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Fantasy Bücher
Buch Leseprobe Nymphenblut, Isabel Roderick
Isabel Roderick

Nymphenblut


Die Gefolgschaft

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Er tat es aus Liebe. Das durfte er trotz allem nicht vergessen.


Nie hätte Adam geglaubt, einmal selbst der Henker zu sein, doch hier stand er nun und starrte auf den Gesetzesbrecher hinab. Der Vampir saß vor ihm, die Arme an die Lehne eines Stuhls gefesselt, und erwiderte unverwandt seinen Blick.


Ringsum hörte Adam die Atemzüge der Evocati. In einem Halbkreis standen sie um ihn, die Blicke starr auf ihn und den Anderen gerichtet. Er schloss kurz die Augen, sammelte sich und versuchte, ihre Anwesenheit wie ein störendes Geräusch auszublenden.


Dies war seine Prüfung.


 


Noch vor wenigen Stunden hatte er fest geschlafen, in der Stille und Finsternis unter der großen Stadt, umgeben von dreihundert schlafenden Brüdern und Schwestern. Wie aus weiter Ferne war ein körperloses Flüstern zu ihm gedrungen.


»Adam! Hörst du mich?«


Die Stimme klang weiblich. Ein träges Hämmern in seiner Brust signalisierte ihm den wieder einsetzenden Herzschlag. Ein Sog erfasste ihn, katapultierte ihn aus dem dunklen Nichts in eine Welt aus Kälte und Durst.


Seine Kehle brannte. Ihn verlangte nach Blut. Gierig fuhr er sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Heißes, köstliches Blut. Ihm war, als könne er ganze Ozeane davon trinken.


»Adam!«, flüsterte die Stimme wieder. »Sieh mich an!«


Langsam lösten sich seine vom langen Schlaf verkrusteten Lider voneinander. Die Welt lag hinter einem grauen Schleier verborgen. Unmöglich, etwas zu erkennen.


»Keine Angst. Deine Augen werden sich bald daran gewöhnt haben.«


»Wer bist du?«, fragte er und erschrak vor dem rauen Klang seiner eigenen Stimme.


»Gib mir die Kerze!«, sagte die Frau zu einem unbekannten Dritten.


Dicht über ihm tauchte ein heller Fleck auf. Er blinzelte, und endlich lüftete sich der Schleier. Eine Vampirin beugte sich über ihn. Eine Locke ihres kupferfarbenen Haars löste sich und kitzelte seine Nase.


»Rufina«, flüsterte er. Sie war ihm vertraut, als hätte er sie schon immer gekannt. Er erinnerte sich an das Gefühl, von ihr berührt zu werden. Und er erinnerte sich daran, wie er vor langer Zeit in den Sarg gestiegen war und die Augen geschlossen hatte, in der Hoffnung, eines Nachts von ihr erweckt zu werden.


Nun war diese Nacht gekommen.


»Es ist so weit. Du wurdest auserwählt.«


Mühsam setzte er sich auf. Jede Bewegung kostete ihn enorme Kraft. Ein feuchtes, steinernes Gewölbe erstreckte sich über seinem Kopf, erhellt vom unruhigen Licht mehrerer Fackeln. Nach und nach entdeckte er ein knappes Dutzend Vampire, die um Rufina und seinen geöffneten Sarg standen und ihn schweigend anstarrten. Die Evocati, ging es ihm durch den Kopf.


Reflexartig blickte er an sich hinab. Sein einst schmuckes Hemd war halb verfallen und staubig. Aus den schmutzigen grauen Spitzenärmeln ragten wie zwei dürre bleiche Spinnen seine Hände.


Einer der Vampire trat an Rufinas Seite. Der Mann war groß und schlank und überragte sie um mehr als einen Kopf. Er wirkte sehr viel älter als alle anderen. Feine graue Strähnen durchzogen sein dunkles Haar. Ein schwarzer, eng geschnittener Mantel unterstrich seine hochgewachsene Erscheinung.


Lucien, dachte Adam, als er ihn wiedererkannte. Der Fürst.


»Deine Prüfung steht bevor«, sagte Lucien mit rauer Stimme. Seine dunklen Augen musterten Adam abschätzig. »Wenn du versagst, stirbst du.«


Er legte zärtlich seinen Arm um Rufina. Ihr Blick ruhte noch kurz auf Adam, als wolle sie ihm eine stumme Botschaft übermitteln, bevor sie den Kopf hob und Lucien in die Augen sah. Langsam reckte sie den Hals, gab ihm einen Kuss und wandte sich mit ihm zum Gehen.


Adam wollte etwas sagen, doch seine Stimme versagte. Schweigend sah er den beiden nach und ballte die Hände zu Fäusten.


Er erinnerte sich ganz genau daran, wie Rufina ihm einst von ihrem Blut gegeben, ihn als ihren Gefährten auserwählt hatte – vor langer Zeit, bevor er sich hier unten zu einem jahrhundertelangen Schlaf in einen Sarg gelegt hatte. Ihretwegen war er damals in die Katakomben hinabgestiegen und hatte sich in die Obhut der Gemeinschaft begeben.


Wenn nur Lucien nicht wäre. Adam war fest davon überzeugt, dass Rufina nicht freiwillig das Bett mit ihm teilte. Er musste sie gewaltsam dazu gezwungen haben, seine Gefährtin zu werden. Das war die einzige Erklärung.


Aus diesem Grund hatte sie Adam einst von ihrem Blut gegeben und ihn nun erweckt: Sie konnte sich nicht aus eigener Kraft von Lucien befreien. Sie wollte, dass Adam es für sie tat. Und sie war offenbar zu dem Schluss gekommen, dass nun der geeignete Zeitpunkt dafür gekommen war.


Die Situation war in seinen Augen eindeutig. Wenn Lucien es war, der zwischen ihm und Rufina stand, gab es nur eine Lösung: Er musste ihn beseitigen.


 


Sie umfasste sein Handgelenk.


Die Berührung holte Adam in die Gegenwart zurück. Vor Stunden hatte sie ihn aus seinem langen Schlaf geweckt, seitdem waren ihm immer wieder die gleichen quälenden Fragen durch den Kopf gegangen: Wie lange hatte er geschlafen? Worin bestand seine Prüfung? Doch im Grunde ahnte er es bereits.


Wie auch immer, nun musste er diese Gedanken beiseiteschieben, so schwer es ihm auch fiel. Er war hier, in der Verhörkammer. Vor ihm saß der Gesetzesbrecher. Gleich würde sich entscheiden, ob Lucien ihn bei den Evocati aufnehmen würde.


Dabei bedeutete ihm die Evocatiwürde in Wahrheit nichts. Rufina war alles, was ihn interessierte. Nur ihretwegen unterzog er sich dieser Prüfung: weil sie auf ihn zählte.


Draußen erklangen Schritte. Die Augen der Evocati richteten sich auf die Tür.


»Mein Fürst«, murmelten sie nacheinander, als Lucien eintrat.


Er musterte kurz jeden Anwesenden und blieb vor dem Gesetzesbrecher stehen.


Der Vampir in der Mitte des Raums wand sich in seinen Fesseln. »Lucien! Lass mich gehen!«


»Schweig!«, rief Lucien und hob die Hand. Er winkte Rufina zu sich.


»Mein Fürst«, sagte sie, ging vor ihm in die Knie und küsste ihm den Handrücken. »Ich weiß, wir haben ohne dich angefangen, doch das Vergehen dieses Verräters ist so infam, dass die Untersuchung keinen weiteren Aufschub duldete.«


Er bedeutete ihr, aufzustehen und berührte ihr Kinn. »Ich kümmere mich darum.«


Adam betrachtete die Mienen der übrigen Vampire, die wortlos der Szene beiwohnten. Einige wirkten gleichgültig. Andere grinsten, als freuten sie sich bereits heimlich auf das, was nun folgte.


»Was muss ich da hören, Maxim?«, begann Lucien an den Gefesselten gewandt. »Du hast deinen Sarg und den Untergrund verlassen. Du warst draußen und hast Beute gemacht, ohne meine Erlaubnis. Nur meine zwölf Evocati und ich gehen an die Oberfläche. Wir sorgen für das Blut, ihr anderen bleibt hier unten in Sicherheit. Ihr erhebt euch nur, wenn wir es euch gestatten. Das weißt du genau. Was hast du dir dabei gedacht?«


»Ich will kein Gefangener mehr sein!«, rief Maxim. »Ich will Freiheit! Wir sind töricht, dass wir uns hier unten vor den Sterblichen verstecken.«


Lucien betrachtete den Gefesselten. »Armer Maxim«, flüsterte er. »In all den Jahren hier unten hast du den Verstand verloren. Nur ein Verrückter würde so reden wie du.«


»Ein Verrückter?«, lachte Maxim. »Noch nie waren meine Gedanken so klar wie jetzt. Endlich habe ich die Wahrheit erkannt. Ich bin ein wildes Tier, das seine Fesseln sprengt! Ich habe die Stadt gesehen mit ihren Lichtern und Wundern! All die Menschen dort draußen sind völlig ahnungslos!« Begeistert blickte er in die Runde und suchte nach Zustimmung. »Lasst uns die schlafenden Brüder und Schwestern wecken! Öffnen wir die Tore! Dort draußen gibt es genug Beute für uns alle! Die Welt erwartet uns!«


Die Evocati straften ihn mit Schweigen.


»Du bist kein wildes Tier, Maxim«, entgegnete Lucien und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du bist ein Schaf. Genau wie alle anderen. Erinnerst du dich an die Zeit, als die Menschen Jagd auf uns machten? Uns alle zu vernichten drohten? Zu Hunderten seid ihr in den Untergrund geströmt und habt euch vor Angst um den Stärksten geschart: um mich. Meine Evocati und ich, wir wachen über euch und versorgen euch mit Blut. Wir setzen unser Leben aufs Spiel, damit ihr hier unten sicher schlafen könnt.«


»Aber –«


Lucien beugte sich zu ihm und sah ihm in die Augen. »Du hast unser Gesetz gebrochen und unsere Gemeinschaft verraten. Vor allem aber hast du mich verraten. Ich gewährte dir Schutz und Zuflucht, ohne eine Gegenleistung zu fordern. Gehorsam und Treue, das ist alles, was ich von dir verlangte. Doch was ist der Dank?«


Der Gefesselte leckte sich die trockenen Lippen.


»Du wirst sterben. Das weißt du. Die Frage ist: rasch und schmerzlos oder langsam und qualvoll? Das liegt allein an dir. Also, verrate mir: Wo ist deine Beute versteckt?«


»Das sage ich nicht.«


»Du weißt, dass wir sie beseitigen müssen, bevor die Menschen sie finden und Verdacht schöpfen. Wo ist sie?«


»Vergiss es. Sie gehört mir!«


Lucien presste die Lippen aufeinander. »Wie du willst. Vito!«


Einer der Evocati trat in die Mitte des Raums. Ein bizarres Muster aus zahllosen Narben zierte sein Gesicht. Sein schwarzes Haar stand wild in alle Richtungen ab. Er griff in seine Manteltasche und zückte einen Dolch. Rasch trat er hinter Maxim, packte seine Hand und vollführte einen Schnitt. Maxim schrie.


Vito präsentierte einen abgetrennten Daumen.


»Also?«, fragte Lucien.


»Das versteht ihr nicht«, rief Maxim. »Ich kann sie euch nicht geben. Sie sieht aus wie eine, die ich einmal kannte. Vor langer Zeit, bevor ich in den Untergrund ging. Bevor ich zum Bluttrinker wurde! Darum habe ich sie ausgewählt. Darum gebe ich sie nicht mehr her!«


Adam runzelte die Stirn. Redete der Gesetzesbrecher etwa von seinem früheren Leben als Mensch? Mensch sein, das war nur die Vorstufe, eine unbedeutende Periode vor dem eigentlichen Leben, die man vergaß wie einen Traum. Anfangs standen einem die Bilder noch klar vor Augen, doch je mehr man sich zu erinnern versuchte, desto rascher entglitten sie einem, bis nichts mehr übrig blieb als das diffuse Gefühl, etwas vergessen zu haben.


Vito griff nach dem Ohr des Gesetzesbrechers und trennte es mit der Klinge ab. Maxims Stimme hallte schrill von den Wänden wider.


Lucien verschränkte die Arme. »Du siehst, Vito ist ein wahrer Könner darin, anderen mit seinem Dolch Qualen zu bereiten. Noch talentierter aber ist er im Umgang mit Feuer.«


Zum Beweis nahm Vito eine Fackel von der Wand und hielt sie dicht vor Maxims Gesicht.


Lucien lächelte. »Von dir wird kein intakter Körperteil mehr übrig sein, wenn du endlich, wahnsinnig vor Schmerzen, um deinen Tod bettelst. Vito ist geduldig. Nicht umsonst nennt man ihn Bluthund. Es kann Tage dauern. Dir jedoch wird es vorkommen wie die Ewigkeit.«


Maxims Lippen zitterten. Sichtlich rang er mit sich. »Wie ihr wollt. Sie liegt auf dem Friedhof.«


»Auf welchem?«


»Dem Cimetière Miséricorde, in der Gruft der Thibaults!«


Lucien befahl Vito mit einer Geste, von ihm abzulassen. »Na siehst du! Warum nicht gleich so?«


Rufina trat zu Lucien. Er beugte sich zu ihr und lauschte, als sie ihm etwas ins Ohr flüsterte.


»Du!«, rief Lucien und deutete auf Adam. »Der Anwärter!«


Adam trat vor. »Mein Fürst.«


»Ich habe gehört, du hast großen Durst!«


Er spürte Rufinas Hand auf seinem Arm. Der süße Duft ihres Parfums glich einem Versprechen. Er sah ihr kurz in die Augen, wandte den Kopf und betrachtete den blutenden Gesetzesbrecher, der kraftlos und keuchend in seinen Fesseln hing.


Von Anfang an hatte er geahnt, dass es seine Aufgabe sein würde, ihn zu richten. Nun wurde ihm klar, auf welche Art und Weise es zu geschehen hatte. Das Blut eines Menschen zu trinken war etwas ganz Natürliches, aber das eines Artgenossen? Absolut unverzeihlich. Ein Tabu.


Ein notwendiges Übel.


Er trat vor und krallte seine Finger in den Schopf des Gefesselten. Im Geiste klammerte er sich an einen einzigen Gedanken: Rufina. Er tat es aus Liebe. Für sie.


»Gnade!«, schrie Maxim.


Adam riss den Kopf des Vampirs zur Seite und schlug ihm die Zähne in die Kehle.


 


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