Suchbuch.de

Leseproben online - Schmökern in Büchern



Kategorien
> Belletristik > Aus dem Leben eines Au - pairs
Belletristik
Bücher Erotik
Esoterik Bücher
Fantasy Bücher
Kinderbücher
Krimis & Thriller
Kultur Bücher
Lyrikbücher
Magazine
Politik, Gesellschaftskritik
Ratgeberbücher
regionale Bücher
Reiseberichte
Bücher Satire
Science Fiction
Technikbücher
Tierbücher
Wirtschaftbücher
Bücher Zeitzeugen

Login
Login

Newsletter
Name
eMail

Belletristik
Buch Leseprobe Aus dem Leben eines Au - pairs , Dörte Müller
Dörte Müller

Aus dem Leben eines Au - pairs


Welcome to America

Bewertung:
(311)Gefällt mir
Kommentare ansehen und verfassen

Aufrufe:
2190
Dieses Buch jetzt kaufen bei:

oder bei:
www.golub-books.de
Drucken Empfehlen

  


Kapitel 1


  


Die Ankunft und was vorher geschah


  


  


(...) und er träumte von Afrika, als er ein Junge war, und den langen, goldgelben Ufern und den weißen Ufern, die so weiß waren, dass einem die Augen wehtaten, und den hohen Vorgebirgen und den großen, braunen Bergen. Jede Nacht lebte er jetzt an dieser Küste (...)


Der alte Mann und das Meer,


Hemingway


 


 


Es war am 10. September 1990 gegen elf Uhr abends mittelamerikanischer Normalzeit. Ich saß im Flugzeug, schob das Essen zur Seite, lehnte mich zurück und dachte an die vergangenen Wochen, die so ereignisreich waren, dass ich es immer noch nicht fassen konnte. Ich war auf dem Weg nach Chicago und begegnete gleich meiner Gastfamilie, mit der ich ein ganzes Jahr zusammen leben würde.


            Wie hatte eigentlich alles angefangen?


            Um ehrlich zu sein: Die Au - pair Idee war schon ziemlich lange in meinem Kopf. Ich bewunderte insgeheim die Mädchen, die diesen Sprung geschafft hatten und so viel Interessantes über ihr Leben in einem anderen Land zu berichten wussten ...


            Irgendwann fing ich dann an, mich nicht mehr so wohl in meinem Studentenwohnheim zu fühlen. Ständig war ich unglücklich in jemanden verliebt, ständig hatte ich langweilige Pädagogikseminare über mich ergehen zu lassen, und in letzter Zeit zweifelte ich oft an meinem Berufsziel, einmal Lehrerin werden zu wollen.


            Hannah, meine Studienfreundin, lud Sandra und mich eines Nachmittags einmal wieder zum Tee ein. Im Flur ihrer Wohnung hing ein gigantisch großes Bild, auf dem abstrakte Figuren in schrillen Farben ziellos durch die Gegend wirbelten. Ich fragte mich, ob ein echter Künstler, eine Hausfrau, ein Kleinkind oder gar ein Affe der geniale Schöpfer dieses Werkes gewesen war. Vielleicht hatte Hannah auch selber zum Pinsel gegriffen und in einem Selbsterfahrungskurs ihr Inneres herausgelassen - ich musste es einfach herausfinden.


            „Wo hast du denn das her?", fragte ich Anerkennung heuchelnd. „Das hat mir ein Künstler aus Amerika geschenkt, damals, als ich Au - pair war und einen Unfall auf dem Highway hatte. Stell` dir vor: Ich war gerade zwei Tage dort und hatte einen Unfall! Na ja, da hat dann ein netter Mann angehalten und mich abgeschleppt. Mit dem war ich das ganze Jahr über noch im Kontakt ..." „ Du erlebst immer Sachen!", brachte Sandra hervor und schlürfte ihren Tee. Hannah war wieder richtig in Erzähllaune, holte Fotos aus Santa Barbara hervor und berichtete Erlebnisse aus einer mir vollkommen fremden Welt.


            „... schon beim ersten Abendessen mit meiner Gastfamilie fühlte ich mich wie zu Hause. Der Gastvater kam mir total bekannt vor, irgendwo hatte ich schon einmal gesehen. Schließlich stellte sich heraus, dass er bei Dallas mitgespielt hat und bei Flamingo Road. Stellt euch das mal vor! Er lebt in Santa Barbara natürlich unter einem anderen Namen, damit die Leute ihm nicht das Haus einrannten. Jedes Wochenende kamen berühmte Schauspieler zu unseren Partys - ich habe ganze Alben voller Autogramme ..." Hannah zog drei dicke Alben aus dem Regal: Das eine war wirklich voller Autogramme. Die übrigen Bilder zeigten Hannah tiefbraun unter Palmen und knallblauem Himmel. Fehlte nur noch der Schriftzug: Delial bräunt ideal. Ihre Au - pair Kinder umringten sie strahlend - eine Welt voller Sonnenschein.


            „Wenn ich könnte, wäre ich wieder dort!", seufzte Hannah wehmütig. Doch inzwischen war sie glückliche Mutter eines schrumpeligen, rosa Babys, das gerade fürchterlich zu brüllen anfing. „Ich glaube, wir gehen jetzt lieber!", meinte Sandra und nahm sich beim Aufstehen einen Keks. „Das nächste Mal können wir uns bei mir treffen, aber bring die Alben mit, ich höre deine Geschichten immer so gerne!", sagte ich.


Hannah fühlte sich geschmeichelt. „Du hast doch auch schon viel erlebt ..."


            Das fand ich nicht. Spontan fiel mir nur die Geschichte meiner behüteten Kindheit im Forsthaus ein, in einem Dorf, wo sich noch Fuchs und Igel gute Nacht sagen. Das lockte doch keinen Hund hinter dem Ofen hervor und würde im Zweifelsfall nur eine gute Kulisse für Kinderbücher wie „Försters Pucki" oder „Pucki kommt auf die höhere Schule" abgeben.


            Nach diesem gemütlichen Teenachmittag saß ich schließlich irgendwie deprimiert in der Straßenbahn Linie eins, die mich ratternd meinem Wohnheim entgegen brachte. Ich schaute aus dem Fenster auf die sich vorbeiquälende Autoschlange, betrachtete die muffeligen Leute neben mir und hatte das bedrückende Gefühl, das wahre Leben zu verpassen. Dabei war ich doch noch so jung! Das konnte doch nicht alles gewesen sein.


            Das Wohnheim lag abseits der Stadt und bestand aus vier Häusern mit je vier Etagen für je neun Studenten. Ich wohnte auf der berühmt berüchtigten Etage 1.1., die schon mehrfach wegen Krach und vieler Feten unangenehm aufgefallen war. Auch an diesem Abend saßen in der Gemeinschaftsküche wieder sechs Leute beim Bier, denn irgendjemand hatte heute eine Prüfung bestanden. Lautes Geklapper von Gläsern und Flaschen, derbe Sprüche und ... Lena saß händchenhaltend mit Tobias auf dem Sofa.


            In Tobias hatte ich mich bereits vor drei Semestern verbliebt, dann war Lena eingezogen und hatte ihn auf drei Feten mit Bier überschüttet, worauf er sie schließlich mit seiner Liebe überschüttete ... Tja, obwohl ich dieses Kapitel schon längst abgeschlossen haben müsste, war es noch immer nicht schön, dieses Glück mit ansehen zu müssen.


            „Hey, Pia, komm in die Küche, wir trinken schon!", rief  Max, ein großer, dünner Blonder, nicht mehr ganz nüchtern  und prostete mir mit einer überschäumenden Becksflasche zu.


            In Max hatte ich mich vor einem Semester verliebt. Wir waren zwar mehrfach gemeinsam nach einigen Feten in der Morgendämmerung um den See gegangen, doch bei einem klärenden Gespräch war herausgekommen, dass er insgeheim auch in Lena verknallt war und ihr immer noch hinterher trauerte. „Na, klasse! Vielleicht sollten wir uns verbünden und Tobias und Lena gemeinsam auseinander bringen!", hätte ich daraufhin fast vorgeschlagen, aber ich ließ es lieber bleiben.


            Marvin trank gerade aus zwei Bierflaschen gleichzeitig, so dass die Hälfte auf sein blaues Sweatshirt pladderte. Kai rülpste, dass die Wände wackelten. „Der war gut, Kai! Aber ich kann noch lauter!", rief Dirk und nahm wieder seinen täglichen Rülpswettstreit mit Kai auf. Dabei überbot er ihn wie immer. Wie mich das alles anekelte ... Immer dieselben Leute, dieselben Sprüche, dasselbe Bier und dieselben Kopfschmerzen am nächsten Morgen.


            Ich schlug genervt meine Zimmertür zu, denn inzwischen war ich allergisch auf Feten. Nur schnell das Radio anmachen, damit ich den Krach nicht so hörte ... Wenige Minuten später klang" It never rains in Southern California" durch den Raum - für kurze Zeit war ich wieder unter Palmen am Strand von Santa Barbara und machte aufregende Bekanntschaften mit amerikanischen Künstlern, die mir abstrakte Gemälde schenkten.


„Es muss etwas geschehen! So geht das nicht weiter mit mir!", schrieb ich in mein Tagebuch und klappte es energisch zu.


            Als der Entschluss, ein Au-pair Leben zu führen, gefasst war, ging alles unheimlich schnell. Ich vertraute mich einer Au -pair Organisation an, Hannah erklärte mir, wie man Babys richtig wickelt, ich reiste zu einem Auswahlinterview nach Hannover und wenige Wochen später kam schon der Tag, an dem ich auf den Anruf von meiner Gastfamilie wartete. Ich wartete und wartete. Zwei Tage ging ich nicht zur Uni und verbrachte die Zeit in unmittelbarer Nähe des Telefons. Bei jedem Klingeln schreckte ich zusammen, aber es war immer für jemanden anderen von meiner Etage. Ich kam mir schon so vor, als würde ich bei der Telefonauskunft arbeiten  - nur, dass ich immer weite Strecken zwischen Telefon und dem entsprechenden Zimmer zurücklegen musste und kein Geld für meine Tätigkeit bekam.


            Gegen Mitternacht des zweiten Tages wurde ich schließlich vom langen Warten doch müde und legte mich in mein Bett. Plötzlich klingelte das Telefon. Ich drehte mich genervt zur Seite. „Das werden sie nicht sein. Nicht um diese Zeit. Welcher Blödmann ist das nur?", dachte ich verärgert. Doch dann bollerte es ganz laut gegen meine Tür. „Für dich. Irgendwelche Ausländer!", muffelte Max, der wahrscheinlich gerade geweckt worden war und nun in sein schäbiges Zimmer zurück schlurfte. Aufgeregt raste ich zum Telefon. Meine zukünftige Familie hatte Kontakt mit mir aufgenommen. Sie kamen aus Chicago, doch ich war ein wenig enttäuscht. „Keine Palmen, kein Strand, sondern viele Gangster!" Ich überlegte fieberhaft, wie ich diese Tatsache meiner besorgten Oma beibringen sollte. Weiterhin erfuhr ich, dass sie zwei kleine Mädchen hatten, die eine war zwei und die andere vier Jahre alt. „Das ist bestimmt ganz toll, dann kann man schon richtig mit denen spielen, und das wird nie langweilig!", dachte ich im Stillen.


           


Für den Inhalt dieser Seite ist der jeweilige Inserent verantwortlich! Missbrauch melden



© 2008 - 2025 suchbuch.de - Leseproben online kostenlos!


ExecutionTime: 1 secs