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Belletristik
Buch Leseprobe Eine ungewöhnliche Begegnung, Robert Herchet
Robert Herchet

Eine ungewöhnliche Begegnung



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Die drei Jungen rannten über den belebten Platz, der den Vieux Port, den alten Hafen von Marseille, und die La Canebiere, die große, breite und sehr belebte Strasse, die in das Zentrum der Stadt führt, trennt.
?Attention!?, der Ruf erschallte laut und übertönte die Geräusche des starken Autoverkehrs, der hier allerdings nur stoßweise vonstatten ging.
Die drei trennten sich, dann, auf ein Zeichen, kamen sie kurz zusammen, liefen gemeinsam zwischen den hupenden Autoschlangen hindurch, um sich dann wieder zu trennen. Dieses machte ihnen sichtlich Spaß. Der Flic war so damit beschäftigt, den Verkehr in Gang zu halten, dass er lediglich mit einer Drohgebärde reagieren konnte.

Ein im dichten Menschengedränge kaum beachteter Vorfall war vorausgegangen: Zwei Damen in Begleitung zweier Männer mittleren Alters, offensichtlich Touristen, flanierten die Canebiere entlang.
Plötzlich stießen die beiden Frauen fast gleichzeitig spitze Schreie aus und mit fassungslosem Gesicht deuteten sie in Richtung dreier fliehender Jugendlicher. Die Jungen, im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren etwa, hatten ihnen die Handtaschen entrissen und rannten Richtung Hafen davon.
Nach einer Schrecksekunde erfassten die beiden Begleiter die Lage und setzten den Fliehenden nach. ?Wäre ja gelacht, wenn sie es nicht schaffen würden, die Taschen wiederzuerlangen?, dachten beide. Sie waren überzeugt davon, das sah man ihren Gesichtern an, ?die drei waren ja fast noch Kinder.?
Sie verloren die drei Jungen nie ganz aus den Augen, kamen ihnen näher, dann waren sie nicht mehr zu sehen, um plötzlich wieder in gar nicht so weiter Entfernung aufzutauchen. Mal als Gruppe, mal einzeln. Das erschwerte die Verfolgung allerdings.
Die Verfolger wussten nicht, dass dieses mit zur Stra-tegie gehörte. Sie merkten gar nicht, dass sie mehr und mehr in eine Richtung gelockt wurden, die sie immer weiter von dem Grund der Verfolgung, den gestohlenen Sachen, entfernte.
Die Beute war ja längst, schon am Tatort blitzschnell in die Hände zweier Mädchen übergegangen. Zumindest die wertvolleren Sachen. Das, was die Jungen noch bei sich hatten, war mehr oder weniger wertlos: die leeren Taschen und Portemonnaies, Brillenetuis und so. Die warfen sie dann auch bald weg, dabei darauf achtend, dass sie dabei von den Verfolgern gesehen wurden. Diese stürzten sich dann auch gleich darauf, während die Verfolgten plötzlich wie vom Erdboden verschwunden waren.

Claudine und Aissa besserten verschiedentlich ihr Taschengeld auch durch Aktivitäten dieser Art auf. Beide waren so alt wie die Jungen.
Die eine, Aissa, erschien, zumindest äußerlich, reifer. Sie hatte einen dunklen Teint und langes schwarzes Haar. War sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst. Ihre dunklen Augen blitzten gelegentlich kokett auf, wenn sie einen sah, der ihr gefiel. Meistens waren diese älter. Und ihr Selbstbewusstsein stieg, wenn sie die Wirkung durch die Reaktion des Betreffenden bemerkte.
Die andere, Claudine, war das genaue Gegenteil. Knabenhaft schlank, kurzes blondes Haar. Ihre blauen Augen blickten etwas frech und zugleich skeptisch. Die Lippen waren zumeist zu einem schnippischen Lächeln verzogen.
Trotz dieser Gegensätzlichkeiten verstanden sich beide sehr gut. Sie schienen unzertrennlich.
Sie wohnten im selben Stadtteil wie die Jungen. Einer jener typischen Satellitenstädte, die wohl zum Bild jeder Großstadt gehören. Am Rande derselben gelegen, aber durch Nahverkehrsmittel in ihr integriert.
Wohnsilos boten den beherrschenden Anblick. Ursprünglich durch Grünanlagen miteinander verbunden, war im Laufe der Zeit nicht viel von diesem Grün übrig geblieben. Ein Grund war wohl auch, dass jetzt hier viel mehr Menschen eine Bleibe gefunden hatten, als vorgesehen. Und wo so viele Menschen sind, hat die Natur es immer schwer, sich zu behaupten.

Hier war jeder zweite Jugendliche, der nicht mehr die Schule besuchte, arbeitslos. Angebote für angemessene Freizeitgestaltung gab es kaum. Es war zwar so etwas wie ein Jugendzentrum vorhanden, aber mit der Zeit war dieses überfordert. Weil es viel zu viele Jugendliche und viel zu wenig Betreuungsmöglichkeiten gab. Und die Art der Betreuung kam auch nicht bei allen an.
Deshalb hielten sich viele an bestimmten Stellen der Stadt auf. Reihten sich ein in das Heer der streunenden Jugendlichen. Von den Normalbürgern und auch Besuchern der Stadt so genannt und mit Argwohn betrachtet.

Die meiste Zeit hielten sich die beiden Mädchen in dem Hafenbereich auf, dem die Jungen nun zustrebten.
Oder aber wie jetzt, in einer der kleinen Straßen um St. Charles, dem Hauptbahnhof. Genau entgegengesetzt der Gegend, die den Jungen als Ziel diente.
Für die drei Jungen und zwei Mädchen war dies alles eine Art Spiel. Zwar illegal, aber so genau dachten sie nicht darüber nach.
Es machte einfach Spaß, den gut situierten Bürgern, meist Touristen, die Brieftasche oder was ihnen gerade so in die Finger fiel zu entwenden.
Meistens merkten die Opfer das nicht mal. Oder doch erst viel später, erst dann, wenn die Verteilung der Beute unter den neuen Besitzern schon längst stattgefunden hatte. Und die Bestohlenen konnten sich dann nicht mehr erinnern, wann, wo oder durch wen die Aktion abgelaufen war.
Allerdings interessanter war es aus Sicht der Jugendlichen, wenn es so ablief wie gerade eben, so dass sie die Ratlosigkeit der Betroffenen beobachten konnten, sie sahen, wie diese aufgeregt gestikulierend nach der Polizei riefen. Dabei ihre Unnahbarkeit verlierend und manchmal auch die gute Erziehung vergessend.
Dann kam in den Jugendlichen ein Gefühl der Überlegenheit auf. Sie waren dann die Stärkeren, während sie sonst meist die Verlierer waren. Schuldgefühle hatten sie nicht.

Die drei liefen jetzt nebeneinander her. Die Verfolger waren abgeschüttelt.
?Es reicht.? Alain war es, der dieses schnaufend sagte, indem er ins Gehen verfiel. Die beiden anderen schlossen sich ihm an.
?Nichts mehr drauf??, Hassan wandte sich spöttisch lächelnd seinem Nebenmann zu, ?oder was??
Da erklang von der anderen Seite, verschiedentlich durch einen hohen Diskant durchbrochen, die Stimme Emiles: ?Die Fete gestern, zu viel gesoffen, das war?s wohl.? Dabei holte er eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche, steckte sich mit einer weit ausholenden Handbewegung eine an, während er mit der anderen Hand seinen Kumpels die Schachtel hinhielt.
Er war der jüngste und kleinste der drei. Gerade vierzehn geworden. Wohl deshalb immer bestrebt, dieses durch sein Verhalten auszugleichen. Er hatte blondes schulterlanges Haar und blaue Augen, die pfiffig und aufgeweckt in die Welt blickten. Seine genaue Herkunft kannte er nicht. Zumindest nicht seinen Vater. Schließlich war Marseille eine Hafenstadt.
Den zwei anderen konnte man ihre Herkunft schon eher ansehen. Auch nicht genau, aber von jenseits des Mittelmeeres stammten wohl beide.
Alain war fünfzehn Jahre alt. Den Namen hatten ihm seine Eltern in der Hoffnung gegeben, ihm einen leichteren Start ins ohnehin schon schwierige Leben eines Immigranten zu ermöglichen. Aber je älter er wurde, desto weniger konnte er sich mit diesem französischen Namen anfreunden. Seine Freunde nannten ihn nur Ali. Einfach als Abkürzung. Das gefiel ihm besser und er nannte sich nur noch so. Er war von dunkler Hautfarbe, hatte schwarzes krauses Haar und eine kräftige Gestalt. Er blickte manchmal etwas finster. Das erweckte den Anschein von Brutalität. In Wirklichkeit war er ein introvertierter Typ, dem dieser äußere Ausdruck als eine Art Schutzschild zu dienen schien.
Hassan war der körperlich größte. Von schlanker Gestalt, sein volles schwarzes Haar bedeckte zur Hälfte die Ohren. Seine Hautfarbe war heller als die Alis, doch seine nordafrikanische Herkunft sah man auch ihm an. Seine dunklen Augen offen und neugierig seine Umgebung.

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