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Belletristik
Buch Leseprobe Gehöre ich halt nicht dazu, Johannes Angerer, Miriam Koch
Johannes Angerer, Miriam Koch

Gehöre ich halt nicht dazu



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Gehöre ich halt nicht dazu


 


Es beginnt mit meinen Problemen. Ich habe zu viele: Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, ich glaube nicht an ein Leben vor dem Tod. Ich zweifle an allem. Vor allem an mir. Ich bin 36 Jahre alt. Ein Alter, das man gerne als „mitten im Leben stehend“ bezeichnet. Von wegen stehend. Ich, ich taumle am Lebensrand herum. Und das schon seit Jahren.


Peter Alexander würde singen: „Ich zähle täglich meine Sorgen, denn ich sorg mich sehr.“ Ich hasse dieses Lied, diese aufgesetzte Fröhlichkeit.


Ich bin in Wien daheim. In der lebenswertesten Stadt der Welt, wie sie immer wieder sagen. Ich kann den Wert nicht spüren. Ich kann das Leben nicht spüren.


Wie ich heiße, ist egal. Oder wird es spannender, wenn mein Name sagen wir Felix ist? Oder André oder Mehmet oder Thomas? Es ist doch egal.


Wichtig ist: Ich hielt es nicht mehr aus, ich halte es nicht mehr aus.


Die blöden und hässlichen Gesichter. Das dumme Geschwätz. Die billige Musik. Peter Alexander. Casting-Shows. Der ganze lustige Spaß. Die Nachrichten. Die Welt. Ich schrie den Fernseher an. Werbung. Ich gab dem Bildschirm einen Tritt. Mein Fuß tat weh. Ankündigung: Am Abend eine Arztserie, keinesfalls versäumen. Shit. Ich schätzte das TV-Gerät auf 15 Kilo. Röhre statt Flat. Ich öffnete das Fenster und warf den Bildschirm hinunter in den Innenhof. Es klirrte. Ein befreiendes Geräusch. Ich konnte für einen kurzen Moment so richtig frei durchatmen. Wie früher. Als es mich noch interessierte, das Leben. Damals habe ich von verschiedenen Karrieren geträumt: Ich als Kabarettist, Sänger, Spion oder als Geschäftsmann. Doch je älter ich wurde, desto weniger konnte ich mich begeistern, nichts schien für mich passend. Für einen Kabarettisten war ich zu wenig lustig. Für einen Sänger fehlten mir die Lieder. Für einen Spion fehlte mir der Mut. Darum habe ich es einfach sein lassen.


Nachdem ich den Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte, stellte ich mich vor den Spiegel. Ich wollte lächeln, aber ich sah nur ein eigentümliches Grinsen. Das Gesicht im Spiegel interessiert sich nicht für mich. Es interessiert sich für nichts. Früher dachte ich, es wird alles immer größer, schöner, bunter und mehr. Das stimmt auch im Wesentlichen. Aber es bereitet mir keine Freude mehr. Einfach so. Ich mag das Leben nicht mehr, das Leben mag mich nicht mehr. Natürlich, es gäbe viele Gründe, glücklich zu sein. Aber noch mehr, um es nicht zu sein, finde ich. Aus. Alles vertrottelt, alles nicht zum Aushalten. Ich bin Rationalist. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Oder hatte ich überhaupt jemals Kraft? Ich zweifle.


Ich muss mich niederlegen. Ich schlafe immer so schlecht, bin den ganzen Tag müde. Ich bin zu erschöpft vom Leben um zu leben. Bin wie ein Frosch in einem Marmeladensee. Wie eine Fliege in der Dusche.


Ich hasse meine dummen Gedanken.


Was ich mit meiner Zeit so mache, jetzt wo ich kein Sänger, Kabarettist, Spion oder Geschäftsmann wurde? Um ehrlich zu sein: Nichts.


Wie ich mich finanziere? Mittels Bankomat. Ich lebe von den Zinsen, solange ich pro Woche nicht mehr als 700 Euro ausgebe. Das geht sich aus. In der Bank sind sie immer recht freundlich zu mir. Mir ist das zuwider. Würde ich meine Konten überziehen, bekäme ich nicht mehr bei jedem Besuch sofort einen Kaffee angeboten.


Wie ich den Tag umbringe? Eh klassisch. Viel vor dem Notebook sitzen, viel denken. Aber statt des Tages möchte ich lieber mich umbringen.


Am Computer erwecke ich Figuren zum Leben und zerstöre sie. In meinen Geschichten gibt es große Helden, die ich rasch klein mache. Und wenn ein anderes Leben beendet wird, bin auch ich wieder ein bisschen gestorben. Aber eben nur ein  bisschen. Und das ist mir jetzt schön langsam zu wenig. 


Gibt es einen Grund? Vielleicht. Es ist kein richtiger Grund, aber es zieht mich runter. Gestern ist meine Boa gestorben. Sie hatte keinen Namen. Sie war einfach mein Tier. Ich habe den toten Schlangenkörper vorsichtig in eine Bananen-Schachtel gelegt und dann das ganze in den Altpapier-Container geworfen. Entfernte Bekannte sagen, meine Schlange hätte mich davon abgehalten, Beziehungen mit Menschen zu führen. Wofür brauche ich Beziehungen? Dumme Weisheiten von Leuten, die einfach keine Ahnung haben. Nicht von Schlangen, nicht von Menschen und nicht vom Leben. Unerträgliches, saublödes Blabla. Am Ende brauche ich nichts und niemanden. Nicht einmal mich.


Ich hatte niemals zuvor einen toten Leib berührt. Zumindest nicht bewusst. Zumindest nicht von einem Wesen, das größer als Ameisen und Mücken ist. Nicht die Kälte der Leiche stand im Vordergrund als ich sie berührte. Es war vielmehr die blanke Leere. Toter Körper ist Verpackung, das wurde mir mit einem Schlag bewusst. Die Verpackung macht nur ganz wenig des gesamten Lebewesens aus. Im Tod noch viel weniger als im Leben. Aber wo ist das viele Leben plötzlich hingekommen, hab ich mich gefragt? Gefühlt habe ich es auch im Umkreis des Altpapier-Containers. Im Geziefer im Müll. Im nassen Dreck an den Wänden. Auch in den Menschen, die sich dort in der Nähe aufhielten. Jene Menschen, die ihre Prospekte direkt aus dem Postkasten in dem Müll warfen. Und überall sonst. Im ganzen Raum. Bloß nicht in der Leiche selbst. Vielleicht ist das Leben Luft geworden. So wie Liebe Luft wird, wenn man sich nicht mehr liebt. Stinkige, stickige Luft. Lust hatte ich. Geliebt habe ich nie. Es hat mich ja auch niemand jemals geliebt.


Mein bester Freund heißt pitpuff69. Ich habe ihn vor Jahren im Internet kennen gelernt. Wir haben uns oft geschrieben. Er fand, ich sollte mehr unter die Leute gehen. Besserwisser. Aber wenigstens war er erfrischend zynisch. Ich glaub, er mag Menschen im Allgemeinen auch nicht. Wir haben uns stundenlang unterhalten. Vor dem Computer. Von Mensch zu Mensch. Viele Jahre habe ich im Internet nur gesurft. Bilder geschaut. Filme gesehen. Spiele gespielt. Ich wollte nicht angesprochen werden und wollte niemanden ansprechen. Ich wollte nur beobachten. Still und heimlich mit dabei sein, wenn die anderen leben. Ich kleiner Spion, ich. Als Kind habe ich oft davon geträumt, wie schön es wäre, wenn die Welt eine Pause einlegen würde, sobald ich das will. Ich würde auf der Fernbedienung PAUSE drücken. Die Welt würde sich aufhören zu drehen. Alle Menschen würden auf meinen Knopfdruck hin stoppen. Wie bei so einem Flashmob. Freeze. Aber eben alle Menschen. Außer mir natürlich. Ich könnte mir dann in Ruhe alles ansehen. Ich könnte locker auf die Menschen zugehen. Ich könnte mir alles an ihnen ganz genau ansehen. Und sie ertasten. Ich könnte riechen an ihnen und mich abwenden, wann ich es will. Ohne zu fragen, ohne mich zu entschuldigen, ohne mich zu verabschieden. Eben ohne die ganze falsche Scheiße. Einfach echt. Und neugierig. Ich würde die Welt dann natürlich wieder einschalten. Wie oft würde ich die Pause-Taste wohl drücken? Ich weiß nicht. Wann immer ich Lust dazu hätte. Hauptsache Kontrolle. Über alle. Und keiner von diesen Ärschen würde mir dann wehtun können. Ich würde nicht gefragt werden. Ich würde nicht kontrolliert werden. Ich würde ihnen im Gegenzug wahrscheinlich auch nicht wehtun. Ich wäre wohl so was wie gnädig. Damit sie mich später bemerken, achten und dankbar lieben. Und vielleicht ernennen sie mich ja zu ihrem König.


Meine Mutter ist eine dumme Frau, ein fettes Monster mit Milliarden Macken. Sie lebte nach dem Motto "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen", aber im materialistischen Sinn. Das heißt, sie kaufte gerne ein. Am liebsten bei Frigo, dem Tempel der Volltrottel. Sie las Prospekte als seien das wissenschaftliche Bücher, studierte Sonderangebote, Woche für Woche sah ich sie gebeugt über den Werbungen sitzen. Dann brachte sie alle möglichen Sachen heim, die praktisch sein sollen. Praktisch sinnlos, fand ich. Praktisch unbrauchbar. Meine Wohnung sieht auch jetzt noch wie ein Kaufhaus aus, weil viele Dinge, die sie gekauft hat, gar nicht ausgepackt wurden. Ich sollte alles aus dem Fenster werfen.


"Jede Woche ein neues Leben" verspricht Frigo auf seiner Website. Eine neue Mutter wurde mir nie geliefert. Sie blieb immer die gleiche. Auch wenn sie so viele Diäten machte, dass ich mit fünf Jahren mehr Diäten beim Namen kannte als Kinderbücher. Auch wenn sie sich alle paar Monate beim Friseur radikal verändern ließ. Sie hat sich selten ähnlich geschaut und doch war sie immer dieselbe.


Manche sagen, ich sehe aus wie sie. Immer dann hab ich das Bedürfnis, zum Friseur zu gehen, radikal meinen Typ zu ändern, mir eine Glatze scheren zu lassen oder die Haare blond zu färben. Ich will nicht so sein wie sie! Ich will, dass sie bleibt, wo sie ist: weit weg. Ich will sie nicht spüren.


Manchmal glaube ich, ich könnte beginnen, meine Mutter zu verstehen, dann fühle ich mich komplett verrückt.


Ich greife nach neuen Frotteeküchenhandtüchern mit lieblichen Blumen und versuche dabei, meine Mutter zu begreifen. Es geht nicht. Es kratzt. Es schmiert. Und es stinkt. Aber ich bin froh. Ich hasse Nähe.


"Jede Woche ein neues Leben." Das wäre doch eigentlich ein verdammt gutes Lebensmodell. Trauer? Aber wo! Übermorgen beginnt doch schon wieder eine neue Welt. Sie geht im Osten auf und im Westen unter.


Freude? Prinzipiell schon. Aber am Mittwoch ist alles vorbei. Oder sollte das wochenfrische Leben immer montags beginnen? Das wäre wohl langweilig. Donnerstag fände ich ganz gut. Da lässt die Kraft ohnehin schon stark nach. Im Kopf natürlich bloß. Es ist egal, wann wir zu zählen beginnen und wann wir damit aufhören. Es ist ohnehin immer alles da und gleichzeitig auch nicht.


Alles haben wir künstlich in Einheiten eingeteilt, an die wir uns eben gewöhnt haben. Interessant wäre ein Leben, das nur eine Woche dauert. Für manche Lebewesen gilt das ja jetzt schon, denke ich. Wahrscheinlich wäre auch bei diesem Modell die Kraft am Donnerstag schon recht gering. Natürlich nur dann, wenn nicht  am Mittwoch begonnen wurde. Aber das sollte ohnehin nicht sein, denn ich meine jetzt ein ganzes Leben. Mein ganzes Leben. Nicht ein Jede-Woche-ein-neues-Leben-Leben. Ein Nur-diese-eine-Woche-Leben meine ich. Oder besser: Ein Nur-mehr-diese-eine-Woche-Leben. Ich denke ziemlichen Schwachsinn daher. Aber ich verstehe mich. Wenigstens ich. Das sollte doch reichen. Ich verliebe mich auf Anhieb in diese Idee. Denke darüber nach, wie es wohl wäre.


Ich sollte es wohl ausprobieren. Vielleicht ist der ganze Dreck dann irgendwie erträglicher, denke ich. In sieben Tagen wäre ich dann tot. Und bis dahin lebe ich. Mehr oder weniger. Die Idee kommt von irgendwo da innen in mir daher. Eher aus dem Bauch. Und das gefällt mir. Ich habe selten solche Eingebungen, die mich gleich überzeugen und nicht zweifeln lassen. Und noch viel weniger oft habe ich Ideen, die mir gefallen und die ich umsetzen mag.


Ich werde über dieses Leben nun Buch führen. Mein dummes, kaputtes Leben steckt so zwischen einem Blog über Patchwork-Decken, Polit-Gedanken und dem Blog über drei Buben, in dem die Mutter der Welt erzählt, was sie heute gemacht und gekocht hat. Gestern hat sie Äpfel im Schlafrock gemacht und mit ihren Kindern das Planetarium besucht. Un-pack-bar.


Da ist der eigene Tod in sieben Tagen gleich wesentlich würdevoller. Ich werde das angehen. Und ich bin zugleich überrascht, wie rasch ich zu einer Entscheidung gelangen kann. Nicht unbedingt, dass ich gerade zu dieser Entscheidung gelangt bin, überrascht mich. Eher, dass ich überhaupt zu einer Entscheidung gefunden habe. Die letzte echte Entscheidung habe ich in der Wahlzelle getroffen. Und das ist auch schon ein paar Jahre her. Noch dazu war sie falsch, obwohl ich zehn Minuten in der Wahlkabine noch hin und her überlegt habe. So wie eigentlich immer. Vielleicht entscheide ich deshalb so selten.


Dass ich mich jetzt so unkompliziert für den Tod entschieden habe, macht mich richtig stolz. Und dieser Stolz fühlt sich gut an. Das Gefühl ist nach wenigen Momenten dann aber auch gleich wieder weg. Und es herrscht erneut jenes Gefühl vor, das mir so sehr vertraut ist. Keines. Wohlig leichte, saubere Gefühllosigkeit. Aber immerhin bin ich in einer Woche tot. Ich habe also ein Ziel. Und geht mir das Leben auf den Wecker  - und das tut es oft - denk ich mir: Eh nur noch ein paar Tage und einige wenige Stunden. Morgen beginne ich, gleich geht’s los.


Ich träume mich in den Tod und freue mich auf ihn.


 „Herzlich willkommen Tod“ könnte ich auf meine Tür schreiben. Oder „Tod, bitte eintreten“. Und nachher? Was, wenn es nach dem Tod wieder ein Leben gibt. Daran glaube ich nicht, das will ich nicht glauben. Nachher, nachher. Ach. Ich würde dann bitte aber gerne im Weltall begraben werden. Obwohl es dort keine Erde gibt. Oder allenfalls in einer Bananen-Schachtel im Altpapier landen. Irrtum Nummer 752: Ich habe mir gedacht, das Leben wird intensiver, besser, wenn man den Zeitpunkt seines Todes weiß. Aber dem ist nicht so. Es bleibt ein öder Scheiß.


„Ich werde in sieben Tagen so tot sein, wie dieser Truthahn“ sage ich im Supermarkt zu der rothaarigen Kassiererin mit der großen Nase und zeige mit den Fingern auf das Putengeschnetzelte am Fließband. Ich sage das für meine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich und bestimmt.


„37 Euro 40 Cent“, antwortet die dumme Kuh.


„Falsche Antwort“, knurre ich.


„Wie bitte?“.


„Egal.“


Rothaarige Frauen mit großen Nasen sind besonders geil, sagt man. Das reicht völlig aus.


Ich mag den Supermarkt nicht sonderlich. Obwohl ich dort gerne andere Leute beobachte. Etwa ein Paar, sie Mitte 30, mittelhübsch. Er 50 plus, etwas zu dick, aber wirkt recht normal. Sie auf die riesigen Schoko-Osterhasen zeigend: „Die sind soooo süß. Der Herbert hat mir mal einen geschenkt. Aber er hat ihn erst kurz vor Ostern besorgt und musste in zehn Geschäfte gehen, weil sie überall ausverkauft waren.“ Er nimmt das zwei Kilo schwere und 60 Euro teure Schokozeug, gibt es ins Einkaufswagerl. „Aber das musst du nicht“, sagt sie. „Dann muss ich nicht lange suchen“, sagt er. Sie kuschelt sich wie ein Häschen an ihn. Er zahlt. Beide völlige Looser, finde ich.


Wenn ich am Vormittag einkaufen gehe, sind immer ganz viele und sehr alte Leute im Supermarkt unterwegs. Und Mütter mit Kinderwägen. Sodass man als normaler Mensch keinen Platz hat. Sie, Mitte 80, auf Gehstöcken, keuchend: „Nimm das Joghurt da oben, das magst du lieber.“ Er, Ende 80, faltig, fast nicht mehr auf der Welt: „Ja, Schatz.“


Sie, 30, Karrieremutter, unausgeschlafen: „Nein, Schnucki, diese Schokolade bekommst du nicht. Aber ich kauf dir heute Bananen. Bananen. Schau einmal.“ Kind, klein, schreit. „Magst du ein Kipferl, Schnucki? Schau, die Mama kauft dir ein Kipferl.“ Kind schreit. „Wenn du jetzt still bist, liebes Schnuckilein, kauf ich dir Gummischlangen, okay?“ Kind schreit leiser. Mutter gibt doch die Schokolade in den Wagen. Und das Kipferl und die Gummischlangen. Abgang.


Und vor der Tür gehen die Dramen weiter. Mich, mich beachtet keiner. Nur die Kassiererin, wenn ich ihr absichtlich zu wenig Geld gebe.


„Where do you come from?“, fragt mich der alte Knacker neben mir am frühen Abend an der Bar im POTTS, einem Lokal, das scheinbar ausschließlich von hübschen Frauen und fetten, alten Männern besucht wird. Ich bin nicht ganz fehl am Platz. „I am from Austria“, sage ich und komme mir im gleichen Moment wie ein Volltrottel vor. Wenigstens habe ich es nicht gesungen.


„Das hört man“, antwortet der fette, alte Arsch.


„Boring old fart“, zische ich kaum hörbar.


„Bitte?“


„Ach nichts.“


„Ich finde, Reagan war besser als Obama“, sagt der alte Knacker.


„Ist mir egal“, sage ich, über solche Fragen habe ich noch nie gerne geredet. Denn ich kenne beide nicht persönlich, und nur über Fotos mag ich auch nicht urteilen.


„In sieben Tagen bin ich Reagan näher als Obama“, erkläre ich. Ich freu mich, dass morgen früh mein Countdown beginnt. It's the final countdown, tatatataaaa, tataaatatata, singt es in mir.


„Wie meinst du das“, fragt der Typ.


„Leck mich am Arsch“, antworte ich, schlürfe den letzten Rest meines Mojitos aus und gehe Richtung Ausgang. Zum Glück gibt es hier keine Chili-Mojitos. Die trinken sich weniger leicht. Das hübsche Mädchen an der Garderobe reicht mir meinen grauen Mantel. Sie ist so freundlich dabei. Ich verstehe das nicht.


Auf der Straße verabschiede ich mich dann schon mal von den Laternen. Das Licht geht aus. Ich geh nach Haus. Rabimmel, rabammel, rabumm.


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