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Belletristik
Buch Leseprobe Die Glaskugeln, Karin S. Richter
Karin S. Richter

Die Glaskugeln



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Die Leseprobe beginnt auf der Seite 123:


 


Nina schob den hohen Stapel der Papiere mürrisch in die Ecke des Schreibtisches. Die Heiratsaufgebote und Termine im Rathaus lagen aufeinander gehortet. An der Wand des Büros klebte ein Zettel mit Ninas Handschrift: Die Arbeit adelt den Menschen. Was mich betrifft, kann ich auf diesen Mist verzichten. Der Klang des von ihr zornig hingeschmissenen Bleistifts zerschnitt die Stille im Raum. „Lore, weißt du was? Es kann sein, dass mein Vater auch mich beschatten lässt, damit ich die Tugend der Witwe nicht verliere. Ich sehe oft die VGS-Männer herumspazieren. Weiß der Teufel, wen sie da andauernd bespitzeln! Ein armes Schwein, das am liebsten von hier abhauen möchte auf jeden Fall.“ Nina ballte die Hände an ihren Hüften. Ihre kleine Stupsnase atmete tief ein und aus. Ich hatte sie noch nie so aufgebracht gesehen. „Hast du mit ihm über mich gesprochen? Hat er dich etwas gefragt?“ Von dem Fenster aus überblickte ich die, einzeln um den Parnass-Brunnen verteilten Gemüsestände. Die alten Frauen in bäuerlicher Kleidung, das Kopftuch tief in die Stirn gezogen, offerierten ihre Auswahl der Ware. Äpfel, Kirschen, Kohlrüben und kleine Radieschen lagen auf den Tischplatten im Angebot. Ich wartete auf Ninas Antwort. „Er sagte, dass du eine auffallende Person bist, und dass es merkwürdig ist, dass du nicht einen Mann in Deutschland geheiratet hast.“ „Verdammt noch mal, Nina“, meine Stimme wurde scharf. Ich drehte mich ihr zu, „kann das denn niemand verstehen? Ich war in Stefan verliebt. Um mit ihm zu sein, musste ich zurückkommen. Es gab keine andere Alternative.“ „Alternative! Was erzählst du für einen Blödsinn? Da war eine Alternative. Dass du dich in so einen richtigen germanischen Typ, groß, blond und blauäugig verliebst. Aber entschuldige! Stefan ist groß, blond und blauäugig.“ Ich zog meine Stöckelschuhe aus und massierte die schmerzenden Fersen. „Du hast recht, Nina! Es ist auch beinahe geschehen. Ich war in einen Deutschen verliebt. Aber ich habe Stefan versprochen zurückzukommen.“ „Wie dämlich! Mich hätten hundert Pferde nicht zurückgebracht. Und wegen einem Mann schon gar nicht!„ „Wenn ich auch in Deutschland geblieben wäre, sogar geheiratet hätte, der Gedanke, dass ich mit Stefan vielleicht glücklicher geworden wäre, wäre ein störender Faktor zwischen mir und dem anderen Mann denn ich geheiratet hätte.“ „So eine Idiotie“, erwiderte Nina in ihrer sarkastischen Art. „Kannst du nicht einen Mann für einen anderen vergessen? Männer tun es auch. Kaum haben sie eine andere Frau an der Angelrute, vergessen sie dich wie frische Socken anzuziehen!“ „Nina“, sprach ich sie nach einer Weile an, weil ich zuerst über ihren trockenen Humor lachen musste, „es war ja auch nicht der einzige Grund warum ich zurückkam, es war “. „Psst“, unterbrach mich Nina und legte den Zeigefinger ihrer rechten Hand auf die Lippen andeutend, ich soll schweigen. Vom Marktplatz her tönten die Ausrufe der Bäuerinnen, die ihre Ware anboten. Trotzdem war das Zuschlagen der Tür im Korridor zu hören. Blitzschnell drehte sich Nina um und öffnete die Bürotür. Der halbdunkle Gang war leer, nur ein frischer Zigarettengeruch zog umher. Grollend machte Nina die Tür wieder zu. Sie wandte sich mir zu, „ich bekomme langsam einen Verfolgungswahn. Hier haben auch die Wände Ohren. Aber zurück zu dir. Was war noch der Grund deiner Rückkehr?“ fragte sie. Ich suchte den Faden meiner Gedanken was ich eigentlich sagen wollte, weil es mir mit der laufenden Zeit und der unerwarteten Geschehnissen etwas töricht vorkam und antwortete dann: „Ich fühlte mich vereinsamt. Du musst dir vorstellen, du gehst die Straßen von Stuttgart, Paris oder Rom entlang und hast niemanden zum Sprechen. All die vorbeigehenden Menschen sind Fremde. Sie wissen nichts von dir, es interessiert sie auch nicht von wo du kommst und wohin du gehst. Auch du bist eine Fremde zwischen den Fremden geworden.“ Nina hatte immer noch ihren grollenden Ausdruck im Gesicht. „Hör mal“, sagte sie, „deine Einsamkeit interessiert die Schnüfflerbrüder nicht. Ich glaube nicht einmal, dass sie von einem Gefühl der Einsamkeit eine blasse Ahnung haben. Sie sind nur gedrillt um den wahren, oder vermeintlichen Gegner des Kommunismus ausfindig zu machen. Ich habe bereits meinem Vater gesagt, Ihr seid alle Ochsen, mich interessiert der ganze Sicherheitsquatsch wie der Schnee vom vorigen Jahr.“ „Das darf doch nicht wahr sein!“ rief ich aus und presste meine Füße wieder in die Schuhe hinein. „Du hast Mut deinem Vater zu widersprechen. Ihr zwei habt ganz verschiedene politische Ansichten. Schafft das nicht Spannungen in der Familie?“ Angeekelt verzog Nina ihren rot gemalten Mund und machte gleichzeitig eine abwerfende Handbewegung: „Ob es Spannungen schafft ist mir scheißegal! Ich bin aber davon überzeugt, dass er, wäre ich nicht seine Tochter, mich ins Arbeitslager stecken würde, um die Kohle für die Russen zu schaufeln. Auf seine Anordnung hin sind schon einige arme Schweine in den Minenstollen gelandet.“ Ninas Worte beängstigten mich. Ohne jegliche Schuld fühlte ich mich in meiner persönlichen Freiheit bedroht. „Dein Vater ist ein mächtiger Mann ---“, „Ach“, fiel mir Nina ins Wort und zog ihre Mundwinkeln herabsetzend herunter, „er ist geltungssüchtig und mächtig stolz darauf der Chef von dem Geheimdienstkram zu sein, der sich stolz und erhaben Verband der Geheimen Staatssicherheit nennt. Gott beschütze dieses ehrwürdiges Amt!“ Witzbold Nina. Sie sprach wieder in ihrem typischen Tonfall von Sarkasmus, der nur dem verständlich war, der sie gut kannte. „Von einer Geheimen Staatssicherheit habe ich in Deutschland nichts gehört. Es hätte mich auch nicht interessiert“, sagte ich und dachte, wirklich, dort habe ich mich irgendwie freier gefühlt. „Mensch, Lore, du meinst wieder West-Deutschland! Sei nicht naiv, die haben auch so eine Staatssicherheit, weil es die Ost-Deutschen haben, sagte mein Vater. Mich würde es auch nicht interessieren, wenn mein Vater nicht dabei wäre“, sprach Nina erbost, „trotzdem sind die Sicherheitsmänner saublöde Trotteln! Angeblich schützen sie Staatsgeheimnisse. Ich frage mich aber welche Geheimnisse?“ lachte Nina spöttisch auf. „Vielleicht dass ich der Verkäuferin 50 Kronen zustecken muss, damit sie mich sofort anruft, wenn eine Lieferung von Orangen angekommen ist? Oder die Würstchen, auf die ich einen ganzen Monat warten muss, bis sie wieder in den Geschäften zu haben sind? Wir haben nicht einmal eine Auswahl an Lebensmitteln. Aber nein, die heilige Kuh der Kommunismus und seine Staatsgeheimnisse!“ Nina lachte höhnisch und ich überlegte, ob ich tatsächlich ins Visier der Staatssicherheit geraten war? „Merkwürdig“, sagte ich und kniff die Augen in Erinnerung. Nein, ich irrte mich nicht und fügte hinzu, „dass der Mann ausgerechnet immer da steht, wenn ich einen Brief von Michael an der Post abhole. Kann das ein Zufall sein?“ Nina runzelte die Stirn, sie schien zu lauschen ob doch nicht vielleicht jemand hinter der Tür stand und unsrem Gespräch zuhörte. „Wer weiß von deinem Verhältnis mit Michael?“ fragte sie leise. „Niemand außer dir und einer Bekannten in Ostrava. Die aber wird niemanden etwas sagen, weil sie selbst ab und zu außereheliche Beziehungen hat. Das Problem aber ist“, pausierte ich überlegend dessen, was mir gar nicht recht war, „dass Michael bereits seinem Trainer gesagt hatte, dass er mich heiraten will. Er selbst verheimlicht unsere Beziehung nicht!“ Nina sprang vom Tisch auf. „Was?“ gellte ihr Aufschrei durch das Bürozimmer. Im Takt des Twist fing sie an ihre Beine zu schwingen. Seitlich, nach vorne, nach hinten, die Hände im Gleichtakt, summte sie die Melodie des „Twist again“ und drehte sich im Kreis umher. Als sie zum Stehen kam, strahlte sie mich an. „Mensch, Lore, was für eine Ehre für mich! Meine beste Freundin, die Frau Špeta. Ich werde noch verrückt! Meine beste Freundin die Ehefrau des von allen Frauen begehrten Mannes. Nach dem Sieg auf der Rennbahn wirft er ihr die Siegesblumen zu. Und ich darf dabei sein!“ Kaum aber hatte sie ihre Glückstirade zu Ende gesprochen, blieb sie abrupt stehen. Stumm. Für etliche Sekunden. Dann sagte sie: „Mensch, Lore, du bist aber immer noch verheiratet! Was für einen Mist hast du da gebaut?“ „Nina“, erwiderte ich verzweifelt, „das ist leider die Lage der Situation!“ So schnell wie Nina vom Tisch aufgesprungen war, so schnell setzte sie sich wieder hin. Ihre Finger trommelten auf der Schreibtischplatte; mürrisch schaute sie vor sich hin. Die angestaute Hitze im Zimmer machte mir zu schaffen. Ich griff nach den Glaskugeln an meinem Hals und drehte die einzelnen, kleinen Kügelchen in meinen Fingern. Die ewig bestehende Kälte des Glases beruhigte meine Emotionen. Ich redete es mir selbst ein: „Du musst nur Ruhe bewahren! Die Situation ist geschehen, es gibt kein zurück.“ Nina führte inzwischen auch ein Selbstgespräch. „Da ist ein Zusammenhang! Hier ist etwas, das mir nicht gefällt!“ Um sie überlegen zu lassen, stellte ich mich ans Fenster und blickte hinaus. An einem der Stände war Streit ausgebrochen. Zwei Frauen schrien sich gegenseitig an. Scheinbar stritten sie um das Gekaufte wer was, oder nicht in die Tüte bekommen hat. Ich aber überlegte, Übermorgen eine ernste Aussprache mit Michael zu führen. Meine Situation war nicht zu unterschätzen. Von irgendwoher droht eine Gefahr. „Lore, komm her!“ sprach Nina mich schließlich an. „Mir ist etwas aufgefallen. Der Sicherheitsdienst hat von deiner Beziehung zum Michael Wind bekommen. Die machen doch immer aus einer Mücke einen Elefanten“, lachte sie kurz auf. „Vor einiger Zeit hörte ich zufällig ein Telefongespräch meines Vaters. Er gab dem Außenministerium die Anweisung, einem Deutschen das Arbeitsvisum abzunehmen und ihn innerhalb von drei Tagen aus dem Land auszuweisen. Er arbeitete hier im Auftrag der Firma Siemens. Angeblich hat eine Frau einen Jungen geboren und den Deutschen als Vater angegeben.“ „Der Mann muss aus West-Deutschland gewesen sein. Ich glaube, die Firma Siemens hat ihren Hauptsitz in Stuttgart“, meinte ich. „Mein Vater hat keine Ahnung dass ich dieses Gespräch mitgehört habe, aber dämlich finde ich es schon. Aus einer Bumsaffäre eine internationale Affäre zu machen.“ „Weißt du wer die Frau ist?“ „Nein, das weiß ich nicht. Vielleicht ist sie als Nutte im Staatsdienst tätig und zur Zeit in Mutterurlaub versetzt worden. Aber vielleicht ist die ganze Affäre nur eine reine Liebesbeziehung. Was es aber auch ist, darauf nimmt die Staatssicherheit keine Rücksicht.“ „Und was soll das mit mir zu tun haben?“ Nina schwieg während sie im Zimmer auf und ab lief. Dann rekonstruierte sie die mögliche Verdächtigung der Staatssicherheit: „Du bist eine Deutsche! Aber du lebst hier. Warum?“ Ich fühlte einen Anfall von Verzweiflung und plötzlichen Angst in einer Sackgasse gelandet zu sein. „Nina, das ist doch verrückt! Ich bin hier geboren. Seit Jahrhunderten sind Deutsche hier geboren worden. Ich bin doch keine Ausnahme. Dann sind wir nach Deutschland gegangen. Nun bin ich zurückgekommen. Drei Tage nach meiner Einreise musste ich meinen deutschen Pass bei der Polizei abgeben. Einfach weggenommen haben sie ihn mir und bis heute nicht zurückgegeben.“ „Das ist es!“ konterte Nina trocken. „Du bist seit dem ersten Tag deiner Ankunft im Visier der Staatssicherheit!“ „Oh, Gott“, stöhnte ich auf, „man hat mir gesagt, sonst könnte ich Stefan nicht heiraten.“ „Und hier haben wir den Mist!“ klang Nina schrill. „Als Deutsche ließ man dich hier heiraten und dann verknallst du dich in einen anderen Mann, der Militärangehöriger ist und noch dazu unsres Land im Ausland repräsentiert!“ Entrüstet griff ich nach Ninas Schultern. „Was heißt verknallt! Ich war bereits als Kind in ihn verknallt. Jetzt liebe ich ihn. Es ist ein reiner Zufall, dass er inzwischen das geworden ist, was er ist. Ein erfolgreicher Sportler und von Beruf Soldat.“ Nina seufzte, verdrehte die Augen und zog eine Clownsgrimasse. „Ach, ja! Die große Liebe“, spottete sie. „Naja“, fügte sie hinzu, „ist auch meine Schuld. Ich war auch diejenige, die dir die erste Nachricht von ihm gab. Ich werde meinen Vater aushorchen, und falls eine gefährliche Situation um deine Person zustande kommen sollte, werde ich versuchen ihm deine Situation zu erklären, dass du einfach nur in Michael verliebt bist und dass nichts anderes dahinter steckt, falls die Sicherheitsochsen denken, du würdest etwas militärisches spionieren. Diese Blödheit mute ich ihnen zu!“ Es kam mir vor, als würde ich in einem geschlossenen Kreis stehen, der näher an mich heranrückte. Ich fühlte den würgenden Druck, die Bedrängnis, in der mir die Beherrschung meines Lebens zu entgleiten drohte. Dass ich sie wie machtlos und trotzdem freiwillig einer unbekannten Macht überließ. Den Tränen nah, legte ich meinen Kopf an Ninas Schultern. „Was soll ich machen?“ fragte ich Nina. „Michael drängt mich die Scheidung von Stefan einzureichen damit er mich heiraten kann. Aber Stefan liebt mich auch. Er denkt, unsere Ehe sei für immer und ewig. Er hat keine Ahnung, dass ich ihn betrüge. Ich kann mit dieser Lüge nicht leben. Ich muss mich zwischen Stefan und Michael entscheiden. Den, oder den zu verlassen. Es ist eine schicksalsschwere Entscheidung für die ich allein verantwortlich bin.“ Nina hielt mich in ihren Armen und schnaufte drollig. „Quatsch! Warum sollst du dich entscheiden. Wähle den bequemen Weg! Bleibe verheiratet und behalte Michael als Liebhaber. Kommt Zeit, kommt Rat! Ich selbst hasse Entscheidungen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass vieles sich irgendwie und irgendwann von alleine lösen wird. Warum soll ich mir den Kopf zerbrechen über Dinge, die ich gar nicht ändern will und gleichzeitig eine schöne Zeit des Lebens nicht verlieren will!“ „Das ist leicht gesagt aber schwer getan. Ich kann Stefan nicht vorspielen, dass alles in Ordnung ist, dass ich mit ihm glücklich bin. Ich bin keine gute Schauspielerin und denke Tag und Nacht darüber nach, wie ich mich entscheiden soll.“ Immer noch an Nina angelehnt, hielt sie mich fest umschlungen. „Leider weiß ich keine Lösung für deine Situation. Ich schlage vor, wir gehen jetzt zum ´Schwarzen Bär´ Abendessen und eine Flasche Wein trinken. Während dessen überlegen wir, was du tun sollst!“ Ich schaute Nina dankbar an und wollte noch etwas sagen, aber sie hatte inzwischen wieder eine Kasperlefratze gezogen und mir blieb nichts anderes übrig als zu lachen


 


Ende der Leseprobe


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