Alte Hüte, was sonst 14
Metamorphose
Ich entsann mich im Traum, dass man bei diesem Spiel ein kleines Tier oder eine Frucht auswählte. Während mein Freund eine Ameise erkor, entschied ich mich für eine Blaubeere. Mit Spannung verfolgten wir den unaufhörlichen Prozess des Fressens und Gefressenwerdens. Ich bedauerte, mich nicht für etwas Größeres entschieden zu haben, etwa einen Granatapfel, der nicht so leicht verschlungen werden konnte. Vor unseren Augen verwandelten sich Ameise und Blaubeere in einen Vogel und dann in einen Holunderbaum, in ein Schneeglöckchen, eine Mistgabel und einen Teelöffel, der Teelöffel in eine Rohrdommel, in eine Seifendose, in ein Ei und in eine Serviette, in einen einzelnen Schnürsenkel sogar. Nichts hatte Bestand, auf jeder Form lag schon der Schatten der Zerstörung. Verwundert bemerkte ich, wie die Verwandlungen immer schneller abliefen. Auf einmal fielen mir die Augen zu und ich schlief ein – und träumte, dass ich mich verwandelte in einen weißen Hahn, gleich würde ich zu krähen beginnen und meinen Weckruf herausschmettern.
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Mond unter geht es zu in »Alte Hüte, was sonst«! – der frischen, neuen Anthologie von Monika Jarju. Wenn Mann und Frau küssend vorbeifliegen, gegen Mondbrand gewappnet, findet sich – neben sommernächtlich blassblau baumelnden, sanft-schaukelnden Nachtgefährten – zum Glück auch ein Plüschtier. Kulinarisch zu Tisch gebeten dagegen, gibt es außer Fisch kiloweise Schokoladen in Dosen, Wassersuppe farblich ersetzt und für die Ohren: echte Flöhe auf Chips aus der Pappschachtel in Aktion (womit die Träumerin aber nix zu tun haben will!). Alp- wie Ulkträume, poetische Skizzen, Abseitiges und Absurdes wechseln sich fröhlich ab in dieser süßen Verhängniswelt der Wahlverwandtschaften, in der nichts ist, wie es scheint. Sehr zu denken gibt die Metamorphose, besonders in einem weißen Hahn, der gleich kräht.
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