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Bücher Satire
Buch Leseprobe Bitte recht freundlich, Raniero Spahn
Raniero Spahn

Bitte recht freundlich


Satirische Erzählungen

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Bis der Tod euch meidet


»Ja, was stehen Sie denn schon wieder da draußen? So kommen Sie doch rein, verdammt noch mal!« Renate Stopfer, die Personalchefin der großen Firma, schüttelte den Kopf. Ihr bester Türhüter, wie sie ihn gern nannte, hatte sich wieder einmal selbst ausgesperrt. Da stand er nun, der Ärmste, Arnim Grubolo, draußen vor dem Pförtnerhäuschen. Wie es schien, war er auf wundersame Weise Opfer seiner eigenen übertriebenen Pflichtauffassung geworden.


Arnim Grubolo war einer von mehreren Pförtnern einer größeren Fabrik. Bei der Firmenleitung als äußerst pflichtbewusst in hohem Ansehen, wurde er von seinen Kollegen aufgrund seiner nicht mehr als normal zu bezeichnenden Pingeligkeit »Mr. Zweihundert Prozent« genannt und von ihnen gleichsam gefürchtet wie geächtet. Arnim litt allerdings unter dieser Situation. Wenn an manchen Tagen seine gefürchtete Pingeligkeit überhand zu nehmen drohte – etwa indem nicht einmal höhere Angestellte vor ihm Gnade fanden und er jenen erst nach stundenlangen Verhören den Eintritt in die Fabrik erlaubte –, so fand das Ganze schließlich seine Krönung darin, dass er sich am Ende, an ganz schlechten Tagen, sogar selbst nicht mehr hineinließ. Dann stand er da, den ganzen Tag vor dem Tor, die Pförtnerloge unbesetzt lassend, sehr zum Vergnügen all der Mitarbeiter, die er sonst durch seine Schikanen bis aufs Blut reizte. Doch das war in der ersten Zeit seiner Tätigkeit nicht allzu häufig geschehen, nur ein bis zwei Mal im Quartal, und da die Firmenleitung noch immer glaubte zu wissen, was sie an ihm hatte, an ihrem besten Türhüter, nahm sie es kopfschüttelnd in Kauf.


In letzter Zeit aber häuften sich diese ungewöhnlichen Vorfälle, und Arnim Grubolo stand zuweilen ganze Tage hintereinander draußen, bei Wind und Wetter, weil ihm, wie er sich ausdrückte, eine innere Stimme verbot, das Pförtnerhaus zu betreten. Auf Dauer war ein solcher Zustand nicht hinzunehmen, und daher sah sich die Firmenleitung schließlich veranlasst zu handeln. Man rief einen Psychiater zu Rat, doch diesem wurde ebenfalls, kein Wunder, von Mr. Zweihundert Prozent der Zutritt in die Fabrik verwehrt. Weil er keinen gültigen Ausweis besaß. So blieb der arme Seelendoktor gemeinsam mit Arnim draußen im Regen stehen, im wahrsten Sinn des Wortes, und untersuchte dort, soweit das möglich war, seinen Patienten, den besten Türhüter, auf dessen Geisteszustand. Zu diesem Zweck ließ man eiligst eine Couch heraustragen, aus dem Chefbüro, und ein Zelt darüber errichten, um dem Arzt und seinem Patienten ein Mindestmaß an Bequemlichkeit zukommen zu lassen.


Zwischenzeitlich hatte die lokale Presse Wind davon bekommen. Niemand vermochte zu sagen, aus welcher Quelle, und während sich draußen vor dem Tor zu dem therapeutischen Zelt nach und nach einige Pressezelte dazugesellten, tickerten schon erste Schlagzeilen – je nach Geisteshaltung der Medien von »Der korrekteste Pförtner der Republik, dermaßen pflichtbewusst, dass er sich selbst aussperrt. Wir brauchen mehr davon!« bis »Pflichterfüllung bis in den Wahnsinn und darüber hinaus; ja, wo leben wir denn?« – über den Äther.


Nach zwei Tagen Behandlung auf der Couch unter dem Zeltdach war es schließlich so weit.


»Er hat eingewilligt«, rief der Psychiater der Menschenansammlung vor dem Fabriktor zu. Widerstandslos ließ Arnim Grubolo sich in eine psychotherapeutische Einrichtung abtransportieren.


Welche Freude aber kam bei ihm dort auf, als er durch die verschiedenen Flure und Räume geführt wurde und jedes Mal wieder hinter ihm abgeschlossen wurde.


»Hier bleibe ich!«, jubelte er. »Hier geht es dermaßen korrekt zu, korrekter geht's nimmer.«


Nun lebt er schon eine ganze Weile in dieser korrekten Einrichtung und will auch gar nicht mehr dort raus, doch im Jenseitigen Dasein beginnt man sich bereits Sorgen zu machen.


»Wenn Arnim Grubolo die Stunde schlägt«, simste kürzlich der Türhüter der oberen Abteilung des Nirwana seinem Kollegen im Kellergeschoss, »hättest du eventuell ein Eckchen frei, für ihn, in deinem Etablissement? Mein Chef will den hier auf keinen Fall haben, denn von solchen Beknackten wimmelt es hier nur so.«


»Bist du verrückt?«, kam es postwendend aus dem gemütlich warmen Höllenschlund zurück. »Meinst du, wir wollen uns mit so einem Typen unser Image versauen? Nee, nee, lasst den bloß bei euch.«


In der Tat sehr düstere Aussichten für unseren Zweihundertprozentigen: Keiner will ihn haben, und so teilt er nun das Schicksal mit dem Heer der Überkorrekten des gesamten Erdenrunds. Nirgendwo finden sie ein schönes Plätzchen nach ihrem Ableben, weil selbst der Tod sie meidet. Stattdessen sind sie dazu verdammt, schlimmer herumzuirren als der fliegende Holländer. Doch warum sollte man sie eigentlich bedauern?


 


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