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Belletristik
Buch Leseprobe Flugangst, Andreas Tietjen
Andreas Tietjen

Flugangst


... und weitere amüsante Kurzgeschichten

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Umkleidekabine


»Wie lange brauchst du noch?«


Dirk trat von einem Bein auf das andere. Schatten an der Wand der Umkleidekabine zeigten ihm, dass Tanja einen Tanz in dem viel zu engen Raum vollführte, um sich in die Kleidungsstücke hineinzuzwängen. Die Tür öffnete sich einen Spalt weit.


»Komm mal bitte.«


»Was denn?«


»Nun komm doch mal her!«


 Tanjas Hand hielt ihm eine schwarze Stoffhose entgegen.


»Schaust du mal, ob es die noch in achtunddreißig gibt?«, forderte sie ihren Freund auf. Dirk antwortete genervt: »Wo hängen die Dinger denn überhaupt?«


»Gleich vorne an einem der Ständer. Sonst musst du halt jemanden vom Personal fragen.«


Dirk nahm das Kleidungsstück, zögerte einen Augenblick, trottete dann jedoch brav von dannen. Lustlos drehte er an den Kleiderständern.


»Hallo! Hallo Fräulein!«, rief er einer Mitarbeiterin des Geschäftes zu, war sich aber im selben Moment darüber bewusst, dass der Ausdruck Fräulein in der heutigen Zeit schon fast einer ausgewachsenen Beleidigung gleichkam. Wie hätte er sie rufen sollen? Junge Frau? Sie war bestimmt ein-zwei Jahre älter als er selbst, da konnte man doch nicht ›junge Frau‹ sagen! Egal jetzt, er wollte endlich die Pflichtübung Klamottenkauf hinter sich bringen. Die Verkäuferin reagierte erwartungsgemäß nicht auf seine Ansprache. Wenn ich einfach zurückgehe und behaupte, dass es die Hose nicht in Größe achtunddreißig gibt, und Tanja sie beim Herausgehen dann doch dort hängen sieht, ist der Tag für mich gelaufen, überlegte Dirk. Also hieß es: Marsch zur Kasse, brav warten, bis man an der Reihe war und anschließend artig fragen. Die Kassiererin durfte ihren Platz nicht verlassen. Mit wenig Enthusiasmus für ihren schlecht bezahlten Job, zeigte sie in Richtung der Kleiderständer, an denen sich Dirk bereits eine Weile zu schaffen gemacht hatte.


»Wenn sie dort nicht mehr hängt, dann haben wir sie auch nicht mehr.«


Genervt stapfte Dirk zurück zu den Hosen. Alle waren schwarz. Schwärzlich jedenfalls. Er suchte nach den Schildern, auf denen die Größen verzeichnet waren. Diese befanden sich natürlich bei jedem Stück an einer anderen Stelle. Dirk murmelte einen schnellen Fluch, dann eilte er zurück zur Umkleidekabine, überm Arm drei verschiedene Hosen, die allesamt dem Muster, welches ihm seine Freundin in die Hand gedrückt hatte, zum Verwechseln ähnelten.


»Hier. Ich hab´ gleich drei mitgebracht«, raunte er ihr zu und überreichte die Hosen. Tanja verschwand wieder hinter der halbhohen Tür.


»Dirk! Das sind ja ganz andere Hosen! So etwas sieht man doch! Und dafür hast du eine Viertelstunde gebraucht?!«


»Da hingen keine anderen Hosen mehr, dann sind die halt ausverkauft!«, rechtfertigte er sich.


Tanja öffnete die Tür.


»Soll ich jetzt selbst losgehen? Das gibt es doch nicht! Noch nicht einmal so eine einfache Aufgabe schaffst du, ohne dass ich dich an die Hand nehme! Dann fragt man halt, wenn man nicht alleine findet!«


»Ich habe ja gefragt! Die Verkäuferin meinte, wenn da am Kleiderständer keine mehr hingen, dann wären sie ausverkauft! Da hingen keine anderen Hosen in der Größe mehr als die, die ich dir mitgebracht habe.«


»Ich habe doch selbst gesehen, dass da noch welche in achtunddreißig waren, Menschenskind!«


Wütend zog sich Tanja eine Bluse über.


»Pass mal einen Moment auf meine Sachen auf!«, schnaubte sie und ging mit energischen Schritten in den Verkaufsraum. Etwa eine halbe Minute später war sie zurück und hielt Dirk die richtige Hose unter die Nase.


»Ausverkauft!«, schnauzte sie ihn erbost an.


 


Die Zeit wollte nicht vergehen. Eine junge Frau schlenderte an ihm vorbei und zog sich ihre Hose zurecht.


»Steht Ihnen«, bemerkte Dirk.


»Was?!«


»Die Hose. Steht Ihnen gut! Äh die Bluse ... äh beides!«


»Ich arbeite hier!«, antwortete sie verschnupft und zog kopfschüttelnd weiter.


Dirk sah betreten auf seine Armbanduhr. Es war bald achtzehn Uhr. Um zwanzig Uhr fünfzehn begann das Fußballspiel und der Wagen war ganz am anderen Ende der Innenstadt geparkt.


»Wie lange brauchst du noch? Ich kann nicht mehr stehen!«


Die Kabinentür öffnete sich und Tanjas Hand schob einen Schemel heraus. Alles klar, es würde also noch etwas dauern. Die übrigen Kabinen wurden belegt, es bildete sich eine Schlange davor. Typisch, immer kurz vor Feierabend wird es voll!


»Warum geht Ihr nicht in die Kabine dort?«, half Dirk zwei Teenagern.


»Ist für Behinderte!«, antwortete eine von ihnen lakonisch.


»Ja weil sie deutlich größer ist, als die anderen und eine Schiebetür hat.«


Die Teenies reagierten nicht auf seine Anmerkung.


»Mann, glaubt Ihr, dass da ein riesiger Abschleppwagen mit orangefarbenen Rundumleuchten kommt und Euch mitnimmt, weil Ihr in einer Behinderten-Umkleidekabine parkt? Das gibt´s doch nicht!« Er schüttelte den Kopf; die Mädchen beachteten ihn nicht.


»Da ist noch eine Kabine frei«, rief er jetzt zum Ende der Schlange herüber. »Eine ganz große!«


Gedränge, Geschubse, dann Rückzieher.


»Was ist?!«, fragte Dirk ungläubig.


»Ist eine Behinderten-Umkleide!«, antwortete eine rundliche Mittzwanzigerin Kaugummi kauend.


Dirk hielt sich die Hand vor die Augen.


»Können Sie mir die hier in vierundvierzig holen?«, fragte ihn eine Brünette mit osteuropäischem Akzent.


»Hä? Ich bin auch nur Kunde!«


Keine Entschuldigung, nur ein Augenrollen.


Tanja trat aus ihrer Umkleidekammer heraus und zeigte sich Dirk.


»Wie findest du die?«


»Die Hose? Hattest du die nicht schon an?«


»Mann! Die Bluse!«


Dirk wiegte den Kopf.


»Ja«, sagte er zögernd.


»Also gefällt sie dir nicht!«


»Doch. Das habe ich ja gar nicht gesagt!«


Mit rollenden Augen verschwand Tanja wieder hinter der Tür.


Eine Frau kam herein, ging zu einer der Kabinen und hielt einen Pollover hoch.


»Sandra? Hier, ich hab dir das mal in L geholt.«


»Das Pullover«, kommentierte Dirk.


»Da ist eine Kabine frei geworden«, stupste einer der Teenager seine Freundin an.


»Ja, aber da hat sich ein dicker Mann drin versteckt!«, provozierte Dirk. Die Zelle blieb leer. Ein vielleicht zwölfjähriges Mädchen verließ einen Umkleideraum mit einem riesigen Berg Klamotten über dem Arm.


»Los!«, forderte eines der Teenies seine Freundin auf.


Dirk: »Da ist gerade sooo eine dicke Spinne reingelaufen!«


Die Mädchen blickten ihn angewidert an. Ohne ein Wort zu sagen, drehten sie sich um, warfen ihre Kleidungsstücke auf den Tresen und verließen den Umkleidebereich.


»Und die? Die Bluse, falls du wieder nicht mitgekriegt hast, dass ich meine eigene Jeans anhabe!«


Tanja sah Dirk forschend an.


»Ist das nicht genau die Gleiche, die du eben schon anhattest?«


»Was?! Die ist doch ganz anders! Du musst auch hingucken, wenn du mir helfen willst!«


»Ich sehe da keinen Unterschied!«


Zack! Tanja weg, Kabinentür zu.


Als eine junge Frau aus einer weiteren Kabine heraustrat und eine ungeduldig wartende Dame hineinschlüpfen wollte, reichte ein »Oh oh!« Dirks aus, um auch sie so zu verunsichern, dass sie aufgab und den Raum verließ.


»Warum geht es denn da vorne nicht weiter?«, hörte Dirk jemanden fragen.


»Die Kabinen sind glaube ich defekt!«, antwortete ein Junge, der ebenfalls auf seine Freundin zu warten schien und nur kurz von seinem Gameboy aufsah.


»Wie defekt?«


»Weiß nicht, da will keiner reingehen!«


Immer mehr Kunden kehrten um und legten ihre Kleidungsstücke auf einen anwachsenden Haufen in der Mitte des Raums.


»Was machst du hier eigentlich die ganze Zeit über?«, fragte Tanja, als sie endlich aus ihrer Kabine heraustrat. »Unterhältst du wieder die Leute?«


Der Umkleidebereich hatte sich indessen vollends geleert. Tanja legte ihre gesamten Kleidungsstücke auf den Haufen.


»Was? Du nimmst überhaupt nichts?!«


»Gefallen mir irgendwie nicht und außerdem habe ich solche Blusen schon. Jedenfalls so in der Art.«


»Und die Hosen?«


 


»Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich brauche ich gar keine neue Hose!«


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