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Belletristik
Buch Leseprobe Dreams - Zauber einer Nacht, Amanda Frost
Amanda Frost

Dreams - Zauber einer Nacht



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Kapitel 1


 


 


 


„Bruno hat dir einen Heiratsantrag gemacht?“ Samanthas himmelblaue Augen weiteten sich ungläubig. „Das glaube ich jetzt nicht. Ich dachte, ihr wärt bloß gute Freunde.“


 


Gedankenverloren beäugte Sophie die Bläschen, die in ihrem Champagnerglas um die Wette sprudelten. „Ja, der Meinung war ich bisher auch.“


 


„Aber woher der plötzliche Sinneswandel?“


 


Sophie zuckte mit den Schultern. „Ich habe Bruno erzählt, dass ich einen Riesenstreit mit meinem Vater hatte, da er mich für den Umsatzeinbruch im Edelsteinsektor verantwortlich macht. Daraufhin hat Bruno mir einen Deal vorgeschlagen.“ Sie blickte auf. „Wie du ja weißt, ist Bruno Eigentümer eines weltweit agierenden Konzerns. Er ist andauernd auf Achse, hat weder Zeit für eine Frau, geschweige denn für eine Familie. Die Regenbogenpresse unterstellt ihm jedoch die absurdesten Affären. Daher hätte er gerne eine Frau an seiner Seite, die diese Spekulationen entkräftet.“


 


Hastig strich Sophie sich eine Strähne ihres langen brünetten Haars hinters Ohr. „Im Gegenzug würde er mir finanziell unter die Arme greifen, bis ich endlich auf eigenen Füßen stehe. Obendrein ist mein Vater einer seiner größten Konkurrenten im Goldhandel. So würde Bruno zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“


 


Samantha musterte sie versonnen. „Ich weiß nicht, Sophie. Willst du wirklich einen goldenen Käfig gegen den nächsten eintauschen?“


 


Sophie sprang auf und stakste auf ihren roten Stilettos ziellos durch den Raum. „Ich bin völlig hin- und hergerissen. Irgendwie wächst mir gerade alles über den Kopf. Ich hasse meinen Job und würde lieber heute als morgen kündigen. Aber ich habe einfach Angst, diesen Schritt zu wagen. Was, wenn ich mein Leben nicht alleine auf die Reihe kriege?“


 


Samantha nickte verständnisvoll. „Ich hatte dir von Anfang an davon abgeraten, in den Schmuckkonzern deines Vaters einzusteigen. Damit hast du dich nur noch tiefer in seine Abhängigkeit begeben.“


 


„Wem sagst du das! Aber du weißt doch, dass der Alte nicht fair spielt. Hätte ich mich geweigert, wäre ich schon vor Jahren enterbt worden. Verdammt, Sammy, ich muss endlich da raus …“ Ihre Stimme brach. Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zusammen. Sie räusperte sich. „Kann ich heute bei dir übernachten? Ich möchte im Moment nicht ins Haus meiner Eltern zurück.“


 


„Was für eine Frage! Selbstverständlich.“


 


Die beiden jungen Frauen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, blickten zerknirscht drein. Die eine, klein und blond, mit üppigen Formen gesegnet, verharrte im Schneidersitz auf dem Sofa. Ihre verwaschenen Jeans und das weite T-Shirt standen im krassen Gegensatz zu dem roten Kleid und den mörderischen High Heels ihrer Freundin, die mit ihrem gepflegten dunklen Haar und dem puppenhaften Gesicht eher an ein trendiges It-Girl erinnerte.


 


Besagtes It-Girl ließ sich gerade recht undamenhaft aufs Sofa plumpsen. „Vielleicht sollte ich es wirklich als Chance sehen, um endlich den Absprung zu schaffen. Mein Vater hält mich ohnehin für eine Null.“ Sie schnappte ihr Glas und nahm einen kräftigen Schluck, bevor sie erneut den Champagner hypnotisierte. „Genau das ist es! Ich kehre dem ganzen Luxus den Rücken und wage einen Neuanfang. Meine Schwester hat das schließlich auch durchgezogen. Was meinst du?“


 


Samantha schluckte vernehmlich. „Nur, dass deine Schwester die Unterstützung eines Mannes hatte.“


 


„Ich wusste doch, da war noch was.“ Frustriert griff Sophie nach der Champagnerflasche. „Oh, schon leer!“


 


Samantha schüttelte lächelnd den Kopf. „Sophie, wenn du nicht so unselbstständig wärst wie ein Rudel Gurken, hätte ich dir längst geraten, deinem Vater alles vor die Füße zu werfen. Aber in manchen Dingen liegt er leider richtig. Würde er nicht dauernd die Scherben hinter dir zusammenkehren, wäre seine Firma seit geraumer Zeit pleite.“


 


„Möglich, das hat er sich jedoch selbst zuzuschreiben. Ich wurde nun mal nicht zur Selbstständigkeit erzogen“, maulte Sophie trotzig. „Obendrein verabscheue ich Schmuck genauso sehr wie die ganze abgehobene Kundschaft.“ Sie wischte sich verstohlen eine kleine Träne aus dem Augenwinkel. „Womit wir wieder bei Bruno wären.“


 


Samantha sinnierte ein paar Sekunden lang. „Eigentlich halte ich nichts von solchen Deals, aber in deiner momentanen Situation wäre das vielleicht wirklich die beste Lösung. Viele Politiker oder Adlige gehen Scheinverbindungen ein. Ihr könntet eine Ehe auf Zeit vereinbaren, danach würdet ihr euch in gegenseitigem Einvernehmen scheiden lassen. Ich würde dir einen hieb- und stichfesten Ehevertrag aufsetzen, sodass ein Teil seines Vermögens an dich übergeht. Du wärst eine gemachte Frau und niemals wieder von deinem Vater abhängig.“


 


„Da käme ich mir aber irgendwie schäbig vor.“


 


„Schon klar, du bist eben einfach zu gut für diese Welt. Aber mit Naivität und Geradlinigkeit ist noch keiner zu Geld gekommen.“ Samantha schnappte die leere Flasche. „Warte, ich hole eine neue.“ Sie sauste von dannen. Kurz darauf stürmte sie mit einer weiteren Flasche Champagner und einem Laptop unter dem Arm ins Wohnzimmer zurück.


 


Sophie blickte in Richtung des Laptops und runzelte die Stirn. „Was hast du denn damit vor?“


 


Samantha hüpfte wieder auf das Sofa und warf den Computer an. „Nachsehen, ob eine Hochzeitsnacht mit diesem Bruno überhaupt zur Diskussion steht. Wie heißt der Typ noch mal? Meisenstein?“


 


Sophie kicherte. Mit ihren schrägen Gedankengängen vertrieb Samantha zumindest die düsteren Gedanken aus Sophies Kopf. „Bruno von Greifenstein.“


 


Samantha hackte hektisch auf die Tastatur ein. „Wow!“, platzte es einen Moment später aus ihr heraus. „Der Kerl ist Millionär? Ehrlich gesagt, den würde ich sogar nehmen, wenn er in einem Zelt hausen würde.“


 


Sie wirbelte den Laptop herum, auf dem ein dunkelhaariger Mann vom Bildschirm strahlte. Er trug ein schickes graues Hemd, farblich passend zu seinen leuchtenden Augen, die unter dichten Wimpern hervor jeglichen Beobachter in ihren Bann schlugen.


 


„Also, Sophie. Wo ist dein Problem? Du warst schon mit hässlicheren Kerlen im Bett.“


 


„Samantha!“ Sophies Ton klang anklagend, während sie Bruno ins Visier nahm. „Zugegeben, er ist attraktiv, aber irgendwie hat es nie zwischen uns gefunkt.“


 


Samantha war in ihrer Euphorie jedoch nicht mehr zu bremsen. „Überleg doch mal, der Typ sieht aus wie ein Mann von Welt. Er ist im besten Alter und hat sicherlich jede Menge Erfahrung mit Frauen. Das ist genau das, was du brauchst. Der könnte dich vielleicht endlich mal davon überzeugen, dass Sex etwas Wundervolles sein kann. Denn die grünen Jungs, mit denen du normalerweise in der Kiste landest, haben das bisher ja wohl nicht fertiggebracht.“


 


Sophie verdrehte die Augen. Samantha wollte einfach nicht verstehen, dass es im Leben Wichtigeres gab als Männer und Sex. Aber was war das doch gleich noch mal?


 


„Ach, Sammy, ich bin völlig durch den Wind. Ich benötige dringend ein wenig Zeit zum Nachdenken. Ich muss zuerst in mich gehen und mein Leben neu ordnen. Aber wie soll ich das anstellen, wenn mir morgen früh mein griesgrämiger Vater sofort wieder das schlechte Geschäftsergebnis vor Augen führt?“


 


„Du könntest dich krankmelden und vorerst bei mir Unterschlupf finden.“


 


Geistesabwesend spielte Sophie mit einem der Kissen auf Samanthas Sofa. Sie wusste nicht, ob es an der beruhigenden Wirkung des Alkohols lag oder ob ihr Vater endgültig den Bogen überspannt hatte, aber plötzlich brach eine Welle der Abenteuerlust über sie herein. Sie war nie ein risikofreudiger Mensch gewesen, doch nun tanzten Funken des Wagemuts in ihren großen dunklen Augen. „Ich hab’s! Ich setze mich einfach ab. Weit weg! Irgendwohin, wo mich keine Menschenseele findet. Dort treffe ich in aller Ruhe eine Entscheidung.“


 


Samantha stockte der Atem. Der Gedanke daran, ihre unbedarfte Freundin mutterseelenallein auf ein fremdes Land loszulassen, bescherte ihr Unbehagen. Denn ungeachtet ihrer siebenundzwanzig Jahre war Sophie manchmal an Naivität kaum zu übertreffen. „Hast du schon eine Idee, wo du hinwillst?“, erkundigte sie sich mit gesundem Argwohn.


 


„Natürlich!“, jubelte Sophie und zerrte ihre Kreditkarte aus der Handtasche. „Es gibt da einen Kindheitstraum. Los, gib mir die Nummer der Lufthansa!“


 


Kapitel 2


 


 


 


Oliver Malloy rückte die Lampe in seinem Arbeitszimmer zurecht und wandte den Blick der Pressemitteilung auf seinem Notebook zu. Herausfordernd starrte sie ihn an. Sollte er nun eine Gegendarstellung schreiben oder brachte das sowieso nichts? Wie hatte die Investorengruppe nur davon Wind bekommen, dass er drauf und dran war, in den europäischen Hotelmarkt einzusteigen? Irgendwo in seiner Organisation musste es eine undichte Stelle geben.


 


Doch momentan hatte er Besseres zu tun, als einem Spitzel hinterherzujagen. Es war höchste Zeit, die leidige Rede für die anstehende Hoteleröffnung in Las Vegas in Angriff zu nehmen. So war es eben, wenn man auf einen Pressesprecher verzichtete und ein Imperium im Alleingang führte.


 


Nachdenklich griff er nach einem von Juanitas Fajitas, die seit einiger Zeit auf seinem Schreibtisch ausharrten. Zuerst hatte er die Leckerei mit Verachtung gestraft, doch letztendlich war der Duft zu verführerisch. Er nahm ein paar Bissen, wischte sich sorgfältig an der bereitgelegten Serviette die Finger ab und öffnete ein leeres Dokument. Im Geiste rief er sich das Publikum der Eröffnungsfeier vor Augen, was ihm auf der Stelle noch schlechtere Laune bescherte.


 


Es gab nichts, was er mehr verabscheute als diese gezwungenen Veranstaltungen, auf denen man vorwiegend mit Neidern und habgierigen Erzrivalen konfrontiert wurde. Er hasste das heuchlerische Getue der Bankiers, Stadträte und Regierungsbeamten, die ihm während der Bauphase nichts als Steine in den Weg gelegt hatten und jetzt anerkennend erwähnt werden wollten. Ganz zu schweigen von den aufgetakelten Weibern, die auf der Suche nach einem wohlhabenden Mann waren, und den Nutten, die von solchen Ereignissen angezogen wurden wie die Motten vom Licht.


 


Allein der Gedanke daran, dass er sich für diese aufgeblasene Gesellschaft und die Fatzken von der Presse in einen Smoking werfen müsste, ließ seine Stimmung endgültig in den Keller rutschen. Er krempelte die Ärmel seines karierten Flanellhemdes hoch und tippte gemächlich los.


 


Die Nacht kroch gerade über die Hecken im Garten und ließ Schatten über den Bildschirm tanzen. Irritiert schaute Oliver auf. Sein Blick fiel auf den wundervollen orange-roten Sonnenuntergang, der sich über der Wüste anbahnte. Die Straße, die an dem weitläufigen Grundstück vorbeiführte, zerschnitt die Landschaft wie ein endloses Band. So weit sein Auge reichte, konnte er nichts erkennen – außer trostlosen Büschen und vereinzelten Kakteen, deren Schatten den Umrissen von Keulen schwingenden Zwergen ähnelten. Wenn der Wind sie bewegte, schienen sie nach dem Boden zu schlagen.


 


Als Kind hatte er sich immer lustige Geschichten dazu ausgedacht, doch das war lange her. Damals hatte er in einer anderen Welt gelebt. In einem glücklichen, zufriedenen Umfeld, in dem es eine Zukunft gab. Es war eine Zeit gewesen, in der all die geliebten Menschen noch unter den Lebenden weilten.


 


Er verdrängte die frustrierenden Gedanken und widmete sich wieder dem prächtigen Farbenspiel, das über den unendlichen Weiten Arizonas stattfand. Im Grunde genommen genoss er diese Einöde. Die Wüste war ihm ans Herz gewachsen. In gewisser Weise glich sie ihm. Zu großen Teilen war sie abgestorben, aber doch nicht tot. Nach außen hin strahlte sie überwältigende Ruhe aus. In Wirklichkeit jedoch war sie in ständiger Bewegung. Und das, was man hin und wieder für eine lebensrettende Oase hielt, entpuppte sich oft als Fata Morgana. Genau wie im wahren Leben.


 


Mit Gewalt riss er den Blick vom Fenster los und wandte sich erneut dem Bildschirm zu. Nachdenklich fuhr er sich mit einer Hand durch das verwuschelte blonde Haar und ließ überrascht den Arm sinken, als es an der Tür läutete.


 


Verflixt! Wer störte denn jetzt? Man sollte doch meinen, man hätte so weit weg von jeglicher Zivilisation seine Ruhe. Das konnte doch nur wieder dieser jämmerliche Bürgermeister sein, der ihn seit Monaten mit der tolldreisten Idee quälte, mitten in der Wüste ein Hotel aus dem Boden zu stampfen.


 


„Bin schon unterwegs, Señor Malloy!“, rief da glücklicherweise seine Haushälterin aus der Küche.


 


Gute Juanita! Sie wusste einfach immer, wann er seine Ruhe brauchte.


 


Eine Minute später stand sie jedoch verlegen in der Tür. „Da ist eine Señorita am Tor, die sagt, ihr Auto hätte eine Panne. Soll ich sie hereinbitten?“


 


Malloy runzelte die Stirn. Eine Frau? Das fehlte ihm noch zu seinem Glück. „Sagen Sie bitte Mike, er soll sich ihrer annehmen. Ich habe Wichtigeres zu tun“, brummte er schließlich.


 


Juanita huschte davon, verpasste es allerdings in ihrer Hektik, die Tür des Arbeitszimmers zu schließen.


 


Kurz darauf vernahm Oliver Mikes dumpfe Stimme aus dem Garten. Als ehemaliger Marine sollte Mike problemlos in der Lage sein, ein Auto zu reanimieren. Es sei denn, sein Bodyguard versetzte die abendliche Besucherin mit seinem unheilvollen Aussehen dermaßen in Schrecken, dass diese nicht mehr fahrtüchtig war.


 


Da näherten sich schnelle Schritte dem Haus. Verdrossen knallte Oliver die Maus auf den Schreibtisch. Verdammt noch mal! So würde er nie eine vernünftige Rede zu Papier bringen. Inzwischen völlig aus dem Konzept gebracht, beugte er sich so weit zur Seite, dass er ein Stück des Flurs einsehen konnte.


 


Juanita stand in der geöffneten Haustür, die Arme in die Hüften gestützt, das Kinn nach vorne gereckt. Sie starrte in die Ferne. Schon ihr bloßes Auftreten war abschreckend genug, es wäre wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen, Mike zu alarmieren. Doch dann – wider Erwarten - verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln.


 


Eine zierliche Frau tauchte auf. Ihre Schultern waren leicht gesenkt. Irgendetwas baumelte an ihrem Handgelenk, während sie sich mit der anderen Hand, sichtlich verunsichert, ein paar brünette Haarsträhnen aus dem Gesicht schob.


 


Potz Blitz! Kein Wunder, dass Juanita sich freute. Die Frau war noch ziemlich jung, schätzungsweise fünfundzwanzig Jahre alt. Mit ihren weit aufgerissenen dunklen Augen glich sie Audrey Hepburn, die zum Frühstück bei Tiffanys verabredet war. Und Juanita liebte Audrey Hepburn.


 


Während sich Malloy noch den Kopf darüber zerbrach, was eine solche Erscheinung in der Wüste zu suchen hatte, wischte seine Haushälterin ihre Finger an der Schürze ab, ergriff vorsichtig eine Hand der jungen Frau, bevor sie den anderen Arm um die schmale Taille des bibbernden Geschöpfes schlang, um sie ins Haus zu führen.


 


„Vielen Dank, dass Sie mich hereinlassen“, vernahm er kurz darauf eine leise Stimme, die in einem Akzent sprach, den er nicht sofort zuordnen konnte.


 


Nun erst recht neugierig geworden, rollte er den Schreibtischstuhl ein Stück zur Seite, um die Ereignisse besser verfolgen zu können. Dummerweise hatte die Person ihm den Rücken zugewandt. Ungläubig schüttelte er den Kopf, als er erkannte, was da lose um ihr Handgelenk baumelte. Ein paar knallrote High Heels. Wahrlich nicht das geeignete Schuhwerk für einen Spaziergang durch die Wüste! Seine Augen hefteten sich auf ihre nackten Füße mit den sorgfältig lackierten Zehennägeln und dem goldenen Kettchen an einem Knöchel. Langsam wanderten seine Blicke an ihren Beinen hinauf.


 


Grundgütiger! Was für ein knackiger Arsch! Dieser steckte in einem kurzen schwarzen Rock. Darüber trug sie eine ärmellose rote Bluse, die ihre Wespentaille umschloss und farblich genau zu den Schuhen an ihrem Handgelenk passte. Das glänzende haselnussbraune Haar war, bis auf ein paar einzelne Strähnen, die sich vermutlich durch den Abendwind gelöst hatten, gekonnt hochgesteckt. Selbst die Sandspuren an ihren Füßen taten ihrer schlichten Eleganz keinen Abbruch.


 


Sie war etwa einen Meter siebzig groß und gertenschlank, genau wie Audrey Hepburn damals eben. Neben ihr auf dem Boden ruhte eine dieser unbezahlbaren Designer-Handtaschen, deren Marke sich Oliver partout nicht merken konnte. In diesem Moment hätte er eins seiner hochgezüchteten Pferde dafür verwettet, dass die junge Frau nicht in Arizona beheimatet war.


 


Während Juanita leise auf sie einredete, rieb sie immer wieder abwechselnd einen ihrer Füße am anderen Bein. Entweder war ihr der Marmorboden zu kalt oder sie war nervös.


 


Wie gebannt, klebten Olivers Augen auf ihren Waden. Völlig unerwartet überkam ihn der Drang, sich das Mädel über die Schulter zu werfen und in sein Schlafzimmer zu verfrachten. Die Vorstellung, wie sich ihre Zehen mit den rot lackierten Nägeln verkrampften, wenn sie unter ihm kam, törnte ihn an. Keine Sekunde später hätte er sich am liebsten in den Hintern getreten. Teufel aber auch! Das war genau die Art von Ablenkung, die er nicht gebrauchen konnte!


 


Verärgert sprang er auf und feuerte mit einem Knall die Tür des Arbeitszimmers zu. Er hatte nicht die geringste Lust, sich länger Gedanken über dieses zappelige Geschöpf mit den nackten Füßen zu machen. Und noch weniger wollte er darüber nachdenken, was passieren könnte, wenn eine Frau nachts allein in der Wüste unterwegs war. Diese Erfahrung hatte er schließlich schon einmal machen müssen.


 


 


 


Es war bereits weit nach Mitternacht, als Oliver seinen Computer herunterfuhr. Nachdem im Haus endlich Ruhe eingekehrt und der unerwünschte Eindringling offenbar verschwunden war, war es ihm doch noch gelungen, eine Rede aus dem Ärmel zu schütteln.


 


Ohne das Licht einzuschalten, wanderte er in den Salon, um sich bei einer Zigarre und einem Glas Whiskey zu entspannen. Er tastete nach einem der Lämpchen und stolperte über etwas.


 


„Verdammt, was …?“, fluchte er leise vor sich hin.


 


Als der Raum in gedämpftes Licht getaucht wurde, registrierte er einen Schatten auf dem Sofa. Er wirbelte herum und traute seinen Augen nicht. Dort verharrte ein Bündel, in eine Decke gewickelt. Er konnte einzig einen Wirrwarr dunkler Haarsträhnen ausmachen.


 


Plötzlich kam Bewegung in das Häufchen. Ein paar große, braune Augen lugten unter der Decke hervor und blinzelten ihn erstaunt an. Im nächsten Moment tauchten ein paar volle Lippen auf, denen gleich darauf ein schriller Schrei entfuhr.


 


Mit einem Ruck schoss die junge Frau hoch. „Wer sind Sie? Und was haben Sie hier zu suchen?“, quiekte sie aufgeregt.


 


Sie sprang auf, stolperte dabei über die Stilettos, über die Oliver kurz zuvor gefallen war, und brachte sich mit zwei Sprüngen hinter dem Sofa in Sicherheit.


 


Er war einen Augenblick lang wie vor den Kopf gestoßen. Das durfte doch nicht wahr sein? Was hatte sie denn noch hier zu suchen? Kurzzeitig vergaß er all seine guten Manieren und unterzog sie einer unverblümten Musterung.


 


Allerdings musste er sich zähneknirschend eingestehen, dass sie aus der Nähe betrachtet, noch attraktiver war. Ihre fast schwarzen Augen mit den dichten Wimpern wirkten übernatürlich groß und unendlich tief. Und dieser Mund! Die Lippen weich und verführerisch schimmernd. Davon abgesehen, dass ihre schlanke Figur ein wenig knabenhaft anmutete, schien sie mit Beinen bis zum Hals gesegnet zu sein.


 


Ein paar Herzschläge später erlangte er endlich seine Fassung wieder. „Was ich hier mache? Das sollte ich Sie fragen.“ Seine Antwort musste ruppiger ausgefallen sein, als beabsichtigt, denn sie wich einen weiteren Schritt zurück.


 


„Ich darf hier übernachten“, setzte sie mit bockigem Unterton zu ihrer Verteidigung an. Dabei glitten ihre Blicke abschätzig über sein kariertes Hemd, das er lässig über der verwaschenen Jeans trug, bis hinunter zu den abgetragenen Cowboystiefeln. „Der Besitzer hat es mir erlaubt.“ Hochmut dominierte ihre Stimme. „Ich nehme an, Sie sind einer seiner Angestellten. Ich gehe nicht davon aus, dass ich mich vor Ihnen zu rechtfertigen brauche.“


 


Dieses kleine Biest! Sie wollte ihn allen Ernstes für blöd verkaufen. Okay, auf das Spiel würde er sich einlassen. Es war durchaus interessant, jemandem beim Lügen zuzuhören, wenn man die Wahrheit kannte. „Ach, hat er?“


 


Sie nickte hektisch. „Jawohl! Also fassen Sie mich bloß nicht an, sonst schreie ich Zeter und Mordio.“


 


Er grinste anzüglich. „Das lag nicht in meiner Absicht. Es sei denn, Sie bestehen darauf.“


 


„Scherzkeks“, grummelte sie. „Also, was ist? Verschwinden Sie jetzt wieder, damit ich noch eine Mütze voll Schlaf bekomme?“


 


„War Mike nicht in der Lage, Ihr Auto in Gang zu bringen?“


 


Überrascht, dass er über ihre Misere im Bilde war, schüttelte sie den Kopf. „Nein. Also, das Problem ist …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Nun, der Tank war leer, und im Umkreis sind offenbar alle Tankstellen geschlossen. Daher muss ich wohl oder übel bis morgen früh hier ausharren.“


 


Sophie musterte den Mann argwöhnisch. Er war hochgewachsen mit breiten Schultern und schien mit seiner physischen Präsenz den ganzen Raum auszufüllen. Die Schatten der Wut, die sich gerade über sein Gesicht legten, verhießen sicher nichts Gutes.


 


„Sie wagen sich mit leerem Tank in die Wüste?“, polterte er auch schon los, wobei seine sonore Stimme wie eine Lawine durch den Salon donnerte und sie vor Schreck beinahe tot umfallen ließ. „Mädchen, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Haben Sie auch nur den leisesten Schimmer, was dabei hätte passieren können?“


 


Für einen Augenblick hatte er es tatsächlich geschafft, sie einzuschüchtern. Doch rasch braute sich ein kleines Unwetter in Sophie zusammen. Was erlaubte sich dieser primitive Viehtreiber, sie in einem solchen Ton anzugehen?


 


Todesmutig reckte sie das Kinn in die Höhe. „Was fällt Ihnen ein, mich so anzufahren!“, machte sie ihrem Unmut lautstark Luft. „Hat man Ihnen nicht beigebracht, wie man sich einer Dame gegenüber verhält? Glauben Sie im Ernst, ich lasse mich von einem dahergelaufenen Cowboy anpöbeln?“


 


Um noch eins draufzusetzen, marschierte sie schnellen Schrittes um die Couch herum und baute sich vor ihm auf. Dabei bemerkte sie erschrocken, dass er sie um Haupteslänge überragte.


 


Doch da dämmerte ihr, dass sie Männern normalerweise mit zehn Zentimeter hohen Absätzen gegenübertrat, wohingegen momentan die Stilettos peinlicherweise auf dem Boden neben ihren Füßen ruhten. Wahrscheinlich wirkte sie barfuß mit ihrer durch den Schlaf zerrupften Frisur und den knittrigen Klamotten wie ein Bauerntrampel. Kein Wunder, dass dieser Farmer keinerlei Respekt vor ihr an den Tag legte.


 


Rasch zupfte sie ihren Rock zurecht, schob sich ein paar Haarsträhnen hinters Ohr und neigte sich zur Seite, um unauffällig nach ihren Schuhen zu angeln. Das Hineinschlüpfen erwies sich jedoch schwieriger als erwartet.


 


Ihr nächtlicher Besucher betrachtete sie derweil mit hochgezogenen Augenbrauen und unergründlichem Gesichtsausdruck. „Dahergelaufener Cowboy?“, waren die einzigen Worte, die er zutage förderte, während er sich gedankenverloren am Kinn kratzte.


 


„Jawohl! Sie dürfen sich gerne bei mir entschuldigen“, fügte sie hinzu, um von dem Kampf mit dem letzten Riemchen, das nicht über den Zeh wollte, abzulenken.


 


Auf einem Fuß hüpfend, vollendete sie schließlich ihr Vorhaben. Geschafft! Die Schuhe waren wieder dort, wo sie hingehörten. Sofort fühlte sie sich wohler. Sie richtete sich auf.


 


Ein schelmisches Zucken hatte sich mittlerweile um die Mundwinkel des braun gebrannten Mannes mit den blonden Haaren ausgebreitet. Er hatte die Auseinandersetzung mit den Sandalen sehr wohl mitbekommen und hegte offenbar keineswegs die Absicht, sich bei ihr zu entschuldigen. Immerhin schien sein Unmut inzwischen verraucht zu sein. Dafür machte sich dieser verdammte Mistkerl nun über sie lustig!


 


„Was?“, fauchte sie. „Warum starren Sie mich so an?“ Anscheinend war dieser Cowboy nicht bloß unhöflich, sondern obendrein schwer von Begriff.


 


Doch in dem Moment, als er zu einer Antwort ansetzte, polterte ein dunkelhäutiger, mindestens zwei Meter großer Mann mit der Figur eines Grizzlys ins Zimmer. Der kurze Stoppelhaarschnitt betonte seinen übernatürlich breiten Nacken. Er trug ein weites T-Shirt mit dem aufgedruckten Namen einer Football- oder Baseballmannschaft, dazu eine enge Jeans, die seine muskulösen Oberschenkel wie eine zweite Haut umspannte.


 


Erschrocken wich Sophie zurück. Dann jedoch erkannte sie in ihm den Mann wieder, der ihr vor einigen Stunden mit einem Truck den Wagen in den Hof des ausladenden Anwesens geschleppt hatte. Sogleich verspürte sie Erleichterung.


 


Währenddessen flitzten die Blicke des Grizzlys verdutzt zwischen ihr und dem minderbemittelten Cowboy hin und her. „Oliver, was ist los? Ich habe Geschrei gehört.“


 


Der Cowboy zog eine Braue hoch. „Das frage ich dich, Mike. Seit wann ist das hier ein Hotel?“


 


Mike rollte mit den Augen. „Nun mach doch nicht so einen Aufstand! Das Mädchen hatte kein Benzin mehr im Tank. Wir hätten bis nach Flagstaff fahren müssen, um eine Tankstelle zu finden.“


 


Sophie beobachtete die beiden Männer irritiert, die sich verhielten, als wäre sie überhaupt nicht zugegen.


 


„Außerdem war die Kleine fix und fertig“, rechtfertigte Mike erneut sein Handeln. „So konnte ich sie unmöglich auf die nächtlichen Highways loslassen.“


 


Warum war dieser Berg von einem Mann einem Cowboy Rechenschaft schuldig? Ein ungutes Gefühl machte sich in ihren Eingeweiden breit, denn allmählich schwante ihr, dass sie einem Irrtum unterlegen war. Doch sie verdrängte diese einschüchternden Gedanken und schaute mutig in die Augen des vermeintlichen Viehtreibers, der sie unverwandt mit stoischem Gesichtsausdruck musterte.


 


Wer dieser Kerl wohl sein mochte? Und was hatte er auf dieser Ranch zu melden? Wobei man das Anwesen eigentlich kaum als Ranch bezeichnen konnte. Denn als Sophie nach einem mörderischen Marsch durch die Wüste dort angekommen war, hatte sie ein luxuriöses zweistöckiges Gebäude bestaunt – verborgen hinter einem hohen schmiedeeisernen Tor, umgeben von Palmen und Kakteen.


 


Sogar videoüberwacht war das Gelände. Beim Läuten hatte sie die kleine Kamera oben am Tor entdeckt, die sie wie ein einäugiges Monster angeglotzt hatte. Und das, wo Sophie doch erwartet hatte, mitten im Nirwana eher auf eine baufällige Hütte mit einer verzogenen Holztür zu treffen. Eine riesige Villa war das Letzte, mit dem sie gerechnet hatte.


 


Nun blitzten wieder wütende Funken in den Augen ihres Gegenübers auf. „Ich möchte mir jetzt gar keine Gedanken darüber machen, was ich von diesem verantwortungslosen Handeln halte. Das schlägt mir bloß aufs Gemüt.“ Mit einer flinken Bewegung fuhr er herum. „Mike, sorge bitte dafür, dass sie von hier verschwunden ist, bevor ich morgen früh den Salon betrete! Und gib acht, dass ihr nicht doch noch etwas passiert!“ Mit diesen Worten wanderte er, ohne Sophie eines weiteren Blickes zu würdigen, aus dem Raum.


 


Sophie sank fassungslos auf das Sofa. Manieren waren wohl etwas für andere Leute. „Herrje, wer war das denn? Der Kaiser von China?“


 


„Knapp daneben! Oliver Malloy ist der Besitzer dieser Ranch. Tut mir leid, ich konnte nicht ahnen, dass er heute Nacht noch einmal hier erscheinen würde.“ Mike zuckte mit den Schultern. „Ich bin lediglich sein Fahrer und Bodyguard.“


 


Sophie riss ungläubig die Augen auf. Der Besitzer! Ach du liebe Güte! Was hatte sie ihm alles an den Kopf geworfen? Aber wozu benötigte ein Farmer, der im Nirgendwo lebte, einen Bodyguard? „Was ist das für ein Mensch? Wenn Sie nicht gekommen wären, hätte er mich vermutlich mitten in der Nacht vor die Tür gesetzt. Von Gastfreundschaft hat dieser ungehobelte Klotz wohl noch nie etwas gehört?“, ging sie in die Offensive. Angriff war von jeher die beste Verteidigung.


 


Mike hob abwehrend eine Hand. „Nein, nein. Oliver ist kein schlechter Mensch. Er kann nur den Gedanken nicht ertragen, dass eine Frau in der Wüste eine Autopanne hat. Legen Sie sich wieder hin! Ich wecke Sie morgen in aller Herrgottsfrühe, dann schleppen wir Ihr Auto zur nächsten Tankstelle, und Sie können tagsüber reisen. Das ist sicherer. Gute Nacht!“


 


Mit einer grazilen Bewegung, die man diesem Koloss von einem Mann gar nicht zugetraut hätte, wandte er sich ab und hatte das Zimmer verlassen, ehe Sophie noch etwas erwidern konnte.


 


Für ein paar Sekunden hockte sie nachdenklich da. Schließlich sprang sie auf, schnappte ihre Handtasche und flitzte zur Tür hinaus. Keine Minute länger wollte sie unter dem Dach dieses bärbeißigen Kerls verbringen. Lieber würde sie einer Klapperschlange in die Augen starren oder von einem anhänglichen Skorpion gezwickt werden.


 


Herrschsüchtige Männer, die sie an ihren Vater erinnerten, waren für alle Zeiten tabu!


 


 


 


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