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Esoterik Bücher
Buch Leseprobe Wunder sind nichts für Weichlinge, Christiane Barth
Christiane Barth

Wunder sind nichts für Weichlinge



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Das Seerosen-Prinzip.

„Kennst du das Seerosen-Prinzip?“, fragt mich Mahesh, der nun endlich des Kraulens müde geworden zu sein scheint.
„Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich verraten“, antworte ich, immer noch hingegossen auf meinen Liegestuhl.
„Du blickst von oben auf diese Pracht, erfreust dich an den Farben der Seerosen, an der Art, wie sie sich der Sonne entgegenstrecken und ihre wärmenden Strahlen zu reflektieren scheinen. Blickst du aber in die Tiefe, so wie ich jetzt, ist der Teich ein einziges Fallenkonstrukt, durchdrungen von einem Dickicht an Schlingen und Schlieren, in dem man sich übel verstricken und verfangen kann.“ „Du meinst, die bezaubernde Schönheit ist eine Täuschung?“ „Nein, ich meine: Man sollte wissen, worauf man sich einlässt.
Wenn wir uns blenden lassen von den ach so tollen technischen Errungenschaften, von der Macht und der Freiheit, die wir offenbar durch Geld erlangen können, oder von verheißungsvollen Gefühlen, also schlicht von dem, was unsere Gesellschaft für derart erstrebenswert hält, Besitztümer und Status, Sex, Drugs und Rock’n’Roll und all das Zeug, dann sollten wir vorsichtshalber auch einen Blick nach unten wagen.
Dann nämlich würden wir schnell feststellen, dass der schöne Schein trügt. Der erfolgreiche Geschäftsmann Goeudevert hat diese Metapher vom Seerosen-Prinzip in einem Buch beschrieben und ich finde sie sehr gelungen.“ Ich blicke abermals auf den Teich, sehe sein Funkeln in der Mittagssonne. Wenn das Wasser ganz ruhig ist, spiegeln sich die umsäumenden Tannen darin. Doch Mahesh hat wohl recht.
Diese Schönheit hat auch ihre Tücken. Das weitverzweigte 58 Wurzelsystem unter der Oberfläche ist trübe, undurchsichtig und kann für den Schwimmer zur tödlichen Falle werden.
„Für dich aber scheint das wilde Wurzelwerk kein Problem zu sein“, rufe ich Mahesh zu.
„Nicht mehr. Ich habe eine Methode entwickelt, mich nicht davon einfangen zu lassen.“ „Und die wäre?“, frage ich.
„Ich bin wendig, flexibel und kraftvoll. Und ich hab die Gefahr durchschaut.“ „Muss man für den Ironman trainieren, um mit den Tücken eines Seerosenteichs vertraut zu werden?“ „Wenn du unbeschadet in unserer Welt zurechtkommen willst, solltest du trainiert haben, durchaus. Aber nicht für den Ironman, sondern in deinem stillen Kämmerlein. Denn du musst eine viel schwierigere Prüfung überstehen als den Ironman: Du musst lernen, mit deinem Ego klarzukommen. Selbst der härteste Triathlon der Welt ist Kinderkram dagegen. Du musst dein Innerstes säubern und die Versuchungen, die dir zur Falle werden könnten, rechtzeitig erkennen.“ Mein Gefühl, diesen Mann zu kennen, flammt plötzlich wieder auf. Er hängt – nun etwas außer Atem – am Teichrand und schaut gegen das blendende Sonnenlicht zu mir. Sein Gesicht habe ich schon irgendwo mal gesehen. Es ist nur so eine Ahnung, deren Grundlage sich mir noch entzieht.
„Woher weißt du das alles?“ Kopfüber taucht er wieder ins Wasser ein.
„Und wie trainiere ich im stillen Kämmerlein?“, rufe ich noch hastig in Teichrichtung. Aber er hört mich nicht mehr.
Es gibt Roastbeef mit Sauce béarnaise. Als Vorspeise ein Pilzsüppchen. Die Thüringer sitzen jetzt am Nebentisch und 59 schwadronieren übers Golfen mit den anderen Golfern, das ist mir gerade recht. Nun bin ich alleine am Tisch. Sieht ein wenig blöd aus, ist aber nicht weiter schlimm, wollte ich doch ohnehin endlich mal zu mir selbst kommen, Ruhe und Gelassenheit pflegen und meine Gesichtshaut von innen glätten.
Die Suppe ist perfekt. Aufgeschäumt und mit einem Klecks Sahne. Ich könnte die Zeit völlig vergessen beim Genuss des cremigen, nach frischen Pilzen und Kräutern duftenden Gerichts, das wirklich ein Gedicht ist. „Das Ego ist ein Verbündeter der Zeit, aber nicht ein Freund“, sagt der Kurs in Wundern. Ich habe diesen Satz vor etwa einer Stunde noch am Teich gelesen, lange auf ihm herumgekaut; nun scheint es mir, dass ich ihn schmecken kann, dass er hinunterflutscht wie Suppenschaum und ich erst jetzt seine Bedeutung wirklich begreife.
Mit jedem Löffel des köstlichen, cremigen Steinpilzsüppchens öffnen sich meine Poren für die Bedeutung dieses Satzes. „Denn es misstraut dem Tod genauso wie dem Leben, und was es für dich will, das kann es selber nicht ertragen.
Das Ego will, dass du tot seist, es aber nicht. Die Folge seiner seltsamen Religion muss deshalb die Überzeugung sein, dass es dich über das Grab hinaus verfolgen kann. Und weil es nicht einmal im Tod dir Frieden gönnen will, bietet es dir Unsterblichkeit in der Hölle an. Es redet dir vom Himmel, versichert dir aber, dass der Himmel nicht für dich ist. Wie können die Schuldigen eine Hoffnung auf den Himmel haben?“ Ich muss unweigerlich an die Zeit denken, als mich nachts fürchterliche Ängste aus dem Schlaf rissen, Todesängste. Ich fühlte mich schuldig, weil ich meinen Job hingeschmissen hatte und stattdessen einen anderen herbeisehnte. Ich fühlte mich schuldig, weil ich meine Kollegen im Stich ließ, weil 60 ich nicht genug für meine Kinder da war, weil ich es nicht schaffte, die Brötchen zu verdienen und gleichzeitig zu Hause am Herd den Pudding zu rühren, weil ich meinen Ex-Mann verlassen hatte und weil ich schlecht über meine ehemalige Freundin dachte. Weil ich in allem nicht gut genug war. Weil ich scheiterte. Nachts schreckte ich schweißgebadet hoch mit der Gewissheit, dass es mit mir zu Ende gehen würde, dass mich etwas in die Tiefe riss, dort zerfetzte und ich dem Untergang geweiht war. Die Hölle. Und ich glaubte daran.
Schade um das Cremesüppchen, das sicherlich mit viel Liebe zubereitet war. Bei der Erinnerung an die Horrorszenarien, die ich vor meiner Reha ausgestanden hatte, schnürt sich meine Kehle zu und ich kriege selbst dieses Gourmet-Gericht, diesen Traum von einer Suppe, nicht runter. Ich fühlte mich damals so, als ob Ahriman persönlich von mir Besitz ergriffen hätte. Ein Abtauchen in seligen Schlaf war ohne Psychopharmaka nicht mehr möglich. Jedes Mal, wenn ich hinwegdämmerte, durchfuhr es mich, als ob ich an eine Steckdose mit Starkstrom angeschlossen gewesen sei.
„Für diejenigen, die sich mit dem Ego identifizieren, ist der Glaube an die Hölle unausweichlich“, schreibt der Kurs weiter (S. 301). „Ihre Albträume und Ängste stehen alle damit in Verbindung. Das Ego lehrt, dass die Hölle in der Zukunft liegt, denn darauf ist sein ganzes Lehren ausgerichtet. Die Hölle ist sein Ziel. Denn obwohl das Ego Tod und Zerfall als sein Endziel anstrebt, glaubt es nicht daran. Das Ziel des Todes, das es für dich anstrebt, lässt es unbefriedigt. Niemand, der den Lehren des Egos folgt, ist frei von Todesangst. Doch wenn der Tod nur als der Schmerzen Ende angesehen würde, würde er dann gefürchtet?“ Mein Verstand vollbringt gerade 61 eine akrobatische Leistung und dreht sich ein paarmal um sich selbst. Fast wird mir schwindelig dabei. Die Thüringer schwafeln von der Nervenstärke, über die ein Golfer verfügen muss. Über Pitchen, Chippen, Putten und das Spiel aus dem Bunker. „Ein Golfer muss zuerst die Taktik lernen“, höre ich den Thüringer sagen. Ihm scheint das Cremesüppchen gut zu schmecken. Die Gesprächsfetzen, die ich aufschnappe, sagen mir, dass man sich am Nebentisch gerade angeregt über die mental-emotionale Seite des Sportes unterhält. Das macht mich neugierig. Obwohl mich Golf bislang nicht interessiert hat. „Die Golfpsychologie beschäftigt sich mit den Einstellungen, den Umgang mit Störungen, Gefühlen, Ängsten, Druck, auch Ärger, Selbstbild und Selbstvertrauen“, höre ich da.
Aha.
„Auf jeden Fall musst du ganz präsent sein“, posaunt der Thüringer laut hinaus und ich sehe schon unappetitlich die Suppentröpfchen aus seinem Mund spritzen.
„Du darfst nicht abschweifen in Gedanken, musst dich voll und ganz auf den Schlag konzentrieren und die Flugbahn des Balles, die du im Geiste längst siehst, als reelles Geschehen umsetzen.“ Hört, hört.
„Wie lange währt ein Augenblick?“, fragt der Kurs. Und gibt auch gleich die Antwort. „So lange, wie es dauert, vollkommene geistige Gesundheit, vollkommenen Frieden und vollkommene Liebe für jeden, für Gott und für dich wiederherzustellen.
So lange, wie es dauert, sich an die Unsterblichkeit zu erinnern und an deine unsterblichen Schöpfungen, die sie mit dir teilen. So lange, wie es dauert, die Hölle gegen den Himmel einzutauschen. Lange genug, um alles zu tran62 szendieren, was das Ego gemacht hat, und zu deinem Vater aufzufahren.“ So lange wie ein Golfschlag? So lange, wie der Ball braucht, bis er wieder auf dem Boden aufprallt? Vor meinen Augen dreht sich plötzlich alles. Die Thüringer sind zum Roastbeef übergegangen.
„Der Fokus muss stimmen, die Konzentrations- und Entspannungsfähigkeit im richtigen Moment.“ „Das muss man aber trainieren, von nichts kommt nichts“, höre ich eine andere Stimme am Nebentisch.
„Wir haben doch die Wahl: Weiterkommen und Erfolg haben sind freiwillig“, entgegnet der Thüringer.
„Heiligkeit liegt nicht in der Zeit, sondern in der Ewigkeit“, höre ich in all dem Stimmengewirr die Worte des Kurses. Alles dreht sich, oben wird unten, Hölle und Himmel kreisen umeinander, vermischen sich zu einem einzigen Einen, ich verstehe plötzlich die Welt nicht mehr und kann dabei die Worte Handicap, Heiliger Geist, Ass und Augenblick nicht mehr zuordnen.
Wo bin ich hier eigentlich? „Ein Augenblick, der dem Heiligen Geist angeboten wird, wird Gott zu deinen Gunsten angeboten, und in jedem Augenblick wirst du sanft in IHM erwachen.“ So wie jetzt etwa? Das Roastbeef kommt. Es ist garniert mit einem Thymianzweig, Kräuterbutter, die langsam schmilzt, und Schalotten.
Bin ich im Himmel? Im Paradies? „Im gesegneten Augenblick wirst du all dein vergangenes Lernen loslassen, und der Heilige Geist wird dir geschwind die ganze Lektion des Friedens schenken.“ Golfen? Die Thüringer? 63 „Mein Divot (ein Rasenstück, das beim Golfschlag herausgeschlagen wird) ist heute weiter geflogen als der Ball, verdammt – und ich habe schon lange nicht mehr so herzhaft gelacht.“ Kurs in Wundern? Ich betrachte das Roastbeef und meine plötzlich, das Rind zu erkennen, das es einmal war. Wie es genüsslich auf einer dieser saftigen, oberösterreichischen Wiesen weidete, auf denen ich mich mittags mit fremden Ironmen zu unterhalten pflege, die sich zwischen dem dichten und tückischen Wurzelwerk eines Rosenteichs hindurchschlängeln wie ein Vogel im Aquarium.
Ich sehe mich plötzlich in Santosbacher Wald mit Herzi Hand in Hand laufend, hinter uns Werner und Stefanie, an einem Strick mit uns verbunden, und an diesem Strick stricken sie mit wild auf- und niederfahrenden Stricknadeln weiter; in der Ferne quakt ein Frosch, während leise der Schnee auf unsere Köpfe rieselt und des Thüringers schallendes Gelächter die Stille durchdringt.
Als ich aufwache, kniet Mahesh über mir. Er macht ein besorgtes Gesicht.
„Mensch, Mädchen, was machst du denn für Sachen?“ Ich schaue mich um. Dass ich in der guten Stube unterm Roastbeef auf dem Boden liege, verwirrt mich etwas.
„Was ist passiert?“, frage ich.
„Das würde ich gerne von dir wissen“, sagt Mahesh.
Wir sind alleine. Keiner mehr da von den Thüringern und Golfern.
„Ich glaube, du hast einen Sonnenstich. Du hättest lieber ein paar Runden schwimmen sollen als den ganzen Tag in den Himmel zu schauen.“ „Aber das Wurzelwerk …“ 64 „Ach, papperlapapp. Das Leben wird nicht besser, wenn du es vermeidest. Du musst lernen, darin zurechtzukommen.“ Jetzt erst spüre ich den nassen Lappen, der auf meiner Stirn klebt.
„Soll ich einen Arzt rufen, oder bist du wieder okay?“, fragt Mahesh.
„Wer bist du eigentlich?“ „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Mahesh hilft mir auf. Soll ich lachen oder weinen? Noch nie war ich so sehr ohne Zweifel – und wusste dennoch nicht, was zu tun ist.
„Manchmal müssen wir durch etwas durch und wissen nicht mal, was es ist. Manchmal müssen wir weiterlaufen, ohne zu wissen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Und manchmal geschehen Dinge, deren Bedeutung wir erst sehr viel später erfahren.“ „Wie jetzt zum Beispiel?“ „Genau. Ich bin erst später zum Essen gekommen, weil ich noch ziemlich lange geduscht habe. Als ich den Raum betrat, lagst du bereits auf dem Boden. Du warst nicht lange weg.
Aber ich habe dir angesehen, dass du gerade etwas begriffen hast.“ „Offenbar weißt du mehr als ich.“ „Nein, aber ich habe eine andere Perspektive. Du lässt dich von den Dingen noch sehr verwirren. Ich versuche, sie aus einer Distanz zu beobachten und nicht allzu sehr verwickelt zu werden.“ Eigentlich dachte ich, dass Beobachten meine Königsdisziplin sei. Muss mich wohl geirrt haben.
„Du schwimmst also gekonnt durch?“, frage ich.
65 „Kann man so sagen. Ich bemühe mich zumindest.“ „Eigentlich dachte ich, dass ich ganz gut bin in der Beobachter- Position.“ „Bist du auch, aber du verlierst den Blick von oben, wenn du dich zu sehr im Geschehen engagierst, jedenfalls mehr, als erforderlich wäre. Du steigst mit zu viel Engagement ein, mit zu viel Wollen. Du versuchst, die Dinge zu kontrollieren, nach deinen Vorstellungen zu lenken und verbeißt dich dabei zu sehr im Geschehen, dann bist du verwickelt und kommst nicht mehr los.“ „Aber ist es nicht normal und völlig richtig, sich für etwas zu engagieren, was einem wichtig ist? Sich auf seinem Weg zu behaupten, Dinge voranzutreiben, Ziele zu haben und sie motiviert zu verfolgen?“ „Durchaus. Doch das machst du ohnehin, das geschieht einfach.
Du wirst nie dein Kind im Stich lassen, denn du liebst es. Du musst nicht lange überlegen, ob du ihm Essen kochst,, ob du ihm aus der Patsche hilfst, wenn es Mist gebaut hat. Du tust es einfach. Du musst aber nicht deinen Arbeitgeber durch übereifriges Handeln, das dich total erschöpft, dazu bringen, dich zu mögen und um bei der nächsten Entlassungswelle verschont zu bleiben. Deine Arbeit wirst du tun, weil du überzeugt bist, dass sie dir nutzt und dass sie anderen nutzt und weil du dich vor langer Zeit dafür entschieden hast. Und wenn diese Parameter nicht mehr stimmen, wird früher oder später etwas geschehen, das die Situation ändert. Ob du das nun steuerst oder nicht. Du weißt doch: Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Die Entscheidungen werden getroffen, lange bevor wir ihre Auswirkungen zu spüren bekommen.
Glaube einfach an dich, dann wirst du es leichter haben.“ 66 „Danke, mein Prophet“, entfährt es mir lachend. Langsam erhebe ich mich wieder in die Senkrechte, mithilfe von Maheshs Hand komme ich zum Stehen.
Er grinst. Und stützt mich weiter.
„Wenn ich nur wüsste, wo ich dich schon mal gesehen habe“, entfährt es mir mit einem tiefen Seufzer.


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