Vorwort / Einleitung Ich halte es für notwendig, von vornherein darauf hinzuweisen, dass ich – obwohl ich mich in diesem Buch sehr für die Authentizität deren geschichtlichen Genauigkeit einsetze – die Bibel nicht für ″göttlich inspiriert″ halte, obgleich dies einige der Autoren, auf die ich mich beziehe, durchaus tun. Zum einen enthält die Bibel Fehler, die bibelfundamentalistische Christen gerne verschweigen, die aber nichtsdestotrotz vorhanden sind. Ich möchte hier nur ein Beispiel anführen. Im alttestamentlichen 2. Buch der Könige ist von einem judäischen König namens Joram die Rede, über den es im erwähnten Buch in Kapitel 1, Vers 17 nach der Elberfelder Bibelübersetzung heißt: ″(…) Und Joram1 wurde an seiner Stelle König im zweiten Jahr Jorams, des Sohnes Joschafats, des Königs von Juda, denn er hatte keinen Sohn. Im gleichen Buch in Kap. 3:1 heißt es nach der gleichen Übersetzung: ″Und Joram, der Sohn Ahabs, wurde König über Israel in Samaria, im achtzehnten Jahr Joschafats, des Königs von Juda und regierte zwölf Jahre.″ Die erste Stelle ist zunächst deswegen schwer zu verstehen, weil es tatsächlich zwei Könige namens Joram gab, nämlich den Sohn Ahabs, der König des Nordreichs Israel war, und einen zweiten, der König des Südreichs Juda war. Beide Reiche bildeten einst vor der Teilung ein geeintes Reich, das vom berühmten König, dem nicht minder berühmten David und später Salomo geführt wurde. Nun stellt der Autor und ehemalige Student u.a. der Alten Geschichte und der Altphilologie und überzeugter Katastrophist Immanuel Velikovsky, fest, dass die beiden Stellen nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Velikovsky stellt bei seinem Bibelstudium fest, dass der König des Nordreichs Israel, Ahab, an einer Wunde starb, die er sich in der ″Schlacht bei Ramoth-Gilad″ zugezogen hat. Dessen Sohn Ahasia wurde sein Nachfolger, und nach dem Tod Ahasiasübernahm sein Bruder Joram die Regierung. Eine weniger weitläufige und vermutlich ältere Fassung im Alten Testament besage, dass Ahab bei Ramoth-Gilead nur verwundet wurde und anschließend noch neun Jahre regierte. Nach dem 2. Buch der Chronika (20:31) regierte Joschafat fünfundzwanzig Jahre, sodass – wenn wir die obigen Bibelzitate zugrunde legen – eine zeitliche Differenz von neun Jahren besteht, die die letzten sieben Jahre Joschafats und die ersten beiden Regierungsjahre seines Sohnes betrifft. Velikovsky kommt zu dem Schluss, dass ein späterer Schreiber verschiedene Quellen miteinander in Einklang zu bringen versuchte, was aber nicht ganz gelang. Möglicherweise seien Erlebnisse des König Ahabs später Joram zugeschrieben worden. Die Idee, dass die biblischen Bücher im Prinzip eine Quellensammlung sind, die schließlich eine ″Schlussredaktion″ erhielten, ist nicht neu. So stellte Richard Elliot Friedman, der in Harvard promovierte und zwölf Jahre lang Professor an der Theologischen Fakultät der University of Georgie war, fest, dass das Alte Testament aus mehreren Fragmenten zusammengesetzt sein muss. Zwei große Vorlagen werden ″J″ (wie Jahwe) und ″E″ (wie Elohim) genannt. Es fällt auf, dass einige Stellen in der Bibel wie die Schöpfungsgeschichte und die Berufung Jakobs zum Stammvater des Volkes Israel doppelt auftauchen, meist hintereinander mit leichten Variationen. In dem jeweils einen wird Gott als ″Elohim″, im anderen als ″Jahwe″ bezeichnet. Offensichtlich wurden biblische Bücher erst sehr spät aus den Erinnerungen des Volkes und Fragmenten von Niederschriften zusammengesetzt.Damit könnte vielleicht der zweite Punkt, der mir Probleme bereitet, erklärt werden: nämlich das Verhalten Gottes, in der Hauptsache seine Brutalität. Zwei besonders brutale Stellen finden wir im 5. Buch Mose 2:33-36: ″Aber der Herr, unser Gott, gab ihn vor uns dahin; und wir schlugen ihn und seine Söhne und all sein Volk. In jener Zeit nahmen wir alle seine Städte ein, und wir vollstreckten den Bann an jeder Stadt, an Männern, Frauen und Kindern; wir ließen keinen von ihnen übrig, der entkam.″ (ELB) Diese Stelle spielt in der Zeit des Einzugs ins Gelobte Land durch Josua. Noch mehr irritiert ein angeblicher Befehl Gottes: ″Nun zieh hin und schlage Amalek! Und vollstreckt den Bann an ihnen, an allem, was es hat, und verschone ihn nicht,(sondern) töte Mann und Frau, Kind und Säugling, Rind und Schaf, Kamel und Esel.″ (1. Sam. 15:3 n. ELB) Diese und zahlreiche andere Stellen sollten Bibelfundamentalisten eigentlich zu denken geben, denn mit ihrer Überzeugung, dass die Bibel ″von Gott inspiriert und unfehlbar″ ist, geben sie zu, dass Gott das Recht hatte, so zu handeln und befürworten somit seine Grausamkeit. Doch angesichts dessen, was wir oben gelesen haben, brauchen wir auch nicht so weit zu gehen, wie es der Forscher und Autor Heinz-Werner Kubitza tut, der in diesem Zusammenhang u. a. von einem ″Glaubenswahn″, vom Glauben an einen ausländerfeindlichen und mitleidlosen Gott und von ″religiösem Extremismus″ im Alten Testament spricht. Angesichts des oben Gesagten können wir davon ausgehen, dass gewisse unethische Grundüberzeugungen erst in der Schlussredaktion der alttestamentlichen Bücher bzw. z. T. möglicherweise auch in zwischenzeitlich überarbeiteten Kopien dazukamen. Hier haben die Schreiber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in den historischen Rahmen Dinge eingefügt, die ihre eigenen Gedanken entsprangen, wie eben, dass die Migration der Israeliten ins Gelobte Land derart blutig wie beschrieben war, wie man sich das eben aus einer gewissen theokratisch/nationalistischen Sicht her vorstellte. Und so ging man eben auch so weit, Gott gewisse brutale Aussagen in den Mund legen. Im Gegensatz zu Kubitza, der sowohl das Alte als auch das Neue Testament komplett ablehnt, kommen wir aber nicht darum herum, dass es so ganz ohne Gott auch nicht so richtig funktionieren will, denn wir werden noch sehen, dass die Evolutionsthese blühender Unsinn ist und es zumindest einer ″gottartigen Kraft″ bedarf, um die Entstehung der Welt und des Menschen zu erklären. Dazu kommt eben der bereits angedeutete Umstand, dass der historische Rahmen des Alten Testaments verblüffend genau ist, wie wir gleich sehen werden. Die Widersprüche zwischen den Befunden des archäologischen Mainstreams und den Aussagen des Alten Testamentes sind auf der Grundlage falscher Datierungen entstanden. Doch ein Faktor wird in der Bibel von fast jeder Seite übersehen: Das davidisch-salomonische Großreich Israel, das sich wie erwähnt später in ein Nordreich namens ″Israel″ und ein Südreich namens ″Juda″ spaltete, existierte nicht nur im Volk der Juden (Juda) weiter, sondern auch das weitere Schicksal des Nordreichs wird in der Bibel beschrieben und lässt sich auch anhand außerbiblischer Fakten klar belegen. Wir beginnen aber mit der oben erwähnten erstaunlichen Erkenntnis, dass die Geschichtlichkeit des Alten Testamentes erstaunlich genau ist … Teil 1: Das Alte Testament ist historisch verblüffend genau Beweise für die ehemalige Existenz von Josef, dem Sohn Jakobs Die erste ansatzweise historisch fassbare biblische Person ist Josef, einer von zwölf Söhnen Jakobs, der dem biblischen Zeugnis zufolge später in Israel umbenannt wurde. (1. Mose 32:23-33) Die Brüder Josefs hießen Ruben, Simeon, Levi, Juda, Sebulon, Issachar, Dan, Gad, Ascher, Naftali und Benjamin. Die Bibel berichtet, dass Josef von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde, dort zum Wesir aufstieg und sich später wieder mit ihnen versöhnte. Werner Keller, dem Autor des Buches Und die Bibel hat doch Recht, das erstmals 1955 erschien, zufolge, spielt die ″biblische Josefsgeschichte″ wie der Aufenthalt der Söhne Israels in Ägypten ″mutmaßlich″ in einer ″Zeit turbulenter Zustände am Nil unter der Herrschaft der landfremden Hyksos″. Von daher wundert es Keller nicht, dass keine ägyptische Kunde darüber überliefert ist. Trotzdem setzt Keller die Zeit Josefs in die ″früheste Hyksoszeit″, denn Josef bestieg der Bibel zufolge den ″zweiten Wagen des Pharaos″, denn ″erst zur Zeit der Herrscher fremder Länder″ – ja vermutlich sogar erst vor ihrer Vertreibung vor dem Beginn des ″Neuen Reiches″ – kam der schnelle Kriegswagen […] nach Ägypten.″ Das Neue Reich begann ungefähr 1.550 v. Chr. Keller weist daraufhin, dass ein künstlicher Wasserweg in Ägypten ″Bahr Yusuf″ (Kanal des Josef) heißt und es im ägyptischen Volk eine Erzählung, gibt, der zufolge der biblische Josef in seiner Eigenschaft als ″großer Wesir″ ihn angelegt hat. In der Bibel ist die Rede von einer Trockenheit, und solche Episoden gab es auch nach ägyptischen Überlieferungen dort zu jener Zeit nicht gerade selten. Keller stellt weiter fest, dass Josefs in der Bibel beschriebene Handlungen als Wesir den überlieferten Verwaltungsrichtlinien im damaligen Ägypten entsprachen. Keller stellt sogar fest, dass der stark an Jakob erinnernde Name ″Jakob-her″ in der altägyptischen Kunst ″einwandfrei entziffert″ wurde. So sagt der bekannte amerikanische Ägyptologe James Hendry Breasted Keller zufolge: ″Und es ist nicht unmöglich, dass ein Führer der Jakobstämme von Israel für eine Zeitlang in diesen dunklen Zeiten im Niltal die Herrschaft gewonnen hatte. Ein solches Ereignis würde überraschend gut zu dem Eindringen israelitischer Stämme nach Ägypten passen, das auf jeden Fall um diese Zeit stattgefunden haben muss.″ Keller sieht ″Bestätigungen″ und ″Haken″. Zu den Bestätigungen gehört der Umstand, dass es hohe ägyptische Beamte gab, die aus Asien stammten; dass Josef in einem Traum fette und magere Kühe erschienen (1. Mo. 41:2ff und ebenda 18ff), die er als ″Jahre″ auslegt (1. Mo. 41:26f) und dass tatsächlich ägyptische Inschriften gefunden wurden, die das hieroglyphische Symbol der Kuh enthielten, das als Kryptogramm (Geheimzeichen) für Jahre zu sehen ist; dass es offensichtlich in einer Phase der altägyptischen Geschichte abgabenrechtliche Vergünstigungen für ägyptische Priester gab, während im Alten Testament (1. Mo. 47:22) davon die Rede ist, dass von Josefs ″Agrarreform″ der Landbesitz der ägyptischen Priester nicht betroffen war. Und last not least findet Keller sogar für die Form der Amtseinführung Josefs, wie sie in 1. Mo. 41:42 beschrieben wird, Parallelen. Dabei habe man an Entsprechungen auf bildlichen Darstellungen aus der Zeit des Neuen Reiches gedacht, womit man zwar noch nicht ganz bis zur Hyksoszeit vorgedrungen sei, aber immerhin in deren Nähe. Doch Keller findet – wie bereits angedeutet – eine ganze Anzahl von ″Haken″, wenn er festgestellt, dass alle vier Bestätigungen der ″Josefsgeschichte″ gar nichts mit der Hyksoszeit – die er nach dem deutschen Ägyptologen Jürgen von Beckerath mit ″um 1650-1544/41″ ansetzt, zu tun haben, sondern ″durchweg mit sehr viel späteren Phasen der altägyptischen Geschichte″. So habe es die einflussreichen Asiaten am ägyptischen Hof erst in der Ramessidenzeit im Zeitraum zwischen dem 13. und 12. Jahrhundert v. Chr. gegeben; das ″Kuh-Zeichen″ für Jahr gar erst ab der Ptolemäer-Zeit 305-30 v Chr.; die Besitz- und steuerlichen Vergünstigungen ägyptischer Priester lediglich in der Saitenzeit 664-525 v. Chr. und die in der Bibel geschilderte, ganz spezielle Form der Amtseinführung Josefs mit Siegelring, Amtsrobe und Amtskette habe bei genauem Hinsehen dann doch keine genauen Entsprechungen, vielmehr fänden sich die nächsten Ähnlichkeiten erst in der Zeit Sargons II. von Assur 722-705 v. Chr. So stellen sich für Keller zwei Fragen: 1. Wenn die biblische Jose[f]sgeschichte Elemente so später Zeit enthält – kann sie dann so uralt sein, wie man bisher meinte (oder muss sie dann nicht erst sehr viel später entstanden sein, als man bisher annahm)? 2. Wenn aber die Zeit nicht stimmt – wie steht es dann überhaupt um die Authentizität der Geschichte? Wie um die Echtheit ihrer ägyptischen Färbung?″ Anhand der Recherchen des kanadischen Ägyptologen Donald B. Redford erkennt Keller Zweifel an den Beziehungen von Josef zur Hyksoszeit. So hätten die Kaufleute, die Josef nach Ägypten schleppten, Lastkamele verwendet (1. Mo. 37:25), und die gelten für jene Zeit als umstritten und wiesen eher auf eine spätere Epoche hin als ausgerechnet die Hyksoszeit. Als typisch hykoszeitlich hätten viele die Erwähnung des Wagens in der biblischen Josefsgeschichte empfunden (1. Mo. 41:43), tatsächlich sei aber der einachsige, zweirädrige Wagen erst während der Hyksoszeit nach Ägypten gelangt. Allerdings weist Keller darauf hin, dass man den Wagen später nicht abschaffte, so dass die Erwähnung des Wagens auch auf jede beliebige spätere Geschichtsphase hindeuten könne. Die Josefsgeschichte, wie wir sie in der Bibel finden, habe ″ganz offenkundig mehrmals die Kenntnis und den Gebrauch von Münzgeld vorausgesetzt″ (s. z. B. 1. Mo. 42:25). Insbesondere das in dieser Stelle benutzte Wort für ″Geldbeutel″ sei tatsächlich nur aus Zeiten belegt, in denen es bereits Münzgeld gab, und das dürfte Keller zufolge aber in Ägypten und dem Gelobten Land ″kaum vor dem Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. der Fall gewesen sein″. Der Titel Potifars, des hohen Beamten in der Josefsgeschichte, der zumeist als ″Kämmerer″ oder ″Hofbeamter″ übersetzt wird, heiße in Wirklichkeit ″Eunuch″, einen derartigen Titel habe es jedoch erst im Ägypten der Perserzeit 525-332 v. Chr. gegeben. Keller zufolge führt Redford insgesamt 23 Punkte auf, die gegen die hyksoszeitliche Datierung der Josefsgeschichte sprechen, sondern er auf die altägyptische Spätzeit hindeuten. Überhaupt wiesen die Indizien eher in eine spätere Phase der altägyptischen Geschichte hin. ″So bleibt heute die Frage offener denn je, ob der ′ägyptische Jose[f]′ der Bibel je als historische Persönlichkeit fassbar werden könnte. Als Wesir eines Hyksospharaos dürfen wir ihn – nach Lage der Dinge – wohl abschreiben,″ resümiert Keller. Und weiter: ″Und wir haben nunmehr davon auszugehen, dass die Erzählung von ihm, die eher die Verhältnisse der Spätzeit Altägyptens spiegeln, sehr viel später entstand, als so mancherGelehrte bisher annahm (…). Keller fügt hinzu, dass es natürlich sein könne, dass das, was aus der Spätzeit belegt ist, auch bereits früher existiert haben könnte, jedoch nirgends anderswo als in der Bibel beschrieben worden sein. Doch diese Möglichkeit bezeichnet Keller selbst als ″Konstrukt″. Ein Forscher und Autor, der sich mit den Entsprechungen der Zeiten des Alten Ägyptens und den biblischen Berichten auseinandergesetzt hat, ist der britische Ägyptologe David M. Rohl, und auch der hat sich mit dem ″Josefsthema″ auseinandergesetzt. Rohl stellt u. a. fest, dass die Behauptung in einigen Kommentaren zum Alten Testament, dass die Wanderung des Volkes Israel nach Ägypten 430 Jahre gedauert habe, falsch ist. Im Masoretischen Text – einer hebräischen Textversion des Tanach, grob gesagt der jüdischen Bezeichnung für das Alte Testament, das Ergebnis der streng geregelten Bearbeitung älterer Bibel-Handschriften ungefähr in den Jahren 700 bis 1.000 durch jüdische Schriftgelehrten, eben der Masoreten – lautet (insDeutsche übersetzt) folgendermaßen: ″Die Zeit, die die Israeliten in Ägypten verbrachten, war vierhunderunddreißig Jahre. Beim jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus heißt es in den jüdischen Altertümern in Zweites Buch, Kap. 15:2: ″Sie [die Israeliten; Anm. RMH] verließen aber Ägypten im Monat Xanthikos um die Zeit des Vollmondes am fünfzehnten Tag, im vierhundertdreißigsten Jahre nach der Ankunft unseres Vaters Abram in Chananaea und im zweihunderfünfzehnten nach dem Zuge Jakobs gen Ägypten. (…)″ Rohl stellt fest, dass Josephus Zugang zu sehr alten Dokumenten hatte, die früher im Tempel von Jerusalem aufbewahrt wurden, aus der er seine Geschichte des antiken Israels zusammentrug. Er lebte im 1. Jahrhundert nach Chr., und so sind seine Schriften Hunderte von Jahren vor dem Masoretischen Text entstanden, der erst im 4. Jahrhundert n. Chr. zusammengestellt wurde. Er schreibt über Josephus: ″Wenn seine Quelldokumente echt waren, stammen die Informationen, die er für die Dauer des Aufenthalts angibt, aus einer viel früheren Zeit als die von den Masoreten verwendeten, als sie eine Version der Geschichte Israels und ein weiteres Jahrhundert vor der frühesten erhaltenen Kopie des Masoretischen Textes anfertigten.″ Rohl nimmt an, dass beim Kopieren der Texte ein Teil des Textes, der etwa ″und im Lande Kanaan″ gelautet haben müsse, verloren gegangen ist. Dies sieht er durch die Septuaginta, der ältesten durchgehenden Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel in die altgriechische Alltagssprache, die ab 250 bis etwa 100 n. Chr. übersetzt wurde,12 bestätigt, denn dort heißt es in 1. Mo. 12:40: ″Und der Aufenthalt der Kinder Israels, das heißt, den sie im Land Ägypten und im Land Kanaan verbracht haben, betrug vierhundertdreißig Jahre.″ Das ist wieder ein Beweis dafür, dass die Einstellung von Bibelfundamentalisten und auch der ″Zeugen Jehovas″, dass Gott dafür Sorge trug, dass der ihrer Meinung nach von Gott persönlich inspirierte Text bis heute erhalten geblieben ist, falsch ist. Unter Betrachtung mehrerer Stellen im 2. Buch Mose und insbesondere einer Stelle in 1. Chr. 7:22-27, in der von zehn Generationen von Josua, der das Volk Israel ins Gelobte Land führt, zurück zu Josefs Sohn Ephraim, der ungefähr fünf Jahre alt war, als Jakob in Ägypten ankam, die Rede ist (″Unter Verwendung unserer Zwanzig-Jahre-Generation erhalten wir eine ungefähre Dauer von zweihundert Jahren für die zehn Generationen – ziemlich nahe an den zweihundertfünfzehn Jahren in 2. Mose 12:40″) kommt Rohl zu dem Schluss, dass der ungefähre Aufenthalt der Israeliten in Ägypten 200 Jahre betrug. Wie wir gleich sehen werden, setzt er den Exodus auf ungefähr 1447 v. Chr. an, und daraus ergibt sich ungefähr das Jahr 1662 v. Chr. für die Ankunft Jakobs und der Israeliten in Ägypten. Rohl hat eine komplett neue Chronologie entwickelt, der zufolge sich die Geschichte der israelitischen Könige David und Salomo in der späten Bronzezeit und nicht, wie allgemein angenommen, in der Eisenzeit abspielte. Mittels dieser Chronologie passen die biblischen Berichte plötzlich entgegen der gegenwärtigen Mainstream-Meinung doch mit den archäologischen Funden zusammen. Mit dieser Chronologie und wie Rohl sie begründet, setzen wir uns im Anhang gründlich auseinander. Wenn wir aber jetzt wieder auf Josef zurückkommen, so stellen wir fest, dass Rohl dessen Antritt als Wesir in Ägypten im Alter von 30 Jahren (1. Mose 41:46) auf der Basis seiner Berechnungen für den Zeitpunkt des Exodus (ca. 1662 v. Chr.), auf die wir im nächsten Kapitel zu sprechen kommen werden, auf ″ca. 1670 v. Chr.″ festsetzt und somit gar nicht so weit von dem von Keller angegebenen Zeitpunkt entfernt liegt.14 Kellers ″Wunsch″, dass Josef später gelebt haben solle, damit seine (Kellers) potenziellen Beweise doch noch zutreffend sein könnten, wird von Seiten Rohls jedenfalls nicht entsprochen. Aber der Blick in Wikipedia, deren Autoren auf wissenschaftlichem Gebiet eher traditionell und skeptizistisch eingestellt sind (was man inmitten des folgenden Zitats auch deutlich merkt), überrascht, denn dort wird die Bezeichnung ″Potifar″ für einen Kämmerer als ganz selbstverständlich angesehen. Lediglich wird angemerkt: ″Es ist gut möglich, dass der Erzähler sich vorstellte, hohe Hofbeamte seien in Ägypten Eunuchen gewesen, und auch die von ihm geschaffene literarische Figur Potifar (s. o.) so verstanden wissen will.″ Auch zur ″Gefängnisfrage″ wird ganz einfach mit ″Gefängnisse im heutigen Sinne sind in Ägypten erst seit der Ptolemäerzeit bekannt, und deshalb (Kenntnis ägyptischer Verhältnisse beim Verfasser vorausgesetzt) ist das Gefängnis als Schauplatz der folgenden Szenen eher als Arbeitshaus vorzustellen,″ erklärt. Insofern stellt sich die Frage, ob die bei Keller aufgeworfenen ″Beweise″ und deren Widerlegungen nicht einfach Pappkameraden sind, deren Aufstellung gar nicht nötig ist. Auch Rohl gibt der Meinung Futter, dass diese von Keller ins Spiel gebrachten ″zusätzlichen Beweise″ gar nicht nötig sind. Josefs Ankunft in Ägypten als Sklave einer midianitischen Karawane (1. Mose 37:2) datiert Rohl auf 1683 v. Chr. Für ihn ist die Frage wichtig, wer denn nach der neuen Chronologie in der Zeit zwischen 1863 und 1662 in Ägypten regierte. Um diese Frage zu beantworten, kommt er auf früher in seinem Buch angestellte astronomische Berechnungen zurück, aus denen er das Datum für Neferhotep I. in der 13. Dynastie errechnete, die wir aber an dieser Stelle vernachlässigen können, um auf die Turiner Königsliste – die in diesem Zusammenhang das vermutlich wichtigere Beweisstück ist – zu sprechen zu kommen. Die Turiner Königsliste, auch Königspapyrus Turin genannt, ist eine altägyptische Königsliste in hieratischer Schrift, die die Namen der ägyptischen Könige bzw. Pharaonen und deren Regierungsjahre angibt. Ihre Entstehung wird auf die Regierungszeit Ramses II. angesetzt. Die Spalte VI dieser Königsliste ist sehr bruchstückhaft, doch es ist möglich zu erkennen, dass Neferhotep auf der Liste der 21. Herrscher ist und dem letzten Pharo der 12. Dynastie folgt. Anhand ungefähr der Hälfte der Länge der Regierungszeit für die 13. Dynastie kann Rohl trotz der Beschädigung des Papyrus von der 15. und den ersten 26 der Spalten die durchschnittliche Regierungsdauer der Könige von fünf Jahren in der fraglichen Zeit ermitteln. Wenn wir jedem der fünfzehn fehlenden Regierungszeitangaben den fehlenden Längen der Regierungsjahre der Könige vor Neferhotep fünf Jahre zuordneten und anschließend die fünf verbleibenden Regierungszeitangaben und die sechs Jahre, die in Spalte VI:4 aufgezeichnet sind, in denen kein König über Ägypten regierte, hinzufügten, erhielten wir eine Gesamtzahl von rund 92 Jahren zwischen dem Ende der 12. Dynastie und dem ersten Regierungsjahr von Neferhotep. Da in der neuen Chronologie das 1. Regierungsjahr des Neferhotep auf ungefähr 1540 v. Chr. fiele, müsse die 13. Dynastie um 1632 begonnen haben, was bedeute, dass Josef während der 21. Dynastie Wesir in Ägypten war. Anhand überzeugender Beweise, die nahelegten, dass der größte Teil der Regierungszeiten der letzten beiden Herrscher der 12. Dynastie liegen, stellt Rohl fest, dass die 12. Dynastie der langen Regierungszeit von Amenemhet III. untergeordnet werden könnte. Mit anderen Worten: König Amenemhet IV. und Königin Nefersubek waren Junior-Regenten unter ihrem Vater Amenemhet III. und regierten möglicherweise noch zwei oder drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters ohne ihn weiter.Amenemhet III. habe daher vermutlich insgesamt 47 Jahre langregiert, woraus Rohl ersieht, dass seine Regierungszeit ungefähr 50 Jahre vor dem Ende der Dynastie begonnen haben könnte. Das Jahr seiner Thronbesteigung könne jedenfalls ungefähr dem Jahr 1682 v. Chr. zugeordnet werden. Wenn Josef also ungefähr 1670 v. Chr. Wesir wurde, muss es Amenemhet III. gewesen sein, der den hebräischen Sklaven ins höchste politische Amt hob. Daraus leitet Rohl den folgenden Schluss ab: ″Josef, Sohn des Jakob, war Wesir in Ägypten während der Regierung Amenemhet III. – dem mächtigsten Pharao des Mittleren Reiches – und verblieb während der Regierungszeit der ersten Herrscher der 12. Dynastie im Amt.″ Der überlieferten Geschichte des 1. Buches Mose folgend war Josefs Amtsantritt durch eine siebenjährige Wohlstandsperiode im Nil-Tal gekennzeichnet, als Ägypten Rekordernten einfuhr. Dies war Rohl zufolge in den Jahren 1670 (Josefs Amtsantritt) bis 1664 der Fall gewesen. Dem folgte eine katastrophale Hungersnot, die ungefähr im Jahr 1663 begonnen haben müsse, das seiner neuen Chronologie zufolge das 20. Regierungsjahr von Amenemhet III. war. Die Israeliten kamen ein Jahr später – 1962 – in Ägypten an. Rohl findet auch hier Übereinstimmungen. U. a. führt er an, dass die Ankunft Josefs in Ägypten durch seine Verschleppung nach Ägypten nach seiner neuen Chronologie während der Regierungszeit von Sesostris III. – dem Regenten vor Amenemhet III. – stattfand. Wie wir aus dem biblischen Bericht wissen, wurde Josef aufgrund angeblicher sexueller Belästigung des ägyptischen Herrschers inhaftiert und später wieder entlassen –nach Rohl im 13. Regierungsjahr von Amenemhet III. Anschließend wurde er als Belohnung für die Auslegung der Träume des Pharaos zum Wesir erhoben. Josef hat in diesen Träumen einen Zeitraum des Überflusses erkannt, der sieben Jahre andauern sollte. Die Zahl ″7″ hat wie die ″40″ eine traditionelle Bedeutung in der Bibel. Die Zeitdauer des Überflusses begann Rohl zufolge bereits vor Josefs Erhebung zum Wesir, wie aus den Nil-Aufzeichnungen ersichtlich sei. Danach dauerte sie, wenn wir Rohl weiter folgen, weitere sieben Jahre. Der Zeitraum des Überflusses repräsentiere symbolisch die Jahre der 17-Meter-Fluten bei Semna – einer Befestigungsanlage des Alten Ägyptens in Nubien, in der Nilstandsmessungen durchgeführt wurden –, die reichhaltigen Ernten im Nil-Tal ermöglichte. ...
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