch sein, denn mir fehlt die Zeit, mir einen angemesseneren fahrbaren Untersatz zu besorgen.


Ungläubig schüttle ich den Kopf.


Da nehme ich einmal im Leben den Bus und dann gerate ich prompt in einen derart dämlichen Überfall. Auch wenn in Manhattan immer ein fürchterliches Verkehrschaos herrscht, werde ich beim nächsten Mal wohl doch wieder mit dem eigenen Wagen fahren.


Meine Gedanken schweifen zu den anderen Fahrgästen ab. Ein Anflug des schlechten Gewissens steigt in mir auf, denn mir ist bewusst, dass ich mich ausgiebiger um ihr Wohlergehen hätte kümmern können. Einige wirkten richtiggehend traumatisiert. Auch hätte ich dem Busfahrer weitere Unterstützung anbieten können, aber dann hätte ich meinen Termin verpasst und der ist mir nun einmal enorm wichtig. Darüber hinaus habe ich tatsächlich vergessen, den Dieben den Befehl zu erteilen, sich der Polizei zu stellen.


Ich verwerfe diese Gedanken.


Ach, vollkommen gleich! Ich kann schließlich nicht die ganze Welt retten. Immerhin habe ich den Leuten die Kerle vom Leib gehalten.


Mit den Augen nehme ich den Rückspiegel des Fahrers ins Visier und begegne seinem Blick, den ich festhalte.


„Geben Sie Gas!“, fordere ich ihn auf, woraufhin er kurz blinzelt, ehe der Wagen so stark beschleunigt, dass ich in den Sitz zurückgepresst werde.


Zufrieden widme ich mich wieder der New Yorker Skyline.


Ohne weitere Hindernisse bringt mich das Taxi zu meiner Verabredung in Manhattan.


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