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Belletristik
Buch Leseprobe Ein Urlaub in Dänemark, S. P. Reineke
S. P. Reineke

Ein Urlaub in Dänemark


Tristø - die Insel der Traurigkeit

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Irgendwann musste sie wohl doch eingeschlafen sein, denn sie träumte. Sie stand erbärmlich frierend in ihrem Nachthemd an einem dunklen Strand. Nur der Mond erhellte den Sand und das Wasser. Der kalte Wind heulte um sie herum wie ein lebendiges Wesen, und die Wellen peitschten über den Sand, als wollten sie nach ihren Füssen greifen und sie ins Wasser ziehen. Sabine fürchtete sich. Dieser Traum war mehr als nur real. Sie spürte jemanden neben sich und keuchte entsetzt auf, als sie den Kopf wandte und eine kleine Frau in dunkler Tracht neben sich stehen sah. Im Mondlicht konnte sie Einzelheiten erkennen, die ihr im Museum gar nicht aufgefallen waren. Das Gesicht unter dem dunklen Stoff, der um den Kopf gewunden war und das Haar verbarg, wirkte alt und traurig. Falten durchzogen es, und die Haut schien trocken und rissig zu sein. Aber Sabine wusste, dass man vor zweihundert Jahren nicht allzu gute Kosmetik gehabt hatte und hart hatte arbeiten müssen. Die Frau sah aus wie Mitte bis Ende vierzig, war aber bestimmt jünger. Bodil Madsen sah auf das Meer. Wie gebannt starrte sie auf einen Punkt am dunklen Horizont. Mit einem Mal ruckte ihr Kopf herum und sie starrte Sabine mitten ins Gesicht. Sabine wich einen Schritt zurück und spürte, wie dabei der kalte, feuchte Sand unter ihren Füssen leicht nachgab. Es fühlte sich ein bisschen zu real an für ihren Geschmack. Der Wind wurde noch kälter und heftiger. Die Wellen warfen sich bedrohlich auf den Strand. Sabines Füße wurden davon nass und eiskalt, aber sie merkte es nicht. Sie starrte in Bodils blassblaue Augen, die sich starr in ihre bohrten. Bodil hob den Arm und deutete auf den vollen Mond. Sie öffnete den blassen Mund und sprach. Ihr Atem, im Gegensatz zu Sabines, dampfte nicht in der kalten Luft. Die dänischen Worte waren genauso unverständlich wie die der Bedienung im Freja’s, aber Sabine verstand auf einmal jedes Wort. „Alle kvinder lider når der er fuldmåne“ Alle Frauen leiden, wenn der Mond voll ist. Schmerz, wenn der Mond voll war? Bodil meinte wohl kaum monatliche Beschwerden damit. Aber Sabine hatte ihren Humor im Moment verloren. Ihr Atem kam stoßweise, ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie spürte, dass sie sich vor Angst nicht rühren konnte. Aber sie antwortete Bodil. Der tosende Wind riss ihr die Worte von den bebenden Lippen. „Was meinst du damit? Wieso leiden wir, wenn der Mond voll ist?“ Bodil beachtete ihre Frage nicht. „Du bliver såret“, sagte sie schlicht. Du wirst leiden. Sabine schüttelte den Kopf. „Nein, jetzt nicht mehr. Das ist vorbei.“ Der Gedanke an Saschas Liebe umgab sie wie ein schützender, wärmender Schild. Bodil fuhr zu ihr herum und griff nach ihrer Schulter. Sabine zuckte unter dem eisernen Griff heftig zusammen. Bodils Finger waren so kalt wie Eis. „Du bliver såret, tro mig. Mænd har altid såret og undertrykt kvinder siden menneskehedsudvikling.“ Du wirst leiden, glaube mir. Die Männer haben die Frauen leiden lassen, seit es Menschen gibt. „Aber… es gibt auch… gute Männer…“ widersprach Sabine mit vor Angst und Kälte klappernden Zähnen. Bodil schüttelte traurig den Kopf. Ihre letzten Worte waren wie ein endgültiger Richterspruch: „Din sorg vil blive spist op af havet, det samme vil min.“ Die See wird dein Herz zerfressen, so wie meines. Sabines Herz sank, als sie die Gewissheit in Bodils Stimme hörte. Bodil deutete auf den fernen Horizont. Sabine verengte die Augen im stürmischen Wind noch mehr, um etwas zu erkennen. Doch es gab nichts zu sehen. Nur die tosenden, schwarzen Wellen, die sich immer höher türmten. Bald würden sie über den beiden Frauen zusammenschlagen. Aber Sabine konnte sich noch immer nicht rühren. Auf einmal begann der Himmel in der Ferne rot zu leuchten. Kein Rot wie bei einem Sonnenuntergang. Es war ein beinahe blutiges, glühendes Rot. Die Wolken rissen kreisrund auseinander, und für den Bruchteil einer Sekunde konnte Sabine hinein sehen. Sie schrie auf, und in diesem Augenblick riss eine riesige, eiskalte Welle sie ins offene Meer hinaus. Die Strömung wirbelte sie herum, drückte sie unter Wasser, bis sie unterging. Wasser schoss in ihre Lungen, sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust, und sie versank.


 


Sie wachte keuchend auf, als ferner Donner grollte. Es war stockdunkel, und ein Blitz erhellte das Fenster. Oh nein! Nicht schon wieder! dachte sie und hustete. Sie presste den Ärmel ihres leichten Nachthemdes gegen ihren Mund, damit sie Sascha nicht weckte. Zitternd erinnerte sie sich an ihren Alptraum. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, als ihr Bodils Gesicht vor Augen stand, die großen, weit aufgerissenen Augen und der erbarmungslose Ausdruck in ihnen. Und jetzt kam auch noch ein Gewitter. Sabine zog sich die Decke über den Kopf und kniff die Augen fest zusammen, damit sie wenigstens die Blitze nicht sah. Aber sie waren genauso grell, als wenn sie mit offenen Augen direkt vor dem Fenster gestanden hätte. Der Donner krachte immer lauter und in immer kürzeren Abständen. Wie gruselig musste es jetzt wohl an Bodils Strand sein. Bei dem Gedanken daran verkroch sich Sabine noch tiefer unter der Decke. Verdammt, warum wird Sascha davon nicht wach? Der Krach weckt doch Tote auf! Ein Blitz ließ das Zimmer für einen Augenblick taghell in einem violetten Licht erstrahlen. Der Donner folgte fast sofort und sogar das Haus erzitterte unter dem Dröhnen. Sabine hielt sich verzweifelt so gut es eben ging Ohren und Augen zu und legte auch noch das Kissen über den Kopf. So verharrte sie und betete, das Gewitter möge sich bald verziehen. Aber es hielt sich. Nach einem weiteren unglaublich lauten Donner fühlte Sabine etwas neben ihrem Bett. Etwas streifte ihre Bettdecke und stieß sie an. Sabine erstarrte vor Angst. Bodil war ihr vom Strand aus gefolgt… Jetzt ist sie hier…sie kommt, um auch dich in die Hölle zu ziehen…Sie stieß einen erstickten Schrei des Entsetzens aus, als etwas auf ihr Bein fiel und langsam daran herauf kroch. Das Etwas schob sich durch ihre Decke. Sabine hielt es nicht mehr aus. Sie sprang aus dem Bett und griff im Dunkeln mit fliegenden, zitternden Händen nach ihrer Nachtischlampe, knipste sie an, und warf sie gleichzeitig um. Da stand sie vor ihrem Bett und starrte auf Wulfi, der sie schuldbewusst ansah. „Was ist denn hier los?“ Jetzt war auch Sascha endlich wach. Er nahm schlaftrunken das Bild auf, das sich ihm darbot. Dann grinste er. „Lass mich raten, der Köter ist ins Bett gesprungen, und du hast dich erschreckt. Oh Mann. Was hast du eigentlich gegen Gewitter? Das sieht doch toll aus. Ein echtes Naturschauspiel.“ Er stand auf und schlurfte gähnend zum Fenster. Er streifte die Vorhänge zurück. „Sieh mal, es stürmt… der Himmel ist ganz schwarz… und die Wellen auch. Wenn man sich ein bisschen seitlich hinstellt, kann man es sehen. Wow, komm mal! Das musst du sehen! Das wäre was zum Fotografieren!“ Er winkte Sabine heran und sie schlich ergeben zum Fenster. Wenigstens legte Sascha den Arm um ihre Schultern, und sie kuschelte sich dankbar an seine Brust. Er deutete auf etwas links oben. Er hatte Recht. Von hier aus konnte man das wütende Meer sehen. Die Wellen kochten genauso feindselig hoch wie in ihrem Traum. Die Bäume, die ihr Grundstück abgrenzten, bogen sich im heftigen Wind. Dann sah Sabine, was Sascha meinte, und ihr Blut erstarrte zu Eis: Die Wolken waren kreisrund aufgerissen. Dahinter war der Himmel blutrot. „Da hinten ist doch noch ein Ort, wie hieß der noch mal?“ fragte Sascha fasziniert. „Undreby“, flüsterte Sabine tonlos. „Ja genau. Und der Kreis da oben. Der ist direkt darüber.“ „Nein“, widersprach Sabine zitternd, „der ist direkt über Bodils Strand.“


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