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Fantasy Bücher
Buch Leseprobe Erben der Ewigkeit, Derufin Denthor Heller
Derufin Denthor Heller

Erben der Ewigkeit


Die Nymphe

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Prolog


 


Lorêen war der Anbruch des Tages die liebste Zeit. Die kleine Homuncula rümpfte die Nase. Die ekligen Gerüche hingen schwer in der Luft und verpesteten die Umgebung, von der sie sich jede noch so kleine Einzelheit genauestens einprägte. Zaghaft glänzten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf dem sandsteinfarbenen Mauerwerk der herrschaftlichen Villa. Friedlich und still lag sie da, fast so als wäre der Schrecken der schicksalsschweren Nacht fruchtlos an ihr vorübergezogen. Die letzten Reste der Dunkelheit verdrängend, zeigte sich ein blutroter Horizont über den Dächern des Anwesens. Der Vorbote eines herrlich warmen Tages. Nur der hartnäckige Geruch getrockneten Blutes und menschlicher Exkremente störte das idyllische Schauspiel der Natur. Lorêen genoss die Wärme auf ihrer Haut. Aus den gewonnenen Eindrücken würde sie in den nächsten Tagen ein Gemälde entstehen lassen, das zu den bedeutendsten Werken ihres künstlerischen Schaffens zählen würde. Schon jetzt juckte es sie regelrecht in den Fingern. Wie gerne hätte sie den Pinsel in die aus Pigmenten angerührten Farben getaucht. Zu schön war der Anblick, den die Szenerie ihr bot. Auf Leinwand gebannt, würde sie ihn für die Ewigkeit bewahren. Nichts durfte fehlen. Selbst die kleinste Kleinigkeit musste der Nachwelt erhalten bleiben. Die Homuncula kicherte und stupste mit ihren dreckigen Füßen an eine Leiche, die direkt vor ihr im vom Morgentau feuchten Gras lag. Sie hatte auf Schuhwerk verzichtet und ihren puppenhaften Körper in ein schlichtes, weißes Hemdchen gehüllt. Das Hemd war schmuddelig und an vielen Stellen löchrig. Es verhüllte nur unzulänglich ihre Blöße, doch es war das einzige Kleidungsstück, das sie besaß, und sie schätzte es sehr. »Ui! Das sieht echt übel aus«, sagte sie zu sich selbst und kicherte erneut, als sie dem Tod von Angesicht zu Angesicht entgegenblickte. Der Leichnam war ganz sicher nicht an Altersschwäche gestorben. Die schlichte wollene Kleidung war geschwärzt vom Feuer, dem er ausgesetzt gewesen sein musste. Grausige Brandflecken bedeckten Hände und das noch immer im Schmerz verzerrte, von versengten Haaren umrahmte Gesicht. An Brust und Armen war das Fleisch bis auf die Knochen verbrannt. Die geschwärzten Gebeine verströmten den unverkennbaren Geruch erkalteten Rauches. »Unappetitlich. Ich muss schon sagen, da vergeht einem ja alles.« Die Homuncula lachte. »Du hast schon einmal besser ausgesehen. Dabei bist du noch gut dran. Ein bisschen verkohlt vielleicht, aber im Gegensatz zu deinen Leidensgenossen noch in einem Stück.« Lorêen streckte ihre müden, aus Holzstücken, Ton und Lehm geformten Glieder und rieb sich den letzten Schlaf aus den Augen. Sie ließ ihren Blick über die Weite des Schlachtfeldes gleiten. Ein passenderes Wort für die stinkenden Gärten, die früher einmal dem Lustwandeln gedient hatten, fiel ihr nicht ein. Wohin sie auch den Blick wandte, türmten sich die übelriechenden Kadaver toter Menschen. Verbrannt, aufgeschlitzt und verstümmelt lagen sie ineinander verkeilt vor dem doppelflügligen Tor, das in den Innenhof der Villa, der ehemaligen Wohnstatt des Markgrafen führte. Auch Markgraf Henning selbst hatte sein Leben gelassen, gemeinsam mit einigen Wächtern und Hunderten unschuldiger, braver Handwerksgesellen und Bauersmenschen. Die dämonischen Mistkerle hatten ganze Arbeit geleistet. Vor allem im Innenhof zeigte sich, wie bestialisch die vier Musikanten über ihre Opfer hergefallen waren. Schamlos hatten sie unter den Besuchern des eigenen Konzerts gewütet. Neugierig, wie sie war, hatte Lorêen den Ort des Geschehens inspiziert. Viele Menschen waren auf grausamste Weise abgeschlachtet worden. Abgeschlagene Köpfe und vom Rumpf getrennte Gliedmaße zeugten von der mörderischen Brutalität, mit der die Musikanten zu Werke gegangen waren. Einzelne Leichname waren noch graueneregender entstellt. In so mancher Brust klaffte ein rotgerändertes Loch, aus dem das einst schlagende Herz gerissen worden war. Mehr als einem Dutzend Menschen war mit einem präzisen Schnitt die Kehle durchtrennt worden. Lorêen wusste aus eigener Erfahrung, wie schwierig es war, die richtige Stelle am Hals zu finden. Die verwendete Klinge musste scharf und dünn gewesen sein. Ein Mordwerkzeug, das sich besonders gut für diese listenreiche Form der Tötung eignete. Das Ende des Konzertes war in ein absurdes Massaker ausgeartet. Niemand aus der noch kurz zuvor johlenden Menge der Zuhörer hatte etwas derartig Abscheuliches vorausgeahnt. Die Homuncula hatte schon so einiges gesehen, doch die Bilder der Leichname gehörten zweifelsohne zu den schaurigsten Erinnerungen, die ihr zukünftig den Schlaf rauben würden. Dabei plagten sie grausige Gedanken seit langer Zeit. Selbst dem Tag ihrer eigenen Schöpfung hatte sie bei vollem Bewusstsein beigewohnt. Nicht der einzige Scherz, den ihr Schöpfer sich erlaubt hatte. Unter Einsatz dunkelster Magie und einer kreativen Ader, die jeder psychisch gesunde Mensch nur als geistesgestört erkennen konnte, hatte er ihrem puppenhaften Wesen mit Menschenblut Leben eingehaucht. Seit jenen längst vergessenen Tagen wandelte sie von allen unverstanden und verstoßen in dieser Welt. Die lange, grausame Ewigkeit hatte sie genutzt. Im Verborgenen hatte sie an den richtigen Fäden gezogen und so manchen Schöngeist zu den absonderlichsten Verbrechen verführt. An unsichtbaren Fäden zappelnd, waren sie den Manipulationen der kleinen Homuncula unausweichlich ausgeliefert. Die armen Tölpel hatten noch nicht einmal gemerkt, wie leicht sie zu beeinflussen waren. Lorêen konnte ein Grinsen nicht verhindern. Zu schön war die Vorstellung von dem kleinen, magischen »Ding«, das die menschlichen Marionetten nach ihren eigenen Wünschen tanzen ließ. Der Tod war ihr nicht fremd. Selbst vor Mord – oder dem unerwünschten Ableben, wie sie selbst es vornehmer auszudrücken pflegte – war sie niemals zurückgeschreckt. Aufgeschlitzte Kehlen gehörten zu ihrem Standardrepertoire. Junge Mädchen waren ihre häufigsten Opfer. Mit den Erinnerungen an die Absonderlichkeiten, die sie an ihnen verübte, konnten sie schließlich nicht weiterleben. Wer wollte schon bis ans Ende seiner Tage mit einer tiefen Angststörung konfrontiert sein? Nein, es war besser, die Angelegenheiten in Frieden ruhen zu lassen. Zudem ließen sich die Opfer so auf leichterem Wege entsorgen. Der nützliche Nebeneffekt, durch die eigene Bluttat irren nichtsahnenden Marionetten die Schuld in die Schuhe zu schieben, versprach darüber hinaus eine besondere Befriedigung, deren Wert sie schnell zu schätzen gelernt hatte. Sie war wahrlich nicht zimperlich, doch die entstellten Leichname, die sie im Innenhof entdeckte, brachten sie an die Grenzen ihrer eigenen bösartigen Natur. Diese Menschen waren nicht einfach gestorben. Sie waren auch nicht hingerichtet worden. Ausgeweidet wie wildes Getier, dem schlagenden Herzen beraubt, starrten sie auf denjenigen, der es wagte, ihre letzte Ruhe zu stören. Leblose, erkaltete Augen zeugten noch im Tode von den verständnislosen Vorgängen im Gehirn der Verstorbenen, die sich in den letzten Bruchteilen des Lebens ihren Weg durch die grauen Windungen gesucht hatten. Lorêen schloss für einen Moment die Augen. Vieles hatte sie mit dem Menschengeschlecht angestellt. Doch an den widerwärtigen Praktiken des Kannibalismus hatte sie keinen Gefallen gefunden. Gleichwohl stellten die Monstrositäten, die sich dieser Leidenschaft hingaben, einen interessanten Forschungsgegenstand dar. Vor allem, wenn man bedachte, dass es ihnen auch gelungen war, die dämonische Leibwächterin der Nymphe zu besiegen. Um ihren einstigen Lebensgefährten war es nicht schade. Der Dummkopf hatte den Tod verdient. Sie war sicher, dass sie ihre Manipulationsspiele schon bald mit einem würdigen Nachfolger fortsetzen konnte. Die gebotene Reaktion der Dryáde auf den Tod Leopolds versprach hingegen interessante Unterhaltung. Lorêen drehte sich um. Sie hatte genug gesehen. Es war an der Zeit, dem Schlachtfeld den Rücken zu kehren. Sie musste zurück in die Abgeschiedenheit. Dort würde sie noch heute ihrer künstlerischen Kreativität freien Lauf lassen. Durch den Kontrast von Schönheit und Verunstaltung würde ihr Gemälde zu einem wahren Meisterwerk heranreifen. Fröhlich pfeifend wendete sie sich ab.


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