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Belletristik
Buch Leseprobe Reality sucks!!!, Sylwia Jalocha
Sylwia Jalocha

Reality sucks!!!



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Auszug aus dem Kapitel:


 


Ein Blick in den Kleiderschrank … und in die Vergangenheit …


 


Es gab wirklich nichts, was in meinem Leben besonders toll gewesen wäre. Absolut gar nichts! Ich habe kein Abitur. Ich hatte auch nie irgendwelche herausragenden, gesellschaftlich angesehenen Begabungen, wie etwa ein Instrument spielen zu können oder irgendeine Sportart besonders gut zu beherrschen. Dabei wollte ich schon immer Klavier spielen lernen! Leider hatte ich aber nie das nötige Geld, um den Unterricht zu bezahlen. Ich sprach auch keine andere Sprache als Deutsch. Englisch konnte ich nie leiden. Vielleicht lag das aber auch an meinem Englischlehrer,Herrn Steifer, der ständig ungeniert auf meine Titten glotzte …


Die Wahrheit ist, dass ich seit meinem 18. Lebensjahr als Kellnerin über die Runden kam – mehr schlecht als recht – und von einem aufregenden Leben in Saus und Braus nur träumte. Das einzig Gute in meinem Leben sind und waren schon immer meine Freunde: LuLu, Angie, Andy und Yunus. Das ist meine Familie, ohne die ich mich definitiv schon längst ausgelöscht hätte.


Die meisten Menschen haben ein tolles Zuhause, wo sie sich sicher und geborgen fühlen. Ich habe so etwas nicht. Meine Freunde sind mein Zufluchtsort! Sie sind immer da, wenn ich wieder mal ganz dringend jemanden brauche, der mich lieb hat. Sie machen alles immer ein Stück weit einfacher, egal, wie schlimm es ist. … Sie machen, dass ich mich weniger einsam fühle.


LuLu und Angie kenne ich bereits seit der Grundschule. LuLu ist Visagistin und Angie Hairstylistin. LuLus Welt war schon damals die Welt der Farben und des Make-ups, daher kam sie schon in der Grundschule stark mit Schminke tapeziert zum Unterricht. Zu jener Zeit sah sie aber eher aus wie ein Alien: schwarzer, dicker Augenbrauenstift, knallrote Lippen, türkisfarbener Lidschatten und dunkelrosa Wangen. Dazu war sie blond! Ihr Äußeres wirkte dementsprechend besonders reizend – und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn dies reizte die Lehrer nun mal dazu, sie oft nachsitzen zu lassen. Dadurch hatte sie nicht nur viel Zoff mit ihren Eltern – das machte sie auch zum Außenseiter. Angie hingegen liebte es, sich verkorkste Frisuren zusammenzukleistern. Und „kleistern“ meine ich wortwörtlich: Was nicht mit Haarspray fixiert werden konnte, musste an den Sekundenkleber glauben – bis sie schließlich kahl rasiert werden musste, da niemand den Kleber aus ihren verfilzten Haaren rauskriegen konnte. Dies machte auch sie zum Außenseiter. Und ich? Ich trug immer viel zu große und teils sehr altmodische Klamotten. Dies machte mich zum Außenseiter. Und so fanden wir uns. Angie und LuLu lernten sich erst beim Nachsitzen so richtig kennen und wurden sofort unzertrennliche Freundinnen. Als sie meine sonderbaren Klamotten bemerkten, meinten sie, ich würde gut zu ihnen passen, weil wir alle anders waren, als die anderen Kinder.


„Und anders sein ist cool!“, sagte Angie.


„Es ist nicht so langweilig!“, fügte LuLu erklärend hinzu.


„Außerdem ist es furchtbar, Außenseiter UND einsam zu sein! Und mit dir wären wir schon zu dritt! Und? Was sagst du? Willst du unsere Freundin sein und in den ,Club der Besonderen und Coolen‘ eintreten?“, beendete Angie die Vorstellung und blickte mich mit weit aufgerissenen, blauen Augen an, die in der Sonne mindestens genauso funkelten wie ihre Glatze.


Ob ich ihre Freundin werden wollte? Oh Mann, sie hatten ja keine Ahnung … Ich glaube, das war bei Weitem der glücklichste Tag in meinem ganzen Leben!


Seitdem sind wir drei unzertrennlich! Angie und LuLu wissen bis heute nicht, dass mir seinerzeit gar nicht klar war, wie sonderbar ich war. Sie denken, diese komischen Klamotten, die ich immer anzog, waren schon damals meine eigenen, selbst geschneiderten Kreationen. Aber das stimmt nicht. Ich bekam sie von meiner Stiefmutter, die diese wiederum von einer wohltätigen Organisation erhalten hatte. In jener Zeit fiel es mir gar nicht auf, dass diese Anziehsachen ganze fünf Nummern zu groß waren. Meine Stiefmutter meinte nur, ich würde eh so schnell wachsen, daher störe es nicht.


„Außerdem machen es alle anderen Mütter genauso!“, pflegte sie immer zu sagen – als Entschuldigung für alles. Und ich glaubte ihr. Wie ich bei dieser Frau gelandet bin? Sie hat meinen Vater geheiratet – und ihn kurz darauf umgebracht! Im Bett!!! Der Arzt meinte, er hatte ein schwaches Herz … Als sie dann das ganz Erbe kassierte (inklusive mir) und mich plötzlich an der Backe hatte, wollte sie mich natürlich schnellstmöglich wieder loswerden – bis sie erfuhr, wie viel Zuschuss sie für mich von Vater Staat bekommen würde, wenn sie mich behielte, und das bis zu meinem 18. Lebensjahr! Als ich dann 18 wurde und von der Schule flog, kam ich eines Abends nach Hause und mein Schlüssel passte nicht mehr ins Schloss. Sie hatte mir einen kleinen Zettel an die Tür geklebt:


Such dir was Eigenes und komm nie wieder!


Verstört und verängstigt von der großen, weiten Welt, kam ich dann für einige Zeit bei LuLu unter. Sie hatte nämlich zum 18. Geburtstag eine wunderschöne Eigentumswohnung von ihren Eltern geschenkt bekommen. Und dort blieb ich – bis ich meine eigene, billige, mickrige Zweizimmerwohnung gefunden hatte, in der ich viele Jahre verleben sollte. Meine Stiefmutter habe ich nie wieder gesehen … Als Kind störten mich diese viel zu großen und hässlichen Klamotten jedenfalls nicht und ich fühlte mich auch nicht unwohl oder schämte mich gar. Es war nur seltsam, dass die anderen Kinder nie mit mir spielen wollten. Und einmal, an einem zart-kühlen Wintertag, als ich alleine auf dem Weg nach Hause war, da lief mir Tom mit seiner Gang nach. Ich muss zugeben: Tom war mein allererster Schwarm! Ihm liefen alle Mädels aus der Grundschule hinterher. Alle fanden ihn toll – und am meisten er sich selbst! Er hatte dunkle Haare und smaragdgrüne, leuchtende Augen. Er war der Grund, warum ich jeden Tag aufs Neue gut gelaunt in die Schule ging, in der Hoffnung, wenigstens EINMAL „zufällig“ seinen Blick streifen zu können. Der Gedanke an ihn hielt mich am Leben – und das Tag für Tag! Bis heute erinnere ich mich nur allzu deutlich an jenen verhängnisvollen Tag, als wir im Deutschunterricht unsere selbst geschriebenen Gedichte vortragen durften. Ich war sehr aufgeregt, denn ich hatte Tom ein Liebesgedicht geschrieben und las es ihm inbrünstig vor:


 


Oh du Mann meiner Träume!


 


Wie rosa blühen doch die Bäume!


 


Wie pink erstrahlt mir doch die Welt!


 


Du bist mein allergrößter Held!!!


 


Seh ich deine Muskelballung,


 


Krieg ich gleich ’ne Hitzewallung!


 


Wie sehr ich mich sehne, mit dir Eis essen zu gehen!


 


Ich fall dir vor die Füße und fang gleich an zu flehen!


 


Deine strahlenden Augen entzücken mich sehr!


 


Doch das reicht mir noch lange nicht! Ich will noch viel mehr!!! …


 


An den demütigenden Rest kann ich mich nicht mehr erinnern. Jedenfalls lief mir Tom eben genau an jenem Gedichttag nach Schulschluss hinterher! Ich war natürlich sehr aufgeregt, als ich ihn sah. Es war offensichtlich, dass er mit mir reden wollte, und ich fand das unglaublich romantisch! Mein Gedicht hatte ihm also gefallen! Ich war so nervös, dass meine Wangen feuerrot glühten! Die Szene war wie einer dieser kitschigen spanischen Telenovelas entnommen, bei denen man ständig vor Rührung weinen muss. Sogar die ersten Schneeflocken schwebten in diesem Moment vom Himmel herab. Alles schien perfekt für mein allererstes Gespräch mit Tom. Also drehte ich mich um und wartete hoffnungsvoll darauf, das allererste Wort mit ihm zu wechseln. Ich war so gespannt, was er mir zu sagen hätte, und ich war so unendlich glücklich, dass er mich ENDLICH bemerkt hatte, nach all den vielen „zufälligen“ Begegnungen im gleichen Flur oder in der gleichen Schulhofecke und nach all den unzähligen „zufälligen“ und glückseligen Momenten, in denen mein Blick den seinen streifte … Als Tom immer näher kam, sah ich alles in Zeitlupe: Toms strahlendes Lächeln, seine funkelnden Augen, seine schönen, edlen Klamotten, seinen tollen Körper, der sich elegant nach hinten bog … als er weit ausholte und mit voller Wucht mit einem Stein nach mir warf.


Er schmiss mit einem STEIN nach mir … Er und seine Gang schmissen mit Steinen nach mir und er rief:


„Hey, du hässliche, dreckige Vogelscheuche! Zieh dir endlich mal was Vernünftiges an! Oder wasch dich wenigstens! Du stinkst!“ Und dann traf er mich mit einem riesigen Stein mitten auf die Nase. Ich fiel auf den matschigen Boden und fing fürchterlich an zu bluten. All meine Klamotten waren rot und schmutzig. Ich musste ganz schlimm weinen, weil ich so erschrocken war – und auch unendlich traurig und enttäuscht. Tom und die anderen erschraken auch, als sie das viele Blut auf dem Bürgersteig sahen, und machten sich schleunigst aus dem Staub. Dabei fing dieser Moment so romantisch an – und endete so … unromantisch. Was kann man denn dazu noch sagen?


Reality sucks!


 


[…]


 


 


Auszug aus dem Kapitel:




Eine Küche voller Lügen


 


Welch eine Katastrophe! So eine phänomenale Chance, meinem armseligen Leben endlich ein Ende zu bereiten. – Zerstört! Ich habe es vermasselt! Für immer und ewig VERMASSELT!!! Wie es aussieht, ist das Leben eine Achterbahn! Und ich bin SCHON WIEDER ganz unten! Die Schicksalsschrulle war so gnädig, mir ENDLICH die Chance meines Lebens vor die Füße zu schmeißen – und was mache ich? Ich trete das Glückspaket einfach so weg – und schreie noch ein „Kurwa“ hinterher! …


Mit diesen Gedanken lief ich, so weit mich meine Kraft und meine acht Zentimeter hohen Absätze tragen konnten – weit weg und außer Reichweite von Andrej und dem Headset-Mann, weg von all den tollen, erfolgreichen und gebildeten Menschen. Ich dachte immer, mein Leben bewegt sich am Abgrund entlang – doch die Wahrheit war noch viel schlimmer: ich war schon längst einen großen Schritt weiter … war schon längst hinabgestürzt in den tiefen, tiefen Abgrund. Ich war eine wandelnde Katastrophe! Ich verdiente es nicht zu leben! Tränen in der Größe von Tiefseeperlen strömten meine Wangen hinunter. Ich fühlte mich wie die größte Versagerin auf Erden. Ich WAR auch die größte Versagerin auf Erden: Den (reichen) Mann meines Lebens hatte ich immer noch nicht gefunden. Amor schoss ganz offensichtlich mit größter Freude bei ALL meinen Liebesangelegenheiten meilenweit daneben. Immer wenn sich eine glänzende Gelegenheit bot, das Glück am Schopfe zu packen und mein Leben in eine bessere Richtung zu lenken, kam ich mit 100%iger Treffsicherheit auf irgendeine dumme Idee, dem entgegenzuwirken. Der Jackpot im Lotto blieb immer noch aus! Und wenn ich schon mal auf der Kirmes gewann, dann war ein kleines, hässliches Plastikspielzeug bislang das Höchste der Gefühle, das nur die Promopackung Tampons noch toppen konnte, die ich mal bei einer Verlosung im Drogeriemarkt gewonnen habe! …


Dieses Vorstellungsgespräch war eine Katastrophe! Mein ganzes Leben war eine Katastrophe! Aber das habe ich ja schon erwähnt …


Ich lief und lief und fand mich auf einmal mitten im Nirgendwo wieder. Wie immer hatte ich meinen miserablen Orientierungssinn dazu genutzt, mich hoffnungslos zu verlaufen! Und da ich nicht wusste, wo ich war, schlenderte ich ziellos durch die Straßen, wie nur jemand schlendern kann, der arbeitslos und ohne Perspektive ist. So schön diese Gegend auch war, so lecker die Luft auch nach Kaffee und Kuchen roch – die Gedanken an meine armselige Situation ließen mich nicht los. Nichts konnte mich erfreuen! Über nichts konnte ich lachen! Es ging einfach nicht! Zu viele Sorgen spukten in meinem Kopf herum! Allen anderen voran eine wichtige Frage: Wie soll ich bloß meine Miete zahlen?! Es ist so furchtbar, wenn man nicht unbeschwert durchs Leben schlendern kann! Ganz plötzlich sah ich etwas Schimmerndes und blieb, wie angewurzelt, stehen! Atemlos blickte ich einen traumhaften, luxuriösen Laden an und traute meinen Augen kaum! Vor mir befand sich mein Traumjuwelier! Ganz instinktiv fand ich ihn! Er zog mich praktisch magisch an! Wunderschöne Diamanten, Rubine, Smaragde, Saphire und viele andere, unendlich teure und strahlende Steine funkelten und lächelten mich an und blendeten mich, während ich sie verträumt anstarrte. Und wie ich so süchtig und sabbernd meine Nase gegen die Scheibe dieses Ladens presste, sprang mit einem Male eine Wasserstoffblondine aus dem Laden heraus und wieherte lauthals wie ein Pferd! Wahrscheinlich sollte das ein hocherotisches Lachen darstellen, denn eine Sekunde später sprang auch eines dieser reichen Muttersöhnchen (Armanianzug, nach hinten gegelte Haare, Gucci-Brille, Rolex und goldener Kleinfingerring) ihr hinterher, hob sie hoch und wirbelte sie in die Luft. Dann schauten beide auf ihre Hand und ich sah einen großen 1.000-Karat-Diamanten an ihrem Finger! Ungelogen! Ein Riesending! Sie glotzten sich tief in die Augen und machten beide dasselbe dümmliche Gesicht. Sie wieherte wieder los, dass ihre großen Titten zitterten, und er stimmte hocherfreut mit ein! Oh Mann, wenn beide das gleiche Gesicht machen, dann muss es wohl wirklich Liebe sein! (So etwas war mir in meinem kompletten 25-jährigen Dasein auf diesem Planeten noch KEIN EINZIGES MAL widerfahren! Armselig! Ich weiß!) Anscheinend waren die zwei heftigst ineinander verliebt und, nach dem riesigen Klunker zu urteilen, wahrscheinlich auch verlobt … Ich schaute mir das Pärchen genauer an: Sie gehörte sicherlich zu jenen Frauen, die auf die Marilyn-Monroe-Art schliefen: nackt, bis auf einige Tropfen Chanel! Wenn die zwei zusammen einschlummerten, klang ihr gemeinsames Schnarchen bestimmt wie ein zart dirigierter Trommelwirbel! Ich überlegte einen kurzen Moment lang, ob ich einen Sprung nach vorne wagen, die wiehernde Pferdefrau mit meinem billigen Louis-Vuitton-Imitat erschlagen, den Ring an mich reißen und eine Fliege machen sollte … Aber meine Absätze würden da sicherlich nicht mitmachen. An diesem Tag hatte ich sie schon mehr als genug in Anspruch genommen und das Risiko, bei der Flucht hinzufallen und einen Genickbruch zu erleiden, war einfach zu groß. So stand ich da und versuchte, die zwei so unauffällig wie möglich zu beobachten. Und ich muss gestehen: So wasserstoffblond die Frau auch sein mochte, so groß ihre Melonen auch sein mochten, so dämlich sie auch lachen mochte, so kurz ihr Rock auch sein mochte … sie schien glücklich zu sein! Der Mann blickte auf den riesigen Diamanten, dann der Pferdefrau ganz tief in die Augen – wie in diesen Schnulzenfilmen aus Hollywood – und sagte: „Für die Liebe meines Lebens! Für die Ewigkeit!“ Und daraufhin küssten sie sich auch noch so hollywoodmäßig, indem sich die Frau leidenschaftlich und einer Ohnmacht nahe in seine Arme fallen ließ. Er hielt sie fest und küsste sie. Oh Gott, ist das kitschig, dachte ich. So unendlich KITSCHIG! … Aber auch soooo romantisch! Und ich liebe Romanik! (Und Kitsch erst recht!) Ein sehr fieses, mieses und unangenehmes Gefühl namens Neid überfiel mich ganz unerwartet und hinterrücks. Diese Szene war tatsächlich einem Film entrissen! Und wieso ging bei dieser Frau gerade JETZT nichts schief?! Wäre ich, bei der sich das Leben doch beständig nach dem Motto „REALITY SUCKS“ abspielte, an ihrer Stelle gewesen, hätte mich der Mann wohl aus Versehen fallen lassen oder kurz vor dem Kuss einen heftigen Niesanfall gekriegt und mich vollgerotzt … Oder ich hätte plötzlich pupsen müssen … Und wieso verliebte sich solch ein Mann NIEMALS in mich?! Wieso schoss Amor in meiner Angelegenheit ständig daneben?! … Aber mein ganzes Leben schoss ja daneben und an mir vorbei! Dabei war ich doch gar nicht mal so anspruchsvoll! Ich verlangte doch keinen Superman, sondern einfach nur jemanden, der frische Socken anzog und nicht im Wäschekorb nach welchen kramte, die dort schon seit einem Monat lagen, daran schnüffelte und strahlend verkündete: „Geht noch!“ Ich suchte jemanden, der ab und zu daran dachte, den Klodeckel runterzuklappen, und der auch ein bisschen umweltfreundlich dachte und beim Zähneputzen nicht das Wasser laufen ließ und der beim Onanieren vielleicht auch mal an mich dachte – und nicht an meine beste Freundin! War das denn zu viel verlangt?


 


[…]


 


 


Auszug aus dem Kapitel:




Eine Grippe kommt selten allein!


 


Von plötzlichen, schlimmen Gliederschmerzen befallen, wankte ich nach Hause. Ich konnte kaum ein Bein vor das andere setzen, solche Schmerzen hatte ich! … Aber, habe ich bereits erwähnt, dass die Grippe immer inklusive Dünnschiss über mich hereinbricht? … Es ist wirklich erstaunlich, wie gut man Schmerzen überwinden und plötzlich wie ein Weltmeister rennen kann, wenn man sich gezwungen sieht, SCHNELLSTENS eine Toilette aufzusuchen! Den Schließmuskel in solchen Situationen dazu zu zwingen, geschlossen zu bleiben, bis man endlich ein Klo findet, ist eine höchst schweißtreibende Kunst! So platzte ich mit vor Anstrengung schweißnassem Körper in einen Starbucks hinein! Dort konnte ich nämlich auf die Toilette gehen, ohne vorher was kaufen zu müssen! Mit meiner letzten Kraftreserve kämpfte ich mich wie ein Footballspieler durch die riesige Schlange der Kaffeesüchtigen hindurch, schubste hier und zog da jemanden aus dem Weg, und als ein blödes, heulendes Kleinkind sich zwischen mich und die Toilette stellte, holte ich weit mit meinem Fuß aus und wollte das Hindernis aus dem Weg schießen, doch eine Mutter rettete das mit Zöpfen dekorierte, verrotzte Goldlöckchen noch rechtzeitig! Ich SPRANG praktisch, einem Stabhochspringer gleich, in die Toilette hinein, knallte die Tür hinter mir zu, schaffte es gerade noch, meinen Hintern zu entblößen – und dann machte es „BÄÄÄÄÄÄÄNG“ und mein After explodierte!!! Dabei gelang es mir leider nicht mehr rechtzeitig, mich über das Klo zu hocken, und ich spritzte aus Versehen erst die Wände voll, bevor ich mich gezielt über dem Klo platzieren konnte und mir komplett die Seele aus dem Leib schiss. Natürlich setzte ich mich nicht auf diese fiese, bakterienverseuchte Porzellanschüssel, sondern spannte schön fleißig meine Oberschenkel an, während mein Hintern überm Klo baumelte und kotzte … Höchstwahrscheinlich war das auch der Grund dafür, warum ich gar nicht bemerkte, dass der Deckel unten war … Was kann ich denn da noch sagen? Reality sucks! Erst als die übelst riechende gelbbraune Brühe über meine Stiefel schwappte und meine Hosenbeine einweichte, bemerkte ich das Desaster. (Dass es in der Toilette kein Toilettenpapier mehr gab, empfand ich in dieser Sekunde nur noch als zweitrangiges Problem.) Verzweifelt durchforstete ich meine Hosentaschen nach einem Taschentuch – und fand nur einen 20-Euro-Schein. Na toll! Der reichte natürlich nicht einmal, um meinen Hintern einigermaßen sauber zu kriegen (von der im wahrsten Sinne des Wortes beschissenen Toilette ganz zu schweigen!) Und da es nicht einmal einen Mülleimer gab und ich den vollgesauten Deckel nicht wirklich anfassen wollte, um den stinkenden Schein ins Klo zu schmeißen, legte ich ihn einfach auf den Deckel drauf und somit mitten in dieses Malheur hinein! … (Na ja, immer positiv denken: Vielleicht könnte ihn die Putzfrau ja noch als Trinkgeld benutzen!)


Ich horchte, ob jemand in der Nähe war, und in einem günstigen Moment riss ich die Tür auf und sprang in der Hoffnung, niemand würde mich erkennen (oder anzeigen!), mein Gesicht mit der Tasche verdeckend, wieder aus der Toilette und aus dem Starbucks raus! Und als ob das nicht demütigend genug gewesen wäre, musste ich noch dazu die höchst unangenehme Erfahrung machen, in der Tram als Quelle fürchterlichen Gestanks böse Blicke von den anderen Fahrgästen zu kassieren! Den 1. Platz auf der Liste der „Am-meisten-stinkenden-Menschen-in-München“ hielt nämlich bislang immer unser Stadtpenner inne, der die Tram als Wohnung benutzte. Diesen Rang hatte ich ihm jetzt streitig gemacht.


„Ojjjjj!“, rief er mir voller Anerkennung zu, hob zum Prost seine Bierflasche hoch und entblößte grinsend seine Zahnlücken. Was kann ich dazu noch sagen … Reality sucks!


Nun ja … Auch hier zahlt sich das positive Denken aus: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind zu dieser Stunde nämlich erfahrungsgemäß dermaßen überfüllt, dass mein Gesicht normalerweise die meiste Zeit entweder schlimm verunstaltet gegen eine Fensterscheibe gequetscht wird oder gegen die stinkende und wuchernde Armbeuge eines verschwitzen Bauarbeiters! Doch an diesem schicksalhaften Tag – oh Wunder – stand in einem Umkreis von zwei Metern kein Mensch neben mir (den Stadtpenner mal ausgenommen), obwohl die Tram nicht weniger voll war als sonst auch!


 


[…]


 


 


Auszug aus dem Kapitel:


 


Wenn Regentropfen funkeln und Regenschirme fliegen …


 


Es war wieder so weit … Da lag ich wieder – auf einem wunderschönen Marmorboden, in einer traumhaften Suite, in einem unbezahlbaren Luxushotel, in London – und hatte keine Kraft aufzustehen. Da lag ich – mit meinem wunderschönen Kleid, meinen traumhaften Schuhen, meinem teuren Schmuck, der atemberaubenden Frisur – auf dem kalten, glänzenden Marmorboden … und nur ein kleines Etwas in mir, das ich nicht so recht definieren konnte, ließ mich atmen: Zwanzigmal die Minute, eintausendundzweihundertmal die Stunde und sechstausendmal die ganze Nacht hindurch … Das hielt mich am Leben. Und als die Sonne ihre ersten Strahlen durch die riesigen Fenster auf mich warf, da machte ich die Augen zu und atmete noch einmal zwölftausendmal – bis sie wieder unter ging.


„Lena, du musst endlich aufstehen!“, hörte ich Angies fordernde Stimme am nächsten Morgen, doch ich hatte keine Kraft zu antworten und brachte nur ein geflüstertes „Lass mich!“ zustande. „Soll ich dir einen Vanillepudding holen?“, fragte die besorgte LuLu. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. Ich wollte keinen Vanillepudding! Kein Vanillepudding dieser Welt konnte mich jetzt noch trösten. „Doch! Ich hole dir jetzt einen!“, beharrte sie und verschwand aus der Suite. „Willst du dich nicht lieber aufs Bett legen?“, fragte Angie mitfühlend. Wieder schüttelte ich kaum merklich meinen Kopf und bewegte mich keinen Zentimeter. Dicke Tränen kullerten meine Nase entlang und leuchteten goldrot in der flammenden Morgensonne. Sie sahen aus wie funkelnde Regentropfen. „Ach Lena! Lass dich doch nicht so hängen! Rede einfach mit Yunus und dann klärt ihr die ganze Sache!“, schlug sie vor. Yunus … Wie konnte er es wagen, mich so zu verletzen? Er hatte kein Recht dazu! Gar kein Recht dazu!


„Okay! Schluss damit!“, meinte plötzlich der böse Flo, packte mich unter den Armen und der verräterische Rüdiger, sein Komplize, schnappte sich meine Füße und mit vereinten Kräften hievten sie mich zum Bett! Wie konnten sie es wagen! (Und vor allem: Wieso mussten sie mich zu ZWEIT tragen? Wog ich eine Tonne, oder was?! Wie peinlich!)


So lag ich nun auf meinem großen, weichen Bett und sprach in tragischem Ton:


„Verhängt meine Spiegel! Ich muss um meine Vergangenheit trauern … eine Vergangenheit, in der ich noch meine Würde besaß … in der es noch Hoffnung gab!“ Dann machte ich es mir bequem, um zu sterben … Aber auf diesem weichen Bett konnte ich nicht sonderlich gut in der „Ich-Sterbe!“- Position liegen, weil die Kopfkissen mich zu ersticken drohten; also setzte ich mich genervt auf … und etwas Großes kam plötzlich in mir hoch! Zuerst dachte ich, ich müsste kotzen, doch es war ein monsunhafter Heulkrampf. Ich holte tief Luft – und explodierte! Meine mitfühlenden Freunde reichten mir treu die Taschentücher weiter, boten mir wie immer kooperativ ihre Schulter zum Hineinjammern, Nassheulen und Vollrotzen an und fütterten mich mit warmem, wohlriechendem Pudding. Das heilte meine kranke Seele ein bisschen … Aber nur ein bisschen!


Als ich also so, zum Sterben bereit, im Bett lag, stürmte Andy plötzlich herein und schrie:


„Wo ist Lena?“, ich hob meine Hand, um ihn zu mir zu lotsen. „Lena! Was machst du da? Es ist mitten am helllichten Tag!“, warf er mir vor. Wie es schien, hatte er nichts von der vorgestrigen Katastrophe mitbekommen.


„Ich sterbe!“, teilte ich dem Ahnungslosen mit.


„Damit kannst du dich morgen weiterbeschäftigen! Steh jetzt sofort auf, denn du wirst nicht glauben, wen ich heute getroffen hab …“, und er hüpfte auf den Ballen auf und ab wie ein kleines Kind.


„Das ist mir egal! Stör mich nicht!“, tadelte ich ihn.


„Aber vor deiner Tür steht CÉLINE DION!“, flüsterte er hysterisch.


„Ja, ja … und ich bin der Weihnachtsmann! Darauf falle ich nicht mehr rein! Darauf falle ich nie wieder rein!“, stellte ich klar und vergrub mein Gesicht im Kopfkissen, in der Hoffnung, mich ersticken zu können. Das war typisch für Andy! Immer wenn ich gerade versuchte zu sterben, kam er mit Céline Dion an! Aber mittlerweile kannte ich seinen Trick! Nie wieder würde ich darauf reinfallen!


„Are you okay?“, hörte ich plötzlich eine sanfte Stimme erklingen, die ich sonst nur aus dem Radio und von CDs her kannte. Überwältigt riss ich meinen Kopf hoch und starrte in das Gesicht von niemand anderem, als CÉLINE DION!


„AAAAAAAAR!“, brüllte ich ganz aus dem Häuschen. Im Nu sprang ich auf und vom Bett runter. UM GOTTES WILLEN! DAS IST SIE! DAS IST SIE WIRKLICH UND LEIBHAFTIG! DAS IST CÉLINE DION! CÉLINE DION!!! Ich huschte wie ein durchgeknalltes Wiesel in der Suite umher und kreiste wild mit meinen Händen herum, ohne wirklich zu wissen, was ich jetzt machen sollte. Und dann fiel mir auf, dass ich seit zwei Tagen nicht geduscht hatte und wahrscheinlich stank! Schnell lief ich also ins Bad, um mir die seit fast zwei Tagen ungeputzten Zähne zu putzen, die ungekämmten Haare zu kämmen und eine Tonne Deo unter meine müffelnden Achseln zu sprühen – und binnen einer Sekunde stand ich auch schon vor ihr, der Göttin des Gesangs, und sagte ehrfürchtig:


„Céline Dion!“, und dann wurde alles dunkel vor meinen Augen und ich fiel in Ohnmacht.


 


[…]


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