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> Belletristik > Pferdeparadies Stammelhof
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Belletristik
Buch Leseprobe Pferdeparadies Stammelhof, Martina Sein
Martina Sein

Pferdeparadies Stammelhof


Pia pusht

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„Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Ferien“, begrüßte Mr. Jones, der Englischlehrer seine Klasse. „Lasst uns diese erste Stunde im neuen Jahr in gemütlichem Rahmen beginnen!“ Auffordernd zeigte er auf die Polstersitzgruppe, die in einer Ecke des Klassenzimmers stand. Als alle von ihren Schreibtischen dorthin umgezogen waren, fragte er: „Wer möchte etwas erzählen?“ Sofort schoss Lolas Hand in die Höhe. Alles andere hätte Leonie bei ihrer besten Freundin gewundert. Dass die nämlich für den Lehrer schwärmte, war nichts Neues. Mr. Jones tat Lola den Gefallen und rief sie auf. „Leg los, Lola!“ Der Unterricht bei Mr. Jones fand ausschließlich auf Englisch statt. Entsprechend musste der Bericht sein. Leonie wunderte sich immer wieder darüber, wie gut ihre beste Freundin das inzwischen beherrschte. Früher hatte sie sich grundsätzlich im Unterricht kaum gemeldet. War sie auf der Straße von Touristen nach dem Weg gefragt worden, hatte sie sich nie getraut, diesen auf Englisch zu beschreiben, obwohl das zu den Dingen gehörte, die sie bereits in der fünften Klasse gelernt hatten. Da die Mädchen meistens gemeinsam unterwegs waren, hatte Leonie das übernehmen müssen. Seit sie jedoch an der Elias-Franke-Schule waren, hatte Lola eine Hundertachtziggradwendung gemacht. Sie war offen und arbeitete aktiv im Unterricht mit. Nachdem Lola mit ihrem Bericht fertig war, wollte Liam der Nächste sein. Er war der Älteste und Selbstbewussteste der Sechslinge, welche die restlichen Klassenkameraden von Leonie und Lola waren. Seine Schwester Malia hatte sich ebenfalls gemeldet. Die Lehrer wussten, dass Liam sich für die anderen fünf verantwortlich fühlte, die das allerdings nicht immer begrüßten. Daher rief Mr. Jones zunächst Malia auf. Liam zog ein beleidigtes Gesicht. Nach und nach kamen alle an die Reihe, die etwas beitragen wollten. Am Ende wandte Mr. Jones sich an Leonie: „Wie war es bei dir?“ „Lola hat alles erzählt, was wir erlebt haben“, gab Leonie zurück. Im Großen und Ganzen stimmte das ja. Sie hatte lediglich einen Bereich in ihrem Leben, den sie nicht mit ihrer besten Freundin teilte. Das waren ihre täglichen Treffen am See mit Lutz und dessen Hündin Truska. Dazu nahm sie immer den Bernhardiner von Oma mit. Rasputin war ansonsten faul und lag grundsätzlich im Weg, aber wenn es darum ging, mit der gefleckten Hündin zu spielen, wurde er zu einem anderen. Das würde Leonie niemandem in diesem Raum erzählen. Diese Treffen waren ihr ganz persönlicher Schatz. Lediglich Astrid, die neben Leonie, Lola und ihren Müttern Isabella und Pia wohnte, wusste Bescheid. Lutz war älter als Leonie, und sie selbst wurde erst im April sechzehn. Dazu kam, dass Isabella regelrecht männerfeindlich eingestellt war. Es würde eine mittlere Katastrophe geben, sollte sie von Lutz erfahren. Dessen war Leonie sich sicher. „Was ist mit deinem verletzten Pferd?“, hakte Mr. Jones nach. „Das hat Lola nicht erwähnt.“ „In Ordnung“, meinte Leonie lachend. „Mit Merlin geht es bergauf. Ich kann ihn in Schritt und Trab reiten. Laut Tierärztin dürfte ich sogar mit ihm galoppieren, wenn er es von sich aus anbietet, aber das traue ich mich irgendwie bisher nicht so richtig. Ach ja, habe ich einmal erwähnt, dass meine Mutter sich vor den Ferien ein neues Pferd gekauft hat?“ Mr. Jones schüttelte den Kopf. „Sie heißt Dunja und ist größtenteils ein Kaltblut. Auf sie ist absolut Verlass, weil sie ein Kutschpferd ist. Isabella ist total glücklich mit ihr. Einmal habe ich Dunja reiten dürfen. Ich kann sie echt verstehen.“ „Na also, jetzt haben alle etwas beigetragen.“ „Außer Ihnen“, korrigierte Liam. Daraufhin nickte Mr. Jones. „Sehr gut aufgepasst, Liam. Wenn es euch interessiert, würde ich euch von meiner Reise nach England erzählen.“ Die ganze Klasse hatte gehofft, dass Mr. Jones das machen würde. Sie lauschten gespannt, was der Lehrer zu berichten hatte. Auf diese Weise gingen die ersten beiden Schulstunden dieses Jahres vorbei wie im Flug. Die Pause stand an. In der trafen Leonie und Lola sich mit Astrid. „Na, schon wieder drin?“, wollte Leonie wissen. Astrid gähnte. „Als wären wir nie weg gewesen. Das Problem ist nur, dass ich in der Nacht vor dem ersten Schultag immer grauenhaft schlafe. Ich verstehe das nicht. Egal, wie müde ich ins Bett gehe, am Ende wälze ich mich von einer Seite zur anderen und penne einfach nicht ein.“ „Du solltest dein Zimmer renovieren“, schlug Lola vor. „Seit ich so ein tolles habe, schlafe ich wie ein Murmeltier. Früher in München bin ich nachts oft aufgewacht. Ich glaube, das ist mir seit unserem Umzug noch nie passiert.“ „So gesehen hat es aber nichts mit deinem neu gestalteten Zimmer zu tun“, korrigierte Astrid, „sondern damit, dass du in der Stadt schlecht geschlafen hast. Das hat sich mit unserer guten Landluft verändert. Außerdem ist es bei mir ja bloß nach den Ferien. Von heute auf morgen schaut das bestimmt anders aus.“ Der Gong ertönte und rief die gesamte Schülerschaft zurück in ihre Klassenzimmer. Für Leonie und Lola stand Mathematik bei ihrem Klassenlehrer Herrn Wegschneid auf dem Programm. Der fragte zwar ebenfalls kurz nach, ob alle schöne Ferien gehabt hatten, startete daraufhin allerdings mit dem Stoff. Dafür blieben sie an ihren Pulten sitzen. Die letzten beiden Stunden an diesem Tag waren für Kunst reserviert. Leonie hatte bei sich bisher kein sonderliches Talent feststellen können. Ihr Lehrer, ein übergewichtiger Mann, der sich selbst für einen verkannten Picasso hielt, erklärte: „Ihr wisst, dass wir mit den Bildern aus dem Weltall vor den Ferien fertiggeworden sind. Im Umkehrschluss fangen wir heute etwas Neues an. Ich möchte, dass ihr mit Bleistift eine Zeichnung von den vier wichtigsten Menschen in eurem Leben anfertigt. Die sollen alle auf ein großes Blatt. Dafür verwenden wir eine spezielle Technik.“ Umständlich erklärte er, wie er sich die Porträts vorstellte. Anschließend sollten die Schüler mit dem ersten Bildnis beginnen. Leonie dachte kurz nach. Eigentlich wollte sie mit Lola anfangen, fand das aber nicht ganz fair. Daher entschied sie sich für Isabella. Am Ende der Doppelstunde stellte Leonie überrascht fest, dass der Kopf, den sie zu Papier gebracht hatte, tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Mutter aufwies. Sie zeigte Lola den Entwurf, die neben ihr saß und die ganze Zeit beinahe mit der Nasenspitze auf dem Block und der Zunge zwischen den Lippen gearbeitet hatte. Das machte sie immer, wenn sie hoch konzentriert bei Dingen war, wie einen Faden in eine Nadel einzufädeln oder Ähnliches. Der Gong erlöste die Schüler für diesen Tag. „Macht bitte zu Hause nicht weiter! Wir gehen die einzelnen Schritte gemeinsam durch“, mahnte der Lehrer vorne. Leonie war sich nicht sicher, ob alle ihn gehört hatten. Sie persönlich war erleichtert, dass sie ihren großen Zeichenblock erst in zwei Wochen wiedersehen würde. Zu Hause wurden die Mädchen überrascht, dass Pia da war. Die hätte bei der Arbeit sein müssen und erst abends heimkommen dürfen. „Was machst du denn hier?“, erkundigte Lola sich sofort. „Ihr wisst doch, dass ich mich in meinem Urlaub auf eine Stelle beworben habe“, begann Pia. „Die haben mich am Morgen angerufen und gefragt, ob ich zufällig heute schon zum Vorstellungsgespräch kommen könnte. Die Personalchefin war total begeistert von meiner Bewerbung. Die hat sie so ziemlich als Erstes auf den Schreibtisch bekommen, als sie selber aus den Ferien zurück war. Der Betrieb hatte die vergangenen zwei Wochen geschlossen.“ „Das heißt, du müsstest nicht mehr um ein paar freie Tage zwischen den Jahren betteln, sondern hättest da immer frei?“, hakte Lola nach. „Wenn es klappen würde, ja.“ Pia nickte. „Ich muss um halb drei dort sein. Deshalb habe ich mir spontan den Nachmittag freigenommen. Mein Chef war zwar überhaupt nicht begeistert, aber das ist er nie. Wenn es nach ihm gehen würde, gehörten Urlaub und Feiertage abgeschafft. Ich glaube, der sitzt sogar am Sonntag an seinem Schreibtisch und flucht, dass die Belegschaft das nicht macht.“ „Klingt nach einem Sklaventreiber“, stellte Lola fest. „Schau zu, dass du von dem wegkommst!“ Leonie korrigierte: „Eher ein Workaholic. Der sollte dringend seine Work-Life-Balance überprüfen.“ „So etwas gibt es für den nicht. Jedenfalls wollte ich nicht von der Arbeit zum Vorstellungsgespräch hetzen. Also kann ich euch genauso gut ein ordentliches Mittagessen vor die Nase setzen.“ Die Türe ging, und kurz darauf tauchte Isabella auf. Sie arbeitete Teilzeit, seit sie im Sommer die Reitanlage gekauft hatte. Schließlich musste sie sich darum neben ihrem Job kümmern können. Komplett ohne ging es jedoch nicht, da der Betrieb – zumindest bisher – nicht genügend abwarf. Isabella war froh, wenn er sich selbst trug. Ertrag erhoffte sie sich die nächste Zeit keinen davon. Darum ging es aber gar nicht. „Nanu?“, wunderte sie sich, als sie ihre beste Freundin in der Küche entdeckte. „Was machst du hier?“ Pia wiederholte, was sie den Mädchen zuvor gesagt hatte. Nach dem Essen und den ersten Hausaufgaben des Jahres saß Rasputin erwartungsvoll neben der Haustüre. Leonie meinte: „Pia, du bist mir hoffentlich nicht böse, wenn wir unsere Runde drehen. Ich drücke dir ganz fest die Daumen und bin in Gedanken bei dir.“ „Zischt ab, ihr beiden!“, forderte Pia Leonie auf. Isabella warf ein: „Irgendwann, wenn meine Zeit es zulässt, begleite ich euch.“ Bei dem Gedanken bekam Leonie einen riesigen Schrecken. Hoffentlich kündigte Isabella das rechtzeitig an, dass sie Lutz Bescheid geben konnte. Alles andere wäre in einem Horrorszenario geendet. Heute konnte Leonie zum Glück normal losziehen. Als Leonie mit dem Bernhardiner an der Leine vor das Haus trat, stellte sie fest, dass es für Januar ungewöhnlich warm war. „Uns soll es recht sein, oder alter Junge?“ Die vier Frauen wohnten zurückgesetzt hinter den Nachbarn und mussten gewissermaßen immer über deren Grundstück zu sich. Bis zur Straße ging Leonie. Sie wandte sich nach rechts und fiel in ihren üblichen Dauerlauf. Wer jemals versucht hatte, mit Rasputin spazieren zu gehen oder ihn gar zu einem Trab zu überreden, hätte sich gewundert, wie munter der große Hund unterwegs war. Leonie fragte sich, ob es so etwas wie Liebe unter Tieren gab. Wenn ja, dann hatte der Bernhardiner seine große in Truska gefunden. Traf das auf sie bei Lutz ebenfalls zu? Auf dem Rückweg musste Leonie kurz zu Hause vorbei, um ihre Reitsachen anzuziehen. Das Laufen hatte nach dem langen Sitzen während des Vormittags sehr gutgetan. Bevor Leonie hineinging, fiel ihr auf, dass die Garage offenstand, aber Isabellas Auto nicht darin stand. Sie vermutete, dass Pia sich das ausgeliehen hatte, um zu ihrem Vorstellungsgespräch zu fahren. Sie sah sich in ihrer Annahme bestätigt, als der Geländewagen sich auch nicht auf dem Parkplatz vor dem Stall befand. Drinnen wurde Leonie von Elli erwartet. „Na du?“, fragte sie. „Wie war der erste Schultag bei dir? Hast du eigentlich die Schule wechseln müssen nach eurem Umzug?“ Elli, die plötzlich im neuen Jahr auf dem Stammelhof aufgetaucht war, schüttelte den Kopf. „Eching liegt bloß zehn Kilometer von unserem bisherigen Wohnort entfernt. Mein Vater ist dageblieben. Ich war vorher auf dem Gymnasium mit der Klosterschule und gehe da weiter.“ „Die Schule haben wir uns angeschaut, als wir von München hier rausgezogen sind“, erinnerte Leonie sich. „Gefällt es dir da?“ Schulterzuckend meinte Elli: „Leute, denen es in der Schule gefällt, sind komisch.“ Daraufhin musste Leonie lachen. „Früher habe ich genauso gedacht, aber seit wir auf der Elias-Franke-Schule sind, ist alles anders.“ Sie erzählte ein bisschen, wie es dort zuging. „Es bleibt am Ende eine Schule; die absolute Zeitverschwendung. Als wenn ich in meinem Leben noch einmal Latein brauchen würde!“ „Wer weiß? Vielleicht möchtest du irgendwann Ärztin werden oder Wissenschaftlerin. Da sind viele Begriffe in Latein“, gab Leonie zu bedenken. Entsetzt schüttelte Elli den Kopf. „Kommt gar nicht in die Tüte!“, rief sie aus. „Entweder will ich Pferdewirtin werden wie ein Mädchen in der Serie, die ich gerade über einen Reiterhof lese, oder … ach, ich hab keine Ahnung. Eines weiß ich sicher: Ich werde nicht studieren.“ Rasch wechselte sie das Thema: „Machst du heute beide Pferde von dir?“ „Sorry, aber ja. Ich denke, ich werde endlich ausprobieren, ob Merlin das Galoppieren aushält. Wenn du magst, fange ich mit Kobold an. So kannst du Merlin fertigmachen und ein bisschen aufwärmen. Was hältst du davon?“ Sobald man Elli offerierte, reiten zu dürfen, machte man sie glücklich. Dabei war es ihr egal, ob sie zehn Minuten oder eine Stunde im Sattel saß, lediglich Schritt ging oder auch traben und sogar galoppieren durfte. Nachdem Leonie mit Kobold gearbeitet hatte, übernahm sie ihren Braunen von Elli. Die wollte das jüngere Pferd dafür versorgen. Tatsächlich schien Merlin regelrecht darauf gewartet zu haben, endlich galoppieren zu dürfen. Er sprang sofort an, als Leonie ihm die Hilfe dazu gab. Ein Glücksgefühl durchflutete sie. Sie liebte den Wallach und freute sich jedes Mal, wenn sie ihn reiten konnte. Dass er beinahe wieder gesund war, war das Schönste, was ihr im Moment passieren konnte. Nach getaner Arbeit gingen Isabella und Leonie nach Hause. Lola hatte an diesem Tag nur ihre Silia bewegt und wollte Englisch lernen. Das Garagentor war diesmal geschlossen. Leonie vermutete, dass Isabellas Auto drinnen stand. Pia musste längst zurück sein. Was sie wohl von dem Termin zu berichten hatte? Hoffentlich wusste sie in ein paar Minuten mehr.


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