Alana blickte direkt in das angstverzerrte Gesicht des blonden Mädchens aus ihren vorhergehenden Träumen. Seine blauen Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Dicke Tränen rollten die Wangen herunter und hinterließen eine glitzernde Wasserspur.
Das Böse hatte sie eingeholt und hielt sie fest in seinem eisernen Griff. Es gab kein Entkommen mehr.
Der schwarze Reiter aus Alanas zweitem Traum ging schweren Schrittes langsam auf das zitternde Mädchen zu. Sein schattenhaft wehender Umhang schien aus all den armen Seelen zu bestehen, die im Kampf gegen seine übermächtigen Krieger gefallen waren. Wie Pech hafteten sie an seinem finsteren Leib und gaben im Windhauch klagende Laute von sich. Sie würden für alle Ewigkeit beim schwarzen Seelensammler bleiben. Es war ihr Schicksal. Genauso wie es das Schicksal des blonden Mädchens war, dem Seelensammler zu begegnen. Das Mädchen wusste genau, dass es verloren hatte.
Und der Seelensammler sah in ihren blauen Augen, dass sie dies wusste.
Ein letztes Mal drehte das Mädchen seinen Kopf zum dunklen Firmament und schaute direkt in Alanas Gesicht. Ihre Lippen bewegten sich kaum, aber ihr Blick durchdrang Alanas Geist und sie konnte die Stimme des Mädchens in ihren Gedanken vernehmen: „Suche die Wahrheit durch Raum und durch Zeit, bevor der Fluch dich ereilt!“
Kaum waren die Worte in Alanas Kopf verhallt, hob der Seelensammler ein brennendes Kreuz in die Höhe. „Forsahhistu unholdun?“, brüllte er das Mädchen mit tief rollender Stimme an.
In seinen hohlen Augen brannte der Zorn wie Feuer.
Das Mädchen schüttelte weinend den Kopf.
„Gilaubistu in got fater almahtigan?“, brüllte er abermals.
Wieder schüttelte das Mädchen trotzig den Kopf. „Ih gilaubu in Woden“, stieß es entschlossen aus.
Der Seelensammler wurde rasend vor Wut. Mit einem barbarischen Schrei rammte er daraufhin dem Mädchen das brennende Kreuz in die Brust und triumphierte über seine schändliche Tat.
Der ganze Himmel stand in blutroten Flammen, als das Kreuz das Herz des Mädchens durchbohrte und das Feuer des Kreuzes den Körper des toten Mädchens eroberte.
Mit dem Ruf eines gewaltigen Horns fielen die Sterne plötzlich in hellem Schein vom Himmel. Die Sonne kleidete sich ins schwarze Gewand der Trauer. Der Mond verschwand völlig im Maul eines riesigen Wolfes. Alle Ozeane dieser Welt erstarrten zu Eis. Der Boden erzitterte. Die mächtigen Berge stürzten in sich zusammen. Sämtliche Tiere flohen in Panik in alle vier Himmelsrichtungen davon. Die Götter jenseits aller Sphären starben zu dieser Stunde mit dem Mädchen.
Das Universum hörte auf zu atmen. Die Erde stand still.
Mit der Kraft dunkler Zauberworte nahm der Seelensammler die reine Seele des Mädchens und hielt sie mit seinem Fluch für alle Zeiten in sich gefangen.
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