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Science Fiction
Buch Leseprobe Tiere des Feuers, Nicole Schmidt
Nicole Schmidt

Tiere des Feuers


Band 1

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Nordamerika. 65 Millionen Jahre früher.


 


Man hätte sagen können, dass dies die Morgendämmerung der Menschheit sei. Das Konzept der bewussten Lüge existierte bereits, es wäre also kein Problem gewesen, diese Behauptung aufzustellen.


In Wahrheit jedoch war noch nicht einmal die letzte Nacht vor dem Morgen hereingebrochen.


Was in dieser Zeit über die Erde wandelte existierte in einem zeitlosen Raum.


Aber vielleicht war es auch nur ein Spätsommertag, der nie zuende ging.


 


Geschickte Hände bearbeiteten Holzschalen mit Sand, ebenso sorgfältig, wenn auch mit weniger Pausen, wie Dr. Caruthers mit seinen Theropodenfossilien umzugehen pflegte. Auch die Schweißausbrüche hielten sich in Grenzen, denn die Vogelfrau fühlte sich in der Steppe zuhause.


Vogelfrau trug Ornamente aus den Federn der von ihr und den männlichen Kundschaftern erbeuteten Tiere im Haar. Namen waren optional, Sprache war optional. Die Besitzerin der Hände hatte sich in den Köpfen ihrer Begleiter als „die Vogelfrau" eingeprägt. Wozu sich mit solchen unvollkommenen Kommunikationsformen aufhalten wenn ein Gefühl dasselbe ausdrücken konnte? Die angesichts des „Abwaschs" in der Vogelfrau aufsteigenden Gefühle allerdings wollte sie nicht mit den anderen Mitgliedern der Jagdgruppe teilen. Das hatten die Männer die sie mochte nun wirklich nicht verdient!


Wer ist auf die Idee gekommen, Geschirr mitzuschleppen?!


Die Vogelfrau dachte nicht wirklich das Wort „Geschirr". Ihr konkreter Gedankeninhalt war viel unflätiger und steigerte sich noch, als sie die Kratzer in den Holzschalen bemerkte. Doch wertvolles Wasser durfte nicht für das Reinigen der *#+*+~!!!* benutzt werden, solange Sand denselben Zweck erfüllte.


Erst als die Frau die letzten Sandkörner fortgeschüttelt hatte, fiel ihr auf, wie unregelmäßig die Kratzer sich über das Holz verteilten. Dies konnte unmöglich die Folge ihrer Arbeit sein! Vogelfrau strich vorsichtig über die Linien. Sie ergaben ein Bild. Ja, natürlich!


Der Anführer der Kundschafter hockte sich hinter die Frau. Er grinste sie an und Vogelfrau nickte lobend. Um den Rand der Schale zogen sich Darstellungen all jener Pflanzen, welche den Kundschaftern während ihrer Reise unter die Augen gekommen waren. Auf diese Weise würden sie nun auch die anderen sehen können. In gewissem Sinne hatte der Mann gerade die ersten tiefen Teller mit Blümchenmuster in der Geschichte des Planeten erfunden.


Die Vogelfrau hauchte dem Kundschafter einen Kuss auf die Wange. Als sie sich erhoben um die Ausrüstung für den letzten Tag ihrer Rückreise zusammenzupacken, erinnerte sich die Frau daran, dass ihre Art auch über Stimmbänder verfügte, die noch zu etwas anderem als Singen gut waren: „Wir sind unschuldig daran. Du wirst es Schusar selbst erklären!"


 


Diese Kreaturen waren keine Menschen und würden es auch nie sein. Doch eines Tages würde aus ihnen die Menschheit hervorgehen. „Eines Tages" hatte für Kethri keine Bedeutung, ebenso wenig wie „Morgen" oder „heute Abend". Er war ein Jäger, der beste dieser kleinen Gruppe Menschenähnlicher.


Aus diesem Grund musste der Jüngling zuhause bleiben und für die Nichtjäger sorgen, während Dumuzi, der doch in der Rangordnung weit unter ihm stand, die Kundschafter anführen durfte.


Welche Konzepte Kethri auch immer gelernt hatte, wenn sie nicht bei der unmittelbaren Aufgabe halfen existierten sie in diesem Moment nicht für ihn. Ein guter Jäger bestand nur aus Erfahrung, Aufmerksamkeit und Reflexen. Selbst das bisschen Persönlichkeit das die Gruppenmitglieder aufwiesen durfte nicht zutage treten!


Der Jäger schloss die Faust fester um seinen Speer. Es war ein guter und außerdem brandneuer Speer, brandneu im wahrsten Sinne des Wortes, gehärtet im Feuer, nach der Technik, die Kethris Begleiter erfunden hatte und die ihm selbst auf ewig verschlossen bleiben würde. Bald, sehr bald schon würde die Waffe ihr erstes Blut schmecken.


Auf der Lichtung vor dem Jäger tummelten sich mehrere ahnungslose Vogelechsen. Für einen Betrachter aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mochten sie einen abstoßenden Anblick bieten, dem Jäger erschienen sie lediglich äußerst appetitanregend. Er schluckte, steckte dann einen Finger in den Mund und hielt ihn in den Wind. Schlecht. Ganz schlecht! Die Beute befand sich in einer Position, von der aus sie den vom Wind herübergetragenen Geruch des Jägers wahrnehmen konnte. Kethri unterdrückte ein Seufzen. Das war deutlich zu viel Denken für einen derartig einfachen Sachverhalt! Ein neues Wort musste her.


Kethri dachte darüber nach, währen der seinem Gefährten die Möglichkeit gab zu ihm aufzuschließen. Gegenwind war gut für den Jäger und das Gegenteil davon war ... Mitwind. Aber Gegenwind gab es schon und außerdem wollte er ja nicht den Wind bezeichnen, sondern das Verhältnis von Windrichtung und Pirscher. Mit dem Wind... mitwinds. Mitwinds und Gegenwinds, das war es!


Noch heute Abend wollte Kethri dafür Sorge tragen, dass die neuen Worte im Geist der Gruppe verankert würden. Natürlich würden wieder einmal nur die Jäger Interesse daran zeigen und sich die Begriffe verinnerlichen, der Rest der Gruppe sah keinen Grund, seinen Wortschatz derart drastig zu erweitern. Kulla würde keinen Grund dazu sehen. Kethri grinste. Solange jemand gute Speere machen konnte, brauchte er ja nicht unbedingt darüber zu reden wie man sie benutzte. Und da kam der Speermacher auch schon, keuchend wie eine Stampffußechse. Als er die Augen angesichts der Szene, die Kethri bereits durch die Farne hindurch wahrgenommen hatte weit aufriss fragte sich der Jäger, wer jemals auf die Idee gekommen sein musste, seinem Artgenossen eine Schusswaffe auszuhändigen. Zu allem Überfluss musste der andere jetzt auch noch seine Entdeckung lauthals hinausposaunen. Kethri fuhr herum und sein Blick allein hätte genügt, den Speermacher zum Schweigen zu bringen, sicherheitshalber setzte er dennoch das geistige Äquivalent eines Knebels ein. Der andere würgte und starrte beleidigt zurück. Kethri hielt die geistige Verbindung aufrecht und teilte seinem Gefährten mit, dass sie einen Bogen um die Vogelechsen schlagen müssten.


„Ich möchte auf gar keinen Fall das Überraschungsmoment verlieren", wisperte er, „aber du riechst leider."


„Ich rieche nicht!" protestierte sein Freund. „Ich habe mich im Gegensatz zu gewissen anderen Kundschaftern mit Seife gewaschen!"


Kethri stöhnte. Die Ingenieure würden es nie begreifen. Ein oder zwei Säugetiere im Gebüsch konnten die Vogelechsen tolerieren, weil es darunter kaum etwas gab, dass den etwa zwei Meter langen Reptilien gefährlich werden könnte. Die hochgradig unnatürliche Witterung von Seife hingegen brachte die Assoziation fremd mit sich und fremd bedeutete zuerst einmal Gefahr. Waren Kethris Artgenossen der Natur bereits so weit entfremdet dass sie diesen einfachen Zusammenhang vergessen hatten? Es musste wohl so sein. Doch der Planet Ki kümmerte sich nicht darum und warf ihnen urzeitliche, unverfälschte Natur entgegen. Enki hatte das als erster begriffen und der Expeditionsleiter würde angesichts von Kethris und Kullas Erfindungsreichtum äußerst zufrieden sein.


Nachdem es dem jungen Adligen tatsächlich gelungen war in eine günstigere Position zu wechseln, wohlgemerkt trotz bester Bemühungen Kullas, den ganzen Kontinent auf sie beide aufmerksam zu machen, flog sein Speer so sicher wie es der Strahl seines schweren Lasergewehrs getan hätte. Doch das Gehäuse des empfindlichen Geräts hatte den, zugebeben lausbübischen, Reitversuch Kethris nicht überstanden und so hatte „Schusar", der selbsternannte Meister der Jagd, den Fokussierungskristall genommen und als Speerspitze verwendet. Die Bruchstelle des offensichtlich schon vor dem Unfall angeschlagenen Kristalls war so hart und scharf wie es sonst nur von einem echten Diamanten erwartet werden durfte. Kethris damit bewehrter Speer sauste auf sein Ziel zu und fand es.


Der Erfolg war im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagend. Auch Kulla hatte geschossen, aber der Schuss war nicht sauber platziert. Kethri eilte zu ihrer Beute und mit einer einzigen, fließenden Bewegung zog er seinen Speer aus der toten Vogelechse, um ihn der von Kulla verwundeten durch den Schädel zu jagen. Er nickte zufrieden. In der Ferne brüllte eine räuberische Herzogenechse und begann ihre eigene Nahrungssuche. Auch sie würde sich heute stärken und morgen das Licht des neuen Tages sehen. Weit in der Zukunft aber lag sie bereits jetzt unter einer Plane und stellte den Paläontologen Dr. Caruthers und seine Assistentin vor gewisse Probleme...


 


[Leseprobe durch den Autor gekürzt]


 


Kethri und Kulla kehrten mit ihrer Jagdbeute zum Lager der Gruppe zurück.


Enbilulu winkte ihnen zu und die beiden Jäger antworteten auf dieselbe Weise. Sie waren adlige Nefilim, mit einem aktiven und überdies trainierten Äthersinn ausgestattet, Enbilulu Varascha nur ein einfacher Annunaki, doch hier, in der Neuen Welt, wagte er es, die beiden als erster anzusprechen. Prinz Enki schien es zu billigen, zumindest aber tolerierte er es.


„Wie war die Jagd?" erkundigte sich Enbilulu.


Natürlich war die Jagd gut gewesen, jeder Narr konnte das erkennen, doch das Fragen und Antworten band die Mitglieder der Expedition fester aneinander. Kethri ging sofort darauf ein und sang das Lob seiner eigenen Jagdkünste und Kullas Kunstfertigkeit. Er benutzte dazu gesprochene Sprache ohne Unterstützung durch den Äther, aber warum Kethri Qat sich auf das Niveau eines Mannes begab, der aus einer so niederen Schicht stammte, dass er sogar noch den Wortstamm „lulu", also primitiv, in seinem Namen trug, leuchtete dem anderen Adligen nicht ein. Kulla Apis wandte sich lieber dem Expeditionsleiter zu, der entspannt am Ufer lag, eine Angelrute in der Hand, zwei weitere nahebei im Boden verankert. Der Ingenieur schnappte nach Luft als sei er selbst ein Fisch auf dem Trockenen, nachdem er einen Blick ins Wasser geworfen hatte. Enki grinste.


„Das sind welche von unseren!" rief Kulla und gleichzeitig schrie sein Geist Überraschung durch den Äther. Sein Vorgesetzter nickte zufrieden.


„Kethris Vater hat sie dir mitgegeben", erinnerte sich Kulla.


„Und nun sind sie geschlüpft. Endlich."


„Ob sie eine stabile Population bilden werden?"


„Ich hoffe es", erwiderte Enki.


Anurische Fische und mehr noch ihre auf Enun beheimateten Vettern, unterschieden sich von den einheimischen dadurch, dass ihre Augen zumeist auf der Oberseite des Kopfes lagen. Im Laufe der Entwicklungsgeschichte hatten sich die Tiere immer weiter von der Spindel- zu einer Lappenform gewandelt. Die von Enki ausgesetzten Karpfen wichen von diesem Schema ab. Isoliert auf ihrem eigenen Inselkontinent hatte es für die beliebten Speisefische keine Veranlassung für eine Veränderung gegeben. Sie galten als ohne Hilfe in einem „normalen" Ökosystem nicht überlebensfähig. Zwischen den im Schlangensumpf auf Ki beheimateten Strahlenflossern allerdings schienen sich die von daheim mitgebrachten Tiere wohl zu fühlen.


„Testet Ihr ihre Überlebensfähigkeit, indem Ihr gleich am ersten Tag versucht, sie auszurotten?" mischte sich eine junge Annunaki respektlos ein. Zur Antwort zog Enki die Angelrute aus dem Wasser. Sie war nicht mit einem Köder bestückt. Das Mädchen lachte: „Überzeugt! Wer anbeißt, wo nichts zu holen ist, hat es verdient, aus dem genetischen Pool entfernt zu werden!"


Das war eine der ältesten Weisheiten, die ihr Volk gelernt hatte. Kulla wandte sich ab, als das Gespräch über Fische und Ruten immer schlüpfrigeren Charakter annahm. Enkis Lager würde heute nacht nicht kalt bleiben.


„Sie genießen es!" klagte der Ingenieur seinem Freund gegenüber. „Als sei es nichts weiter als ein großes Abenteuer!"


„Es IST ein Abenteuer", erwiderte Kethri. „Aber das wussten wir vorher bereits."


„Vorher gewusst?! Keiner hat vorher gewusst, dass die „Schusar" auf der Höhe des vierten Planeten[1] irreparabel beschädigt würde! Wir können nicht zurück! Wir können uns nicht einmal bemerkbar machen! Und sie werden nicht nach uns suchen. Für die Hofakademie sind wir tot seit dem Moment, als die Verbindung abbrach."


„Nun, wir sind es aber nicht. Wir erreichten unser Ziel und daher setzen wir die Mission fort."


„Mit Holzspeeren und genetisch manipulierten Karpfen, unfähig, selbst das Wrack der „Schusar" zu bergen? Du hast geschrieen und getobt, du wolltest nicht ertrinken, als wir sanken."


Kethri erinnerte sich noch gut daran. Kulla und er hatten den jahrzehntelangen Flug nach E-Schara verschlafen, eine volkstümliche Beschreibung für die im Zustand auf beinahe Null reduzierter Stoffwechselprozesse verbrachte Existenz in einer kryogenischen Kammer.


Lediglich der Bordarzt, der erste Steuermann und zwei Technikerinnen, nämlich Enki und Tung Alulim, Keridwen Varascha sowie Amkur Tigâra, waren als unerlässlich für den Flug die ganze Zeit über wach geblieben. Erst kurz vor dem Übergang durch das Wurmloch weckte Enki die beiden Offiziere, während die kurzlebigeren und schwächeren Annunaki ebenso tiefgekühlt wie die Vorräte weitergeschlafen hatten. Auch innerhalb des Zielsystems war es bei diesem Arrangement geblieben, einfach, um Luft und Nahrungsmittel zu sparen.


Die drei Adligen, Tung, Keridwen und Amkur hatten ihre Zeit damit verbracht, ein kaum mehr raumfähiges Wrack lediglich nach den Sternen navigierend zu lenken. Sie waren bereits angeschlagen gewesen, bevor sie das gefährliche Gebiet der inneren Planeten überhaupt erreichten. Doch der von ihren tierischen Vorfahren ererbte Überlebenstrieb lies die kommandierenden Offiziere nicht aufgeben. Allerdings, das Schwerefeld Kis und Namrasits hatte sie mehr eingefangen, als dass sie es angesteuert hätten wenn Kethri ehrlich blieb. Was für ein Erwachen für Enbilulu und die anderen Annunaki! Zuerst mussten sie sich sagen lassen, dass die „Schusar" nur noch ein Raumwrack war und dann ging es schon steil nach unten! Aus der geplanten Landung war ein gebremster Fall geworden.


Kethris Altersgefährten daheim verbrachten daheim ihre Zeit damit, dem anderen Geschlecht nachzustellen während der junge Erwachsene es als Jäger auf Kis Fauna abgesehen hatte.


Er lies seinen Speer locker ums Handgelenk kreisen und nickte zufrieden. Hier in der neuen Welt mussten sie alles reaktivieren was ihr Volk einst gekonnt aber wieder vergessen hatte. Was von ihrer Technik übriggeblieben war musste geschont werden. Es mochte, so sagte Enki Alulim, einmal den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Kethri lachte laut, als er sich daran erinnerte. Den Unterschied zwischen Leben und Tod! Nie zuvor hatte das eine Rolle in seinem Leben gespielt. Doch nun musste er sich eingestehen, dass dieses neue Spiel aufregender als Sex war. Den Unterschied zwischen Leben und Tod machte keine Brennstoffzelle aus einem Raumschiffwrack aus, sondern allein seine eigenen Fähigkeiten. Sie waren die Nefilim, die Spitze der Evolution!


„Ich will wieder nach Hause", murrte Kulla als Kethri nicht auf seinen Stoßseufzer antwortete. „Ich dachte, das sei unser Ziel nach dem Absturz. Aber du und Enki, ihr richtet euch hier häuslich ein!"


Bakchos hatte den letzten Satz mitgehört als er sich den beiden Jägern näherte. Der Annunaki hatte sich zum Koch der Gruppe gemausert. Wie kein anderer verstand er sich auf die Pflanzenwelt Kis. Bewundernd strich er nun über das Federkleid der erlegten Vogelechsen und Kethri wusste, dass der Koch heute Abend seinem Outfit neue Federn hinzugefügt haben würde. Bakchos war einer von jenen Mannschaftsmitgliedern, die sich ihre Kombinationen bereits soweit ruiniert hatten, dass sie diese mit Leder ausbessern mussten. Gekleidet wie ein Höhlen-An, ernährt von Produkten die keiner Lebensmittelkontrolle unterzogen wurden und unter provisorischen Dächern schlafend teilte Bakchos Suhurmasch doch Kethris Lebensfreude. Kulla sprach den Untergebenen darauf an, dieser zuckte die Achseln und antwortete: „Warum nicht, Herr? Ich lebe hier besser als zuhause in den Slums."


Kethri und Kulla sahen sich verdutzt an. Auch wenn der Jäger gern hier lebte, die Begriffe „Sicherheit" und „genug zu essen" hätte er sicher nicht als erstes genannt hätte man ihn nach seinen Eindrücken von Ki befragt.


„Einige Clans lassen ihre Domänen verwildern", meinte Kulla Apis. Er stellte fest, dass Bakchos´ Uniform genau dort aufgerissen und mit Leder geflickt war, wo sich einst das Wappen des Adelshauses Suhurmasch befunden hatte, dem der Koch zugehörig war. Zufall?


„Heute Abend gibt es Hühnchen!" kündigte Bakchos an als er die Beute davontrug.


Kulla starrte ins Wasser des Schlangensumpfes. Hier vorn, zwischen den Bäumen mit ihren tiefhängenden Kronen, war das brackige Gewässer noch ganz flach...


<Kulla? Was ist denn los?> erkundigte sich Kethri, auf seinen Äthersinn zurückgreifend, während er mithilfe der Stimmebänder parallel dazu die Frage „Was ist? Magst du lieber Fisch?" formulierte.


„Weiter draußen versinkt die „Schusar" mit jedem Tag tiefer im Schlamm! Wir müssen uns beeilen, wenn wir sie bergen wollen. Falls ihr das noch wollt."


„Du hast eine Idee?" Dass dem so war, hatte Kethri im Äther aufgefangen.


Kulla bestätigte auf dieselbe Weise, wortlos, geräuschlos. Er skizzierte eine Art Taucherglocke auf einem Floß in den morastigen Uferboden.


„Ich hätte nichts dagegen, unsere Chemiekits zurückzubekommen", gab der Jäger zu. „Wir benötigen dringend etwas gegen die Insekten."


„Zumindest gegen die Exemplare, die zu klein für einen Speer sind", lachte Kulla.


„Ja, unsere Speere", fiel Kethri ein. Er besah sich die Skizze genauer. „Wenn du das da wirklich bauen lassen möchtest, solltest du langsam mal die Axt erfinden!"


Das wiederum bedeutete, Steine gegen andere Sorten von Gestein zu testen, einen funktionsfähigen Bohrmechanismus auszutüfteln und vieles mehr.


„Damit wäre ich also heute Nachmittag beschäftigt", grinste Kulla. „Und was ist mit dir?"


„Mit mir? Ich gehe reiten."


Kulla sandte dem Jüngeren eine Welle von <Nicht schon wieder> - Gefühlen und meinte: „Lass bitte das Lager dabei heil. Eabzu ist alles, was wir jetzt noch haben."


Vielleicht sollte ich mal einen Stampffuß durch euer teures Eabzu jagen, um euch wachzurütteln, überlegte Kethri. Doch er schüttelte rasch jeglichen düsteren Gedanken von sich während er durch die fremdartige Landschaft Kis schritt. Heute morgen hatten sie sich noch im Nadelmischwald bewegt und es fanden sich auch die Bärlappe, Ginkgogewächse, Schachtelhalme, Farne und Moose, die der Jäger von daheim kannte, in Kis Pflanzenwelt wieder, doch ansonsten hatten die Vogelechsen dem Planeten ihren Stempel aufgedrückt: Ganze Schneisen hatten sie durch die Vegetation gefressen. In diesen ausgelichteten Gebieten gediehen nun Blütenpflanzen in einer Vielfalt, wie sie der Nefilimadlige nicht erwartet hätte. Irritiert blieb er neben einer stehen, die bereits Baumgröße erreicht hatte. Ein belaubter Baum!


„Was für ein verrückter Planet!" kommentierte Kethri. Doch auf den Planeten des heimatlichen Dreisternsystems hatte es ja auch nie Dinosaurier gegeben.


Ein kleines Säugetier huschte vorbei, viel zu früh am Tag für seine Art. Beinahe vorwurfsvoll blickte es den Jäger an bevor es ein paar Blätter von einem Strauch abbiss und zu seinem Nest trug. Kethri folgte dem Tierchen nicht. Er wollte an diesem Nachmittag kein Nest ausheben, sondern reiten lernen.


Der Winzling setzte seinen Weg nach Hause fort. Er hatte gespürt, dass der Riese neben ihm satt sein musste und sich nicht auf der Pirsch befand.


„Das Zeug muss so rasch wachsen", stellte Kethri fest, „damit es sich fortgepflanzt hat bevor das nächstbeste Vieh es abrupft. Aber wenn die Riesenechsen aus irgendeinem Grund einmal verschwinden wird es sich unkontrolliert über den ganzen Planeten ausbreiten!"


Kethri Qat durchquerte den Wald, wobei er sich ausschließlich auf vertrauten Pfaden bewegte.


Hier und da standen schmalstämmige Bäume, deren weiße Rinde dunkle Flecken aufwies, in Grüppchen zusammen. Vorbei an weiteren Bäumen, deren zukünftige Namen „Weide" und „Pappel" ihm unbekannt waren erreichte der Jäger die weite Ebene.


 


Kethri musste nicht lange nach seinen „Pferdchen" suchen. Sie bewachten ein Lager draußen in der Steppe. Natürlich handelte es sich um eine Steppe ohne Gräser. Es wuchs kein Gras auf Kis Oberfläche - die Riesenechsen hätten es in Rekordzeit abgeweidet. Diese spezielle Art hier wies ein starkes Revierbewusstsein auf. Ihre Felsengruppe verteidigten die Echsentiere als wäre es das Hauptquartier eines Adelshauses. Selbst die kleinsten Exemplare überragten den Jäger, der es immerhin auf 2,40 m Körpergröße brachte, also als mittelgroßer Vertreter seiner Spezies galt.


Auf die Hinterbeine aufgerichtet patrouillierten die riesigen Echsen ihr Revier. Kethri fand ihre Köpfe am eindruckvollsten. Ein gewölbtes Schädeldach wurde im Nacken und bis nach vorn zu den Augen von einem Höckerkranz umrahmt. Es handelte sich definitiv um einen Lieferanten von Helmen und schweren Keulen, sollte man derartige Objekte in Eabzu benötigen.


Der  Jäger erkannte das acht Meter lange Weibchen wieder, das ihn kürzlich nicht nur in den Staub geworfen, sondern auch noch seine Schusswaffe zertrampelt hatte. Seinen neuen Speer wollte er nicht riskieren, daher hatte Kethri ihn in Eabzu zurückgelassen und nur die Kristallspitze im Gürtel mitgeführt.


Nein, dieser Dame wollte der Reiter nicht noch einmal begegnen. Er suchte sich ein älteres Tier, das auch nicht zu nah am Zentrum der Herde in der Sonne döste. Sich an den Senior anzuschleichen erschien Kethri beinahe zu einfach. Die Probleme würden erst beginnen, war er einmal aufgesprungen.


Ein kurzer Anlauf, ein mächtiger Satz... <So!>


Kethri landete auf dem Rücken der Riesenechse und klammerte sich fest!


Wie erwartet bäumte sich das Tier auf und brüllte. Dann drehte es erst einmal eine Runde um sich selbst um dann in die Steppe hinaus zu eilen. Der junge Reiter krallte seine sechsfingrige Hand fest in die Schuppenhaut und klemmte seine Beine um den Körper des Tieres. Kalt umwehte der Wind seinen eigenen Körper, lies die schon im Normalzustand kaum zu bändigende und seit der Bruchlandung nicht gekürzte hellbraune Haarmähne des Reiters hinter ihm herflattern. Kethri genoss die wilde Jagd. Diesmal blieb er oben!


Das hier war um Längen besser als seine ersten Versuche, doch natürlich war es noch kein richtiges Reiten. Irgendwann verlangsamte das Tier seinen Schritt bis es schließlich gänzlich stehen blieb. Der Nefilim konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sein Reittier prüfte, ob der lästige Parasit noch auf ihm saß. Um sich von seiner Vermutung zu überzeugen weitete Kethri seinen Geist aus, versuchte, das Reptilienbewusstsein mit einzuschließen. Das war sein Fehler! Die Echse warf ihren Kopf nach vorn, anstatt, wie ein Pegasuspony von der Heimatwelt, auf die Hinterbeine zu steigen. Schon flog der Reiter, als sei er selbst ein Pegasus, noch ein Stück weiter in die Steppe hinaus als geplant. Er rollte sich ab, zeigte dem Tier eine anzügliche Geste und dann lachte er.


„Sie sind ausgestorben, bevor Ihr reiten gelernt habt, Herr!" erklang da hinter Kethris Rücken eine vertraute Stimme.


Erfreut wandte sich der Jäger um. Dumuzi und seine Kundschafter kehrten zurück aus der Steppe!


„Wir sind vor vier Monaten aufgebrochen, da habt Ihr es bereits vergeblich versucht", erinnerte sich Ardatlili an die ersten Reitversuche des Offiziers.


„Und wenn es vier Generationen Vogelechsen benötigt, ich lerne reiten!"


„Aber nicht mehr heute Abend. Kommt mit, zeigt uns, wo ihr jetzt lagert."


„Wir haben neuerdings wieder ein festes Hauptquartier."


„Oh, tut mir leid", grinste die Annunaki und Kethri erwiderte die Geste. Die beiden verstanden sich. Im Herzen waren sie noch immer Nomaden wie einst der allererste Höhlen-An.


Kethri fuhr fort: „Eabzu liegt direkt am Ufer des Schlangensumpfes, wo die Riesenviecher nachts nach dir schnappen. Aber der Kommandant will nun mal angeln."


Eabzu?" Die Frau wälzte die Bedeutung des Namens aus der alten Sprache auf der Zunge hin und her. „E" stand doch für eine Behausung, aber „Abzu"? „Ea"? „Abgrund an den Wassern, Kethri? Ist das Enkis Ernst?"


„Wie soll jemand überhaupt jemals sicher sein, was in ihm vorgeht? Er ist der Erbprinz des Hauses Alulim!"


Ein Begleiter Ardatlilis nickte heftig. „Ja, und deswegen kommen wir von hier auch wieder fort! Weil Enki mehr als alles andere der nächste Regent werden möchte. Das lässt er sich auch von einem Planeten voller Laubbäume nicht nehmen."


Ich bin auch ein Adliger, fuhr es Kethri durch den Kopf. Deswegen werde ich mich nicht von den Echsen unterkriegen lassen! 


Ardatlili musste etwas davon im Äther aufgefangen haben. „Habt Ihr Euch mal überlegt, die Art zu wechseln? Diese hier mit ihrem Keulenschädel sind vielleicht einfach zu stur."


„Sie sind perfekt, meine Liebe. Was hierzulande einen ähnlichen Körperbau aufweist, hüpft entweder bei der ersten Gelegenheit wie eine Ente ins Wasser oder ist selbst ein Fleischfresser. Ich möchte nichts zur Jagd reiten, das auf die Idee kommen könnte, mich zu fressen wenn es die Geduld verliert."


„Was ist mit den anderen? Die mit dem eingebauten Nebelhorn?"


„Nein, danke. Noch hat Kulla die „Schusar" und damit die Lärmschutzohrstecker nicht geborgen!"


Lachend und scherzend erreichten sie Eabzu. Dort breiteten die Kundschafter ihre auf Leder und Borke angefertigten Landkarten aus und dann gab es eine Mahlzeit aus Vogelechse, die ein klein wenig nach Hühnchen schmeckte.


 


 


[1] Von außen gezählt.


 


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