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Kapitel 1

 „Wo willst du denn noch hin? Es gibt bald Abendessen!"
Mit du meinte meine Mutter offensichtlich mich, denn weder mein Bruder noch mein Vater waren in der Nähe.
Mich, Zacke, fast elf Jahre alt. Das Gegenteil von einer Zicke und immer auf Zack.
Na ja, diesmal wohl nicht, sonst hätte meine Mutter nicht entdeckt, wie ich aus der Haustüre schlüpfen wollte.
„Ähm, ja, also ... ich wollte nur noch mal schnell zu Phillip, wegen einer Hausaufgabe." Ich hasste Lügen. Doch diese verbuchte ich für mich selber unter Notlüge. Notlügen waren erlaubt. Im Moment sogar notwendig, denn in Not befand ich mich gerade.
Vorsichtshalber schaute ich zur Tür hinaus, einen Fuß bereits über der Schwelle. Schließlich sollte meine Mutter mein Gesicht nicht sehen können. Für alle Fälle. Falls da Notlüge drin stand. Meine Mutter konnte nämlich wunderbar Gesichter lesen. Selbst wenn man gar nichts reinschrieb, ahnte sie, was da nicht stand. Und Hausaufgabe klang irgendwie bescheuert. Ich hatte meine fertig und Phillip war so gescheit, dass er sowieso nie Hilfe brauchte.
„Zarah?"
Zarah bin ebenfalls ich, Sarah mit Z. Mutters Lieblingsname.
Nun musste ich immer sagen: Ich heiße Zarah, wie Sarah, nur mit Z, was ich ziemlich blöd fand. Deshalb ließ ich es meistens bleiben und so nannten mich viele einfach Sarah, so wie sie es eben kannten. Meinem kleinen Bruder Max hatten sie es nicht so schwer gemacht. Max hieß tatsächlich Max und nicht etwa Maks.
„Ja?", sagte ich und setzte den zweiten Fuß über die Schwelle, wollte endlich los. Antonio würde schon ungeduldig warten.
„In einer halben Stunde bist du aber bitte zurück."
„Ja, ja".
Auweia, das würde nie und nimmer reichen. Phillip war krank und nur Antonio und ich wussten warum. Deshalb mussten wir helfen, ihn gesund zu machen. Auch wenn das für uns eine gewaltige Mutprobe werden würde.
Ich zog die Wohnungstür hinter mir zu und hastete die Treppen hinunter. Auf der Straße hielt ich nach Antonio Ausschau. Er wohnte in dem Häuserblock neben uns. Diesen Häuserblock hatten sie noch an das Ende unserer Sackgassen-Straße gesetzt, nachdem die anderen Häuser schon fertig waren. Wir bewohnten in einem Zweifamilienhaus das obere Stockwerk. Unter uns wohnten die Besitzer, ein älteres Ehepaar.
Antonio war nirgends zu sehen. Sein Fahrrad stand verwaist neben meinem im Fahrradständer an der Seite des Häuserblocks. Mit einem flauen Gefühl im Magen schaute ich nach oben zu seinem Kinderzimmerfenster. Tatsächlich, dort stand er, mit den Fingern das verhasste „H" formend.
Oh nein! Ausgerechnet heute. Ausgerechnet jetzt!

„Mensch, Zacke, du glaubst doch nicht etwa diese albernen Räubergeschichten, die Philipp erzählt?", fragt Antonio.
Nein, natürlich glaubt Zacke nicht daran. Normalerweise jedenfalls nicht. Aber je näher sie der Räuberhütte - wie der einsame Schuppen außerhalb des Ortes bei den Kindern genannt wird - kommt, um so glaubhafter scheinen jedes Mal Phillips Horrorgeschichten zu werden. Und obwohl die Hütte verschlossen sein soll und Antonio für all die neuen Phänomene eine natürliche Erklärung hat, ist Zacke sich sicher: In der Hütte ist jemand. Jemand, der dort absolut nichts zu suchen hat.
Doch bevor die Kinder dem Geheimnis der Hütte auf die Spur kommen, werden sie von einer Reihe anderer Ereignisse in Atem gehalten, bis schließlich etwas passiert, was die Räuberhütte wieder in den Mittelpunkt ihrer Gedanken rückt: Ein kleines Mädchen ist verschwunden. Wurde es entführt, wie Phillip behauptet? Von diesem „Jemand" in der Hütte? Angestachelt von Phillips neuerlichen Schauergeschichten macht Antonio sich auf den Weg, wild entschlossen der Hütte ihr Geheimnis zu entreißen.

Mit viel Spannung, bewegenden Momenten und feinem Humor wird eine Geschichte erzählt, die immer wieder zu überraschenden Wendungen führt und bis zum Schluss die Neugier des Lesers wach hält.

Für Kinder ab 10 Jahren

Endlich mal ein spannendes und anrührendes Buch, das die reale Welt abbildet und Spannung ganz ohne Drachen, Monster, Elfen und Orks erzeugt.
Nichts gegen Fantasy, ganz und gar nicht, aber manchmal sehnt man sich eben doch nach etwas Abwechslung und Normalität.
Doch damit wird die Altersgruppe der etwa 10jährigen nicht gerade verwöhnt. So wie es sowieso Bücher, die genau auf diese Altersgruppe zugeschnitten ist, nur wenige gibt.
Allenfalls dann noch die typischen Mädchenbücher, die sich um Pferde oder erste Liebe drehen. Doch nicht alle Mädchen - und Jungen schon gar nicht - wollen als Abwechslung zur Fantasy nur Pferdebücher oder Liebesgeschichten.
Tatsächlich gibt es unter den 9 und 10jährigen Mädchen sehr viele, die Liebesgeschichten doof finden.

In diesem Buch geht es um Freundschaft. Und auch wenn Gefühle hier sehr tiefsinnig vermittelt werden, so bleibt doch die erste Liebe bestenfalls als Ahnung zwischen den Zeilen, immerhin sind auch die Protagonisten im Alter zwischen 9 und 12.
Und das ist ein großer Kritikpunkt an die Altersangabe, weshalb ich lange nachgedacht habe, ob ich nicht Punktabzug gebe, denn damit ist die Zielgruppe der 12-15jährigen vollkommen verfehlt.
Dies ist ein Buch für Kinder ab ca. 9 oder 10 Jahren!!!!
Nun habe ich allerdings auf der Verlagsseite selbst auch gesehen, dass es dort ab 9 Jahren ausgeschrieben ist und so denke ich, es ist ein Fehler hier auf der Amazon-Seite. Warum der Verlag das nicht längst korrigiert hat, ist mir allerdings schleierhaft, denn so dürfte man enttäuschte LeserInnen produzieren.

Die Buchlänge spricht ja auch eher dafür, dass es für Ältere ist, da Nicht-Fantasy-Romane für 10jährige meist deutlich kürzer gehalten sind.
Für mich ist das allerdings ein Pluspunkt! Denn warum sollte man den 10jährigen nur bei Harry Potter und Co. so lange, vielschichtige und mit Nebengeschichten durchwobene Romane zumuten. Im Fantasy-Bereich schaffen sie mühelos 600 Seiten und mehr, bei anderen Romanen traut man ihnen ein Durchhaltevermögen von mehr als 250 Seiten kaum mal zu. Und das geht zu Lasten von Geschichten, die genau aus dem Grund nicht zu viel Hintergrund und Nebenstränge enthalten dürfen.
Aber ist nicht gerade das Leben der 10jährigen, die kurz vor der Pubertät stehen, vielschichtig, manchmal schwierig, manchmal kaum zu durchschauen?
Der Autorin gelingt es fabelhaft, genau diese Zeit des vorpubertären Umbruchs einzufangen, die Welt der Erwachsenen in Frage zu stellen, zu eigenen Entscheidungen zu finden, ein eigenes Ich zu entwickeln.
Zacke macht, wie man es sich von einem guten Buch wünscht, während der ganzen Geschichte eine Entwicklung durch - aber nicht nur sie - eine Entwicklung, die nachvollziehbar ist, die sehr natürlich erscheint und die das Buch mal zum Lachen und mal zum Weinen macht.
Und so gibt es hier auch keine Schwarz-weiß-Zeichnung. Alle Protagonisten haben so ihre Schwächen, auch Zacke kann ganz schön derb werden, so dass die Figuren allesamt wie aus dem richtigen Leben gegriffen scheinen. Keine ist eindimensional und flach gezeichnet, sondern selbst die kleinste Nebenfigur erscheint vielschichtig. Und das allein durch ihr Handeln, nicht durch langweilige Beschreibungen. Das alles zeigt deutlich, mit welcher Akribie und Liebe die Autorin die Figuren entworfen hat. Selbst nach mehrmaligen Lesen, fanden sich keine Fehler in der Logik, bleib alles stimmig und rund.

All das webt die Autorin geschickt in eine spannende Geschichte um eine Räuberhütte ein - ganz klar, die Geschichte spielt auf dem Lande, in einem kleinen Ort, Stadtkinder werden sich teilweise in eine frühere Welt versetzt finden, denn Computer und Co spielen bei diesen Kindern nur eine untergeordnete Rolle. Hier toben die Kinder noch in der freien Natur herum. Wer das Land und die Dörfer kenne, der weiß, dass es hier auch heute noch genau so zugeht. Jedenfalls sehr oft.
Entsprechend spielen auch Tiere in diesem Roman eine große Rolle, vor allem Hunde und Katzen. Nicht zu vergessen: Schafe (und Spinnen). Pferde wird man dagegen vergeblich suchen.

Was aber ein tatsächliches Highlight ist, das ist der Humor, der Autorin. Keine Szene und sei sie noch so verträumt und nachdenklich, gleitet ins Kitschige ab. Immer wieder gelingt es der Autorin, den Leser zum Lachen zu bringen, sei es durch witzig und oder treffende Bemerkungen eines der Kinder oder auch durch unvorhergesehen humorvolle Szenen und Wendungen. Nein, da kommen keine Witze wie man sie schon 100mal gehört oder gelesen hat, dieser Humor kommt unverbraucht und überraschend daher und ist eben gerade deshalb immer wieder zum Schmunzeln und Lachen.

Dieses Buch, mit einem Mädchen als Hauptperson könnte auch Jungen der Altersgruppe 9-12 gut gefallen.

Leider leider aber wurde auf den Titelbild ein recht wenig sympathisch wirkendes Kind abgebildet. Mag es auf dem bei Amazon abgebildeten Cover nicht so stark rüberkommen, auf dem Originalbuch wirkt das Mädchen breit, plump und man würde ihr eher Tollpatschigkeit als Pfiffigkeit und Dummheit als Intelligenz zutrauen. Sehr sehr schade, denn es wird viele abhalten, zu diesem Buch zu greifen - und das ist tatsächlich nicht nur meine Meinung.

Man kann also nur hoffen, dass dieses Buch sich per Mundpropaganda verbreitet, denn es ist wirklich lesenswert und zwar tatsächlich weit über die Altersgruppe der 9-12jährigen hinaus.