Laut ihrem Navi war sie noch circa drei Straßen von
ihrer neuen Schule entfernt. Neue Schule, neue Leute,
neue Lehrer, neuer Stoff. Das war das Einzige, was sie
jedes Mal aufs Neue aufregte. Sich eingewöhnen zu
müssen und neue Freunde zu finden, aber auch diesmal
würde sie das, wie die anderen Male meistern.
Schließlich blieb ihr ja auch keine andere Wahl.
Sie ging gerade an einer hohen weißen Mauer entlang
und hatte das Ende fast erreicht, als ein blonder
Junge in ihrem Alter um die Ecke gerannt kam.
Ohne an etwas Böses zu denken, griff er sie, drückte
sie an die Mauer und hielt ihr mit einer Hand den
Mund zu. Doch bevor Lena reagieren konnte,
drückte er seine Lippen auf die Hand. Lena blieb im
ersten Moment stocksteif stehen, bis sich ihr Gehirn
wieder einschaltete. Nur seine Hand hielten seine
Lippen davon ab, ihre zu berühren. Ihr Herz raste
bei diesem Gedanken und plötzlich reagierte ihr
Körper wie von selbst. Sich gegen die Gefahr, die
nur wenige Millimeter vor ihr stand, wehrend, versuchte
sie ihn von sich wegzuschieben und sah aus
den Augenwinkeln, wie eine Gruppe Jugendlicher
suchend um die Ecke rannte. Lena trat und schlug
auf ihr Gegenüber ein, in der Hoffnung, dass die
Jugendlichen es mitbekommen und sie aus dieser
misslichen Lage befreien würden.
»Halt still, sonst könnte es auf einmal passieren,
dass mir meine Hand wegrutscht«, grinste er frech
und zog warnend eine Augenbraue in die Höhe.
Seine blaugrünen Augen fixierten ihre. Verdammt,
wo war sie hier nur hineingeraten? Es war mittlerweile
offensichtlich, dass diese Kerle nach ihm
suchten und er sie nur als Abwehrmanöver in diese
Situation brachte. Sie hoffte nur, dass er sie freigeben
würde, wenn sie verschwunden waren. Aber
eins fiel ihr neben diesem verdammten Herzrasen
und den weichen Knien dennoch auf. Er sah verdammt
gut aus. Das gab ihm aber noch lange nicht
das Recht, sie hier festzuhalten. Plötzlich rannte die
Gruppe weiter, ohne ihn entdeckt zu haben, und der
Kerl vor ihr, atmete erleichtert aus und gab sie breit
grinsend frei.
»Okay, braves Mädchen«, lobte er sie und blickte
dabei in Lenas verdutztes Gesicht. Als er keine Antwort
bekam, fügte er noch hinzu, bevor er abdampfte,
»wir sehen uns.«
Lena war wie vor den Kopf gestoßen, überrumpelt.
Ihr Herz schlug bis zum Hals und ihre Beine
hielten sie auch nicht mehr. Sie sackte an der Mauer
herunter in die Knie und versuchte, einen klaren
Kopf zu bekommen. Noch immer starrte sie auf den
Punkt, wo der verdammte Kerl verschwunden war.
Oh man und da dachte sie, hier auf dem Land
wäre nichts los, doch so etwas hatte sie selbst in der
Stadt noch nicht erlebt. Ihr Herz machte noch immer
unkontrollierte Sprünge. Verflixter Kerl. Vor allem
kannte sie nicht mal seinen Namen, hoffte aber
instinktiv, dass er ihr in der Schule nicht über den
Weg laufen würde, denn dann würde er sein blaues
Wunder erleben.
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